" Fußball wird immer gespielt" EM.TV-Chef Werner E. Klatten über die Boombranche Sportvermarktung, die Haffa-Brüder und Chancen im Wett-Geschäft
Herr Klatten, EM.TV steht für den Aufstieg und den Zusammenbruch des Neuen Marktes. Die berühmt- berüchtigten Haffa-Brüder haben das Unternehmen beinahe zu Grunde gerichtet. Was hat Sie motiviert, ausgerechnet deren Job zu übernehmen?
Die Lage war Ende 2001 tatsächlich äußerst prekär. EM.TV stand vor einem Riesenberg von Problemen. Die Unternehmensstruktur war viel zu komplex, die Risiken erheblich, und die Mitarbeiter waren verständlicherweise demotiviert. Doch genau diese desolate Situation hat mich gereizt.
EM.TV war früher ein Filmrechtehändler. Was machen Sie heute?
Heute verdienen wir unser Geld mit den beiden Geschäftsfeldern Sport und Unterhaltung. Wobei Sport die wesentliche Säule ist.
Da kommt die Fußball-Weltmeisterschaft wahrscheinlich gerade recht.
Oh ja. Wir haben bereits 2002 die exklusiven europäischen Vermarktungsrechte für die Lizenzprodukte zur WM 2006 vom Weltfußballverband Fifa erworben. So haben wir unter anderem Lizenzen an Kar-stadtQuelle, C&A und Bertelsmann für eine Vielzahl von Produkten rund um die Weltmeisterschaft vergeben. An jeder Lizenz verdienen wir eine Provision. Darüber hinaus werden auch unser Sport-TV-Sender DSF und unser Internet-Portal Sport1 von diesem Event profitieren. Und unser Produktionsunternehmen Plazamedia wird zwei Teams für die Produktion der Live-Spiele stellen.
Was kommt nach der WM?
Sport bleibt ein hochattraktiver Markt. Fußball wird immer gespielt und wächst. Davon werden wir profitieren.
Wie steht EM.TV heute insgesamt da?
Das Unternehmen ist saniert, ist liquide, alle Bereiche sind rentabel. EM.TV hat wieder Ansehen am Kapitalmarkt. Unsere Aktie wird zunehmend attraktiver. Dies alles zeigt, dass die Sanierung gelungen ist.
Sind die Mitarbeiter die gleichen wie damals?
Vorstand und Aufsichtsrat sind nach der Ära Haffa komplett neu besetzt worden. Auch auf der Ebene darunter gab es viele Veränderungen. Aber das Gros der Mitarbeiter ist unverändert.
Viele von ihnen hatten EM.TV-Aktien und wurden angesichts der gigantischen Kursgewinne Millionäre.
Ja, aber in den allermeisten Fällen wohl doch nur auf dem Papier.
Der Name EM.TV ist wegen der Vergangenheit stark vorbelastet. Haben Sie nie an eine Namensänderung gedacht?
Schon, aber so lange wir noch mit Themen aus der Vergangenheit zu tun haben, wäre es Augenwischerei, eine Veränderung vorzunehmen. Schließlich klagen ehemalige Aktionäre noch gegen das Unternehmen und wir selbst haben Organhaftungsklagen gegen die früheren Vorstände und Aufsichtsräte laufen.
Und wenn die Vergangenheit einmal abgeschlossen ist?
Ich schließe nicht aus, dass wir dann unseren Namen ändern. Dagegen spricht allerdings, dass EM.TV insbesondere am Kapitalmarkt ein sehr bekannter Markenname ist. Um einen neue Marke ähnlich bekannt zu machen, müsste ich sehr viel Geld ausgeben.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den Haffa-Brüdern heute?
Es war ganz am Anfang ein beinahe freundschaftlichen Verhältnis. Heute ist es eher ein Nicht-Verhältnis und im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass wir gegen die Haffa-Brüder klagen. Was die Aktionärsklagen gegen EM.TV angeht, sind wir aber gleicher Meinung: Wir halten sie für unbegründet.
