Der Vertrauensmann Von Matthias Kaufmann
Vertrauen ist Dieter Vogels Stärke. Wenn es gut läuft, vertraut man ihm so gerne, dass alle noch so berechtigten Zweifel zerstreut werden. Vielleicht ist Vogel gerade deshalb genau der richtige Aufsichtsratschef für die Investmentgesellschaft WCM. Frankfurt/Main - Dieter Vogel weiß, wie man Vertrauen weckt. Schon sein Maschinenbaustudium schloss er als Doktor "summa cum laude" ab. Und als er 1998 den Thyssen-Konzern als Vorstandschef verließ, dankten ihm die Aktionäre mit stehenden Ovationen. Noch immer genoss er ihr Vertrauen, obwohl er durch den Verdacht der Untreue schwer angeschlagen war. Letzte Hoffnung für WCM? Jetzt wird er Aufsichtsratschef bei der Beteiligungs- und Grundbesitzgesellschaft WCM . Einmal mehr heißt seine Aufgabe, Vertrauen zu schaffen.
Denn bei all den horrenden finanziellen Verlusten, die das Private-Equity-Unternehmen inzwischen eingefahren hat: An keiner Ressource mangelt es WCM mehr als Vertrauen. 2,4 Milliarden Euro Miese, ein monatelanges Lavieren am Rande der Zahlungsunfähigkeit und der galoppierende Realitätsverlust von Vorstandschef Roland Flach - wer will da noch investieren? In den Zeiten der Börsenparty lebte WCM davon, sieche Unternehmen auszuweiden, heute ist die Gesellschaft selbst ein Spielball für Finanzjongleure.
In dieser Krise wird Vogel ins Kontrollgremium berufen. Allein die Ankündigung verfehlt nicht den gewünschten Effekt. Aktienhändler berichten von "auffälligem Kaufinteresse", sogar von Seiten der Investmentfonds, die sich so lange zurückhielten. Ein so erfolgreicher Manager, kalkulieren viele, steigt nicht auf ein sinkendes Schiff. Und wie zur Bestätigung meldet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", Vogel stehe bereits in Verhandlungen mit möglichen amerikanischen Investoren.
Schicksalsjahre bei Thyssen
Dabei war längst nicht immer alles eitel Sonnenschein für Vogel. Zwar stieg er in den Siebzigern bei den Bertelsmann-Druckereien schnell zum Geschäftsführer auf und verdiente sich erste Meriten als Vorstand des sanierungsbedürftigen pfälzischen Teppichherstellers Pegulan. Rasch konnte er die Schulden senken und einen potenten Mehrheitsaktionär auftun.
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Härter trafen ihn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin und die Anklage im Dezember 1997. Er und weiteres Führungspersonal wurden verdächtigt, bei der Abwicklung des früheren DDR-Betriebs Metallurgiehandel die Treuhand um 73 Millionen Mark übervorteilt zu haben. Vogel bestritt die Vorwürfe. Nach fünf Jahren Ermittlungszeit wurde das Verfahren in einem Vergleich beendet, in dem Thyssen 10 Millionen Mark Bußgeld zahlte. Vogels Ruf war dennoch ramponiert.
Rehabilitierung und neuer Höhenflug
Eine symbolische Rehabilitierung erfuhr er, als er an die Spitze des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn berufen wurde: Damit war deutlich, dass er in Regierungskreisen wieder als vertrauenswürdig galt.
Orientierungslos: WCM-Vorstandschef Roland Flach Die Aktionäre bei Thyssen hatten offenbar nie an ihm gezweifelt. Noch immer steht er im Unternehmen im Ruf, ein weitsichtiger Stratege zu sein, der zwar 9000 Stellen strich, aber die Konzernergebnisse in historische Höhen brachte. Dennoch schwächte der Treuhandprozess seine Stellung, die von ihm selbst betriebene Fusion Thyssens mit Krupp stand er nicht durch. Er nahm seinen Hut, als ihm ein zweiter Vorstandsvorsitzender zur Seite gestellt wurde.
Schließlich wusste er bei Mobilcom sein Image auf Hochglanz zu bringen. Die Aufgabe ähnelte der bei WCM: Er sollte ein Unternehmen retten, dessen Bilanzen und Renommee in einem katastrophalen Zustand waren. Wieder lag es an ihm, ein Vertrauensverhältnis herzustellen. Diesmal zur France Télécom , die schließlich bereit war, rund sieben Milliarden Euro der Mobilcom-Schulden zu übernehmen. Was oft übersehen wird: Der französische Konzern hatte ursprünglich höhere Sicherheiten zugesagt.
Optimisten hoffen, dass Vogel nun auch für WCM die Wende managt. Pessimisten hoffen, dass sie nicht so teuer wird wie bei Mobilcom. |