27. Mai 2008 DICKE SUBVENTIONEN
Von Sascha Rentzing
Der Markt für Ökostrom gerät aus dem Gleichgewicht: Die Hersteller von Solarzellen wollen ihre Produktion bis 2010 versechsfachen, zum Teil in gigantischen Großfabriken. Experten prophezeien massive Überkapazitäten - denn die Nachfrage wächst viel langsamer.
Hamburg - Die Flughäfen der Welt sind zu Robert Gattereders zweiter Heimat geworden: Im Wochentakt reist der Geschäftsführer der M+W Zander Facility Engineering nach Asien, Südeuropa und in die USA, um die vielen Baustellen seiner Firma zu begutachten. Gattereders Firma ist eine Tochter des Stuttgarter Technologiekonzerns M+W Zander, die vor allem Solarfabriken baut. Derzeit ist Gattereder gefragter denn je. "Die Solarenergie boomt. Unser Geschäft blüht."
Um die Nachfrage zu bedienen, will M+W Zander ab 2009 Solarfabriken mit Kapazitäten jenseits der 1000-Megawatt-Grenze anbieten. Die bisherige Standardgröße liegt bei 80 bis 100 Megawatt. Damit wären Solarstandorte künftig fast so groß wie Autowerke.
Was wie eine Utopie klingt, könnte bald wahr werden. Denn die Solarhersteller wollen ihre Produktionskapazitäten bis 2010 weltweit auf mindestens 18.000 Megawatt versechsfachen. 14.000 Megawatt davon sollen auf kristalline Siliziumzellen und -module entfallen, 4000 auf Dünnschichtpanels. Allein der ostdeutsche Zellenhersteller Q-Cells will seinen Output in den nächsten zwei Jahren auf mehr als 1000 Megawatt verdoppeln.
Grund für den Boom ist die steigende Nachfrage nach Solaranlagen. Gemäß der marktwirtschaftlichen Logik reagieren die Firmen darauf mit einem kräftigen Ausbau der Kapazitäten. Ein weiterer Vorteil: Durch Massenproduktion in Großfabriken lassen sich die Kosten senken.
Dabei ist Solarstrom immer noch zu teuer. Die Kilowattstunde kostet in Deutschland mehr als 40 Cent, ohne Steuern und Netzanschluss. Herkömmlichen Strom gibt es dagegen für 20 Cent - inklusive aller Nebenkosten. Wenn die Solarindustrie diesen Abstand nicht schnell verringert, wird die Sonnenenergie bald nicht mehr gefragt sein.
Noch sind die Firmen sehr erfolgreich: Q-Cells zum Beispiel steigerte den Gewinn 2007 um 52 Prozent auf 197 Millionen Euro. Auch das Bonner Unternehmen Solarworld hatte ein starkes Jahr: Es verbesserte sein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um gut 48 Prozent auf 174,5 Millionen Euro.
Doch solche Traumergebnisse könnten bald Vergangenheit sein. Denn offensichtlich überschätzen die Firmen die Nachfrage nach Solarzellen - und laufen Gefahr, massive Überkapazitäten aufzubauen.
2007 wurden weltweit Solaranlagen mit einer Leistung von 2300 Megawatt installiert - so viel wie zwei Atomkraftwerke. Wenn es gut läuft, schätzen Experten, wird sich der jährliche Zubau bis 2010 verdreifachen. "Die Nachfrage wird sich maximal auf 7000 Megawatt erhöhen", sagt Winfried Hoffmann, der Präsident des europäischen Fotovoltaik-Industrieverbands Epia.
Das heißt: Die von den Herstellern avisierte Produktionskapazität von 18.000 Megawatt ist viel zu hoch gegriffen. Denn dafür müsste sich die Nachfrage verachtfachen - nach Expertenmeinung illusorisch.
