lesen sollte:
Clemens Setz: „Korrektur“
Witzigerweise ist mein Lieblingsbuch von Thomas Bernhard sein Roman „Korrektur“, den ich die ersten drei Male, da ich ihn begann, weglegen musste, weil mir seine Lektüre wie das Durchwaten eines Betonbeckens vorkam. Dann las ich ihn einmal jemandem zur Gänze laut vor (in der Jugend, da man noch über Unmengen von Zeit verfügt, macht man bisweilen derlei Stunts) und da wurden die Geschichte und die Denkbewegungen der Erzählerfigur auf einmal leuchtend und klar. Ein Mann namens Roithamer hat für seine Schwester eine absurde kegelförmige Behausung gebaut, danach brachte er sich um. Der Ich-Erzähler, ein Freund Roithamers, bezieht die Dachkammer eines Tierpräparators und bringt in sie den Zettelnachlass seines Freundes; er hat vor, ihn dort zu sichten und zu ordnen. Aber dann, nachdem er den Haufen Papier in einem Rucksack angeschleppt hat, stopft er, wie vom schwarzen Engel der Entropie besessen, plötzlich alle Zettel ungeordnet in Schubladen, all die zarte innere Ordnung geht verloren, worauf das Universum spürbar einen Riss bekommt. Darauf bleibt ihm nichts anderes mehr zu sagen, als: „Das hätte ich jetzt nicht tun sollen.“ Über diesen Augenblick muss ich selbst heute noch, im Erinnerungsabstand von gut zwölf Jahren, immer noch lachen. https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/...n-Thomas-Bernhard.html
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