manager-magazin.de, 16. April 2008, 09:42 Uhr http://www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,547599,00.html STARINVESTOR BUFFETT
Sei gierig, wenn andere sich fürchten
Wie denkt Starinvestor Warren Buffett über die Finanzmarktkrise, welche Chancen gibt er der US-Wirtschaft? Studenten der Wharton School hatten Gelegenheit, mit dem Meister über Regulierung der Märkte, die US-Wahl und Investments in Zeiten der Krise zu sprechen.
Omaha - Anfang Mai pilgern wieder zahllose Investoren zur Hauptversammlung von Berkshire Hathaway , um den Worten des Starinvestors Warren Buffett zu lauschen. Studenten der Wharton School hatten bereits im April die Gelegenheit, mit Buffett in überschaubarer Runde zu diskutieren. Ein Mitarbeiter des US-Magazins "Fortune" war dabei und protokollierte, was Buffett von der aktuellen Situation am Finanzmarkt hält, welche Erholungschancen er der US-Konjunktur gibt und welche Schwierigkeiten er sieht, die Finanzmärkte zu regulieren.
Buffetts Rat ist in Zeiten der Finanzmarktkrise gefragter denn je. Das "Orakel von Omaha" liebt Krisen und hat bereits damit begonnen, einen Teil seines Cash-Bestands in Höhe von 40 Milliarden Dollar wieder zu investieren. Sein Motto "Sei gierig, wenn andere sich fürchten, und fürchte dich, wenn andere gierig werden" darf aber nicht als Aufforderung verstanden werden, sich inmitten der Krise Hals über Kopf in den Markt zu stürzen.
Der Chef der Investmentholding Berkshire Hathaway nutzt die regelmäßigen Treffen mit Studenten nicht nur, um Denkanstöße zu geben. Er hat auch stets die Rendite von Berkshire im Blick: Zur Begrüßung gab es selbstverständlich Coca-Cola ("Berkshire hält rund 8 Prozent der Anteile an Coca-Cola. Ihr müsst die Dosen nicht austrinken, aber öffnet sie bitte"). manager-magazin.de veröffentlicht im Folgenden Auszüge aus dem "Fortune"-Bericht.
Was sollten Anleger jetzt tun?
Millardär Buffett: "Gierig werden, wenn andere ängstlich werden" Buffett: Anleger sollten ihre Investmentstrategie nicht von den aktuellen Schlagzeilen beeinflussen lassen. Die Anlagestrategie sollte zwei Dinge berücksichtigen. Erstens: Wer weiß, was mit der Weltwirtschaft passieren wird, weiß damit noch nicht, was an den Börsen passieren wird. Zweitens: Niemand kann zuverlässig Aktien auswählen, die besser sind als der Durchschnitt.
Aktien sind Langfristinvestments, und Anleger können eigentlich nur zwei Dinge falsch machen: Sie können die falschen Aktien kaufen, und sie können sie zum falschen Zeitpunkt kaufen oder verkaufen. Ich sage zwar immer, dass man gierig werden sollte, wenn andere ängstlich werden, und umgekehrt. Aber das ist leicht gesagt und schwer umzusetzen. Man sollte aber zumindest versuchen, nicht zeitgleich mit der Menge ängstlich oder gierig zu werden.
Wenn nicht einmal große Banken den Wert ihrer Portfolios beurteilen können, wie können Anleger sich jemals darauf verlassen, dass sie auf der sicheren Seite sind?
Buffett: Sie können sich nie darauf verlassen. In jeder großen Finanzorganisation muss der Chef gleichzeitig auch der Risikomanager sein. Ich nehme diese Aufgabe bei Berkshire wahr, und ich denke, dass ich meine Limits kenne. Ich weiß, was ich noch intellektuell verarbeiten kann und was nicht. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass sich ein Konzern auf Modelle und Kalkulationstabellen verlässt.
Verlieren die US-Finanzmärkte ihren Wettbewerbsvorteil? Gelingt noch die richtige Balance zwischen Regulierung und freien Märkten?
Buffett: Sie meinen, zwischen Regulierung und dem Wilden Westen? Ich denke nicht, dass wir unseren Wettbewerbsvorteil verlieren. Wir haben großartige Kapitalmärkte in den USA, und sie erleiden oft genug Schiffbruch, um anschließend noch großartiger zu werden.