Die Kläger berufen sich ja darauf, dass sie EM.TV-Aktien Ende 2000 auf Grund einer falschen Pflichtmitteilung gekauft haben. Ist das Unternehmen in seiner Existenz gefährdet, wenn die Kläger Recht bekommen?
Nein. Das Gesamtvolumen aller Klagen gegen uns beläuft sich auf rund 11,5 Millionen Euro. Das ist alles andere als existenzgefährdend. Bis heute hat noch kein Gericht gegen EM.TV entschieden. Es gelingt in der Regel nicht, einen Kausalzusammenhang zwischen einer Unternehmensmitteilung und einer Anlageentscheidung zu beweisen. Deshalb bin ich weiterhin zuversichtlich, dass wir hier obsiegen werden.
Der Abo-Fernseh-Konzern Premiere ist scharf auf Ihren Sport-TV-Sender DSF . Werden Sie verkaufen?
Sport macht heute mehr als 80 Prozent unseres Geschäfts aus. Innerhalb des Sports wiederum hat das DSF zentrale Bedeutung. Mit einem Verkauf von DSF würde ich die Unternehmensstrategie Sport über Bord werfen. Das DSF ist für sich genommen also nicht verkäuflich - es sei denn wir einigen uns über eine strategische Allianz für den Sportbereich als Ganzes.
Wie könnte diese strategische Allianz konkret aussehen?
Ich habe viele Ideen, aber noch nicht für die Öffentlichkeit.
Premiere könnte EM.TV doch auch einfach übernehmen.
Dafür gibt es keine Anzeichen. Es ist auch nicht meine Aufgabe, über den Sinn eines solchen Schrittes nachzudenken. Was ich getan habe, ist, Premiere eine intensive Kooperation anzubieten.
Jetzt wollen Sie auch ins Wett-Geschäft einsteigen. Was versprechen Sie sich davon?
Das ist ein sehr interessanter Markt. Sollte das staatliche Wett-Monopol wegfallen, wofür wir gute Chancen sehen, wollen wir hier kräftig mitmischen.
Andere Anbieter wie Oddset oder Betandwin sind doch schon lange in diesem Geschäft tätig. Wie wollen Sie denen Marktanteile abjagen?
Wir haben einen großen Vorteil gegenüber den Konkurrenten: Mit DSF und Sport1 verfügen wir über ideale Plattformen, über die wir unsere Wett-Angebote massiv vertreiben könnten. Wenn wir grünes Licht vom Gesetzgeber erhalten, dann können wir sofort loslegen.
Analog zu Ebay im Internet führt der Kanal Arena, an dem EM.TV beteiligt ist, Auktionen im Fernsehen durch. Ist da viel zu holen?
Wir glauben, dass es in diesem Markt langfristig ein großes Potenzial gibt. Sehen Sie nur, wie erfolgreich die Teleshopping-Kanäle laufen.
Wo wollen Sie mit EM.TV noch hin?
Zunächst einmal soll der Konzern 2005 erstmals seit Jahren schwarze Zahlen vor Steuern schreiben. Doch wir müssen unsere Aktivitäten kontinuierlich ausweiten und internationalisieren. Angesichts des beinharten Wettbewerbs in der Branche werden wir jedenfalls so schnell nicht durchatmen können.
Werden Sie bei EM.TV wieder aussteigen, wenn Sie das Gefühl haben, dass die Sanierung beendet ist?
Ich liebe Umbruchsituationen in Unternehmen. Diese Umbruchsituation ist bei EM.TV nicht mehr gegeben. Jetzt geht es darum, das Unternehmen in eine sichere Wachstumsphase zu bringen. Dies ist auch für mich eine spannende Aufgabe. Ich bin aber nicht der Typ für den Job, die Stellschraube Rentabilität um ein paar Millimeter zu verändern.
Gespräch: Sebastian Wolff / Berliner Zeitung, erschienen 31.10.2005 |