„Ich war’s nicht“ - Viele fragen sich: Wer hat „Bruno“ erschossen
Schliersee. Seine Neugierde wurde „Bruno“ zum tödlichen Verhängnis. Ohne jegliche Scheu spazierte der Braunbär am Sonntagabend direkt am Rotwandhaus über dem oberbayerischen Spitzingsee vorbei. „Ich sagte den Gästen, dass sie im Haus bleiben sollen. Dann ging ich hinaus und schrie den Bären an“, schildert Hüttenwirt Peter Weihrer der dpa am Montagmorgen die wohl letzte Begegnung mit „JJ1“, wie der aus Norditalien stammende junge Bär offiziell heißt. Nach der Flucht des Bären verständigte er die Polizei. Um 4.50 Uhr war „Bruno“ tot - nach fünf Wochen unentwegten Umherstreunens im deutsch-österreichischen Grenzgebiet erschossen von drei eilig zusammengetrommelten Jägern. „Der Bär kam bis auf fünf Meter an das Rotwandhaus heran“, erzählt der Pächter der Alpenvereinshütte vom letzten Zusammentreffen eines Menschen mit „Bruno“ vor dessen jähem Ende. Auch Gäste hätten dem Bären noch einmal direkt ins Antlitz geschaut. „Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sich der Bär vor uns fürchtete“, schildert der Hüttenpächter die Begegnung. Viele fragen sich seit Montag früh: Wer hat „Bruno“ erschossen? „Ich war’s nicht“, versichert Siegmar Wüst von der Forstdienststelle Spitzingsee. Beamte der Bayerischen Staatsforste seien nicht an der tödlichen Jagd beteiligt gewesen, fügt der sichtlich genervte Forstmann hinzu und lässt doch Erleichterung erkennen, dass nicht er den von vielen als schmutzig empfundenen Job des Erschießens von „Bruno“ erledigen musste. Doch wer war es dann? Nachdem bereits kurz nach der Erschießung von „Bruno“ telefonisch und per E-Mail Morddrohungen gegen die Bärenjäger im bayerischen Umweltministerium eingegangen waren, halten die Behörden dicht - vorerst. „Wir haben uns entschlossen, die Personen nicht öffentlich zu machen“, sagt Umweltstaatssekretär Otmar Bernhard (CSU) in dürren Worten auf einer eilig in Schliersee anberaumten Pressekonferenz. Und als in ohnehin schon gereizter Stimmung ein Journalist nachbohrt, raunt Ministeriumssprecher Roland Eichhorn: „Es sind Jagdkundige, und dabei bleibt es.“ Auch nicht die Andeutung einer Antwort gibt es von offizieller Seite zu dem Gerücht, wonach ein Polizeibeamter einer der drei Jäger gewesen sein soll, die „Bruno“ im Morgengrauen nahe der Kümpflalm unterhalb des Rotwandhauses erschossen. Nur so viel lässt sich Bernhard entlocken: „Der Bär war sofort tot.“ Und wie zum Trost fügt er hinzu: „Bruno“ sei schmerzlos erlegt worden. Doch nicht nur Tier- und Artenschützer dürften Beweise für den sanften Tod des Bären verlangen, der wochenlang die Schlagzeilen nicht nur in Deutschland beherrschte. „Wo bleibt das Beweisfoto des toten Bären?“, wird der CSU-Politiker Bernhard in der Fragerunde angegangen. Die Antwort gibt erneut Eichhorn: Um „die Würde des Tieres“ zu wahren, werde das Ministerium keine Fotos veröffentlichen. Die könnten aber schon bald kursieren. Wie es heißt, existieren private Aufnahmen des erschossenen „Bruno“, die Rotwand-Hüttenwirten noch vor dem Abtransport der Jagdbeute gelungen sein sollen. Mit zitternder Stimme prangert Schliersees Bürgermeister Toni Scherer vor laufenden Kameras in der Pressekonferenz des Ministeriums die Schießwütigkeit bayerischer Behörden an. Er spricht von der Abschaffung der Todesstrafe in Deutschland und davon, dass „Bruno“ zumindest in seiner Gemeinde nicht in besiedeltem Gebiet auf Futtersuche gegangen sei. Vehement fordert der parteilose Kommunalpolitiker, der ausgestopfte „Bruno“ müsse im Schlierseer Bauernhofmuseum und nicht in München ausgestellt werden. Als die Kamerateams bereits ihre Scheinwerfer ausschalten wollen, tritt „Bruno“ der versammelten Politprominenz im Schlierseer Gasthof „Zur Post“ überraschend noch einmal lebendig gegenüber - freilich nur in Gestalt eines Einheimischen, der rasch ein Bärenkostüm vom Speicher geholt hat und in die Pressekonferenz hineinplatzt. Medienwirksam betrauert der 38-jährige Toni Engelhard und Sohn eines Beamten am Miesbacher Landratsamt den Tod von „JJ1“: „Die Jäger haben wieder zugeschlagen“, wettert er sehr zum Ärger von Staatssekretär Bernhard. Die Lampen werden wieder angeknipst, und wie all die Wochen seit seinem großen Auftritt in Deutschland und Österreich stiehlt „Bruno“ noch einmal allen die Schau. Paul Winterer, dpa
|