Zwar wird es einzelne Märkte mit starkem Wachstum geben - in Spanien etwa soll sich die neu installierte Leistung in diesem Jahr auf 700 Megawatt verdoppeln. In den meisten asiatischen und südeuropäischen Ländern ist die Solarenergie dagegen kaum gefragt (siehe Grafik). Bei der Produktion stieg China zwar mit einem Volumen von 1200 Megawatt im Jahr 2007 zum weltgrößten Fotovoltaik-Hersteller auf. Doch weil Solartechnik in dem Land kaum gefördert wird, gingen dort im vergangenen Jahr nur Anlagen mit 50 Megawatt ans Netz.
Die Regierung will die Förderung kappen
Frankreich und Italien enttäuschten ebenso: Dort wurden 45 beziehungsweise 25 Megawatt aufgestellt. Zum Vergleich: 25 Megawatt entsprechen der Leistung von gerade einmal fünf modernen Windrädern. Auch in Zukunft ist kaum mit einem Solarboom am Mittelmeer zu rechnen: "Es gibt noch viele administrative Hürden", sagt Gert Gremes vom italienischen Fotovoltaik-Verband.
Deutschland, mit einem Zubau im Jahr 2007 von 1100 Megawatt größter Fotovoltaikmarkt der Welt, wird Experten zufolge sein Wachstum ebenfalls verlangsamen. Denn die Bundesregierung will das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) novellieren. Dadurch soll die Einspeisevergütung für Solarstrom 2009 um gut neun, 2010 um sieben und von 2011 an pro Jahr um acht Prozent sinken. Bisher betrug die jährliche Degression nur fünf Prozent. Durch die erzwungene Preissenkung will Berlin die Branche zu Innovationen drängen - und gleichzeitig den Import von Solartechnik vor allem aus China bremsen. "Wir sind Marktführer bei Neuinstallationen, nicht aber bei der Produktion", sagt Joachim Nick-Leptin, Regierungsdirektor im Bundesumweltministerium.
Zu schaffen macht der Branche auch die anhaltende Siliziumknappheit - sie könnte die ehrgeizigen Wachstumspläne ebenfalls durchkreuzen. Silizium ist der Grundstoff der klassischen Zellproduktion. Im Jahr 2010 will die Industrie etwa 80.000 Tonnen Silizium für die Solarbranche bereitstellen. Das wird für 10.000 Megawatt, nicht aber für die geplanten 14.000 reichen.
"Es wird Verlierer geben"
Experten gehen deshalb davon aus, dass der Wettbewerb in der Solarbranche härter wird: Der Streit ums knappe Silizium geht weiter, gleichzeitig müssen die Firmen noch intensiver um Kunden kämpfen. Nur wer über sichere Rohstoffquellen verfügt, global agiert und seine Produkte günstiger verkauft als die Konkurrenz, wird sich durchsetzen. "Es wird Verlierer geben", sagt Stephan Droxner, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.
Die Firmen wissen, worum es geht, und rüsten sich für die Zukunft. Solarworld etwa setzt auf internationale Expansion. Nach Erwerb und Ausbau einer Solarfabrik in Kalifornien will der Konzern nun eine Modulproduktion in Südkorea bauen. Sie soll über eine Kapazität von 120 Megawatt verfügen und 2009 in Betrieb gehen. "Wir reagieren damit auf die steigende solare Nachfrage in den Wachstumsmärkten Asiens", sagt Solarworld-Chef Frank Asbeck.
Der Erfurter Solarhersteller Ersol geht einen anderen Weg: Das Unternehmen hat seine Produktpalette um eine neue Technik erweitert. Seit Anfang 2008 bietet die Firma neben klassischen, siliziumbasierten Solaranlagen auch Dünnschichtmodule an. Bis Ende 2012 soll die Produktionskapazität für diese Panels von 40 auf rund 200 Megawatt steigen.
Die Firmen, die sich im aufziehenden Konkurrenzkampf halten, werden letztlich für ihre Mühen belohnt. Denn je höher der Kostendruck, desto schneller wird Solarstrom wettbewerbsfähig - zunächst in den sonnenreichen Staaten, schließlich auch in Deutschland. Und ist die Solarenergie nicht mehr von staatlichen Förderprogrammen abhängig, könnte sie zum Selbstläufer werden.
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