"Großartige Märkte" In meiner Branche sind die Leute gar nicht so scharf darauf, dass Märkte perfekt funktionieren. Menschen werden immer wieder Dummheiten ausprobieren, egal, wie scharf die Märkte überwacht werden. Der Regulierung sind Grenzen gesetzt - denn es ist äußerst schwierig, Menschen zu lenken. Wenn ich zum neuen Oberaufseher ernannt würde und 100 extrem intelligente Mitarbeiter hätte, die mit mir alle Derivate, Aktien und Cash-Positionen der großen Finanzinstitutionen durchgingen: Ich könnte immer noch nicht beurteilen, ob sie stabil sind oder nicht.
Das liegt an diesen extrem komplexen Finanzinstrumenten, in die noch Hunderte von Gegenparteien eingebunden sind. Das Risiko auf dieser Gegenseite spielte eine große Rolle bei der Entscheidung der Fed, übers Wochenende den Notverkauf der Investmentbank Bear Stearns zu organisieren. Und ich denke, die Notenbank hatte recht: Niemand weiß, was mit diesen Tausenden Gegenpositionen im Fall einer Bankenpleite passiert wäre. Regulierung ist wichtig. Wirksame Regulierung ist äußerst schwierig.
Das klingt, als sei eine effektive Regulierung unmöglich.
Das Finanzgeschäft ist extrem komplex geworden, mit so vielen Abhängigkeiten untereinander. Wenn man Risiken über die ganze Welt verteilt hat, konzentrieren sich die Risiken nicht mehr bei den Banken, so weit, so gut.
Aber was durch die Risikoverteilung wirklich passiert ist: Die Zahlungsfähigkeit verschiedener Institutionen hängt jetzt in einem sehr hohen Maße voneinander ab. Und es ist außerdem sehr schwierig, das Risiko zu beziffern.
Wenn Bear Stearns keine Derivate in den Büchern gehabt hätte, hätte die Fed möglicherweise gar nicht handeln müssen.
Wird es lange dauern, bis die Krise ausgestanden ist?
Ich denke schon. Derzeit sagen viele Leute, das Konjunkturtal werde nicht allzu tief sein und schnell durchschritten sein, aber im Moment sieht es nach dem Gegenteil aus. Kredite dieser Größenordnung zurückzuzahlen, braucht viel Zeit und verursacht naturgemäß große Schmerzen. Und wir werden auch mit den Auswirkungen der Entschuldung leben müssen. Ich gebe derzeit nicht viel auf makrokonjunkturelle Vorhersagen: Daher sage ich nicht, dass Investoren jetzt Aktien verkaufen müssen. Ich sage aber auch nicht, dass sie jetzt Aktien kaufen müssen.
Wird sich die US-Konjunktur langfristig erholen?
Buffett: Die US-Wirtschaft entwickelt sich gut. Aber sie entwickelt sich nicht jedes Jahr und jeden Monat gut. Wer langfristig nicht an die Stärke der Wirtschaft glaubt, hat am Aktienmarkt sowieso nichts zu suchen. Es gibt reine Vernunftgründe: Wir werden Jahr um Jahr produktiver, und langfristig gesehen schaffen wir Werte. Am Ende kommt also etwas dabei heraus. Langfristig kann ein Investor nur durch zweierlei Dinge verlieren: Durch hohe Gebühren und durch den Versuch, schlauer zu sein als der Markt.
Welchen Rat würden Sie einem Anleger geben, der kein professioneller Investor ist?
Buffett: Wer kein aktiver Investor ist - und nur wenige sollten sich daran versuchen - sollte sich an Indexfonds halten. Indexfonds mit niedrigen Gebühren. Und sie sollten diese langfristig halten. Man wird niemals den besten Zeitpunkt und den niedrigsten Preis erwischen. Um zu vermeiden, dass man die falsche Aktie erwischt, sollte man einen Querschnitt der Industrie kaufen. Und man sollte nicht alles auf einmal kaufen.
Wie denken Sie über die Präsidentschaftswahl?
Lange bevor Hillary Clinton und Barack Obama antraten, sagte ich Hillary, dass ich sie im Fall einer Kandidatur unterstütze, und ich sagte Barack, dass ich ihn im Fall einer Kandidatur unterstütze. Darum bin ich jetzt ein politischer Bigamist. Derzeit denke ich sogar, dass im Fall eines Wahlsiegs der Republikaner John McCain der Kandidat meiner Wahl wäre. Ich denke, dass wir diesmal drei ungewöhnlich gute Kandidaten im Rennen haben.
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