Der Historiker David Frum über das Vertrauen der Amerikaner in ihren wiedergewählten Präsidenten
Bush nach der Wiederwahl: "Wahrscheinlich rechts von der Mitte, aber die Menschen trauen ihm" SPIEGEL: Warum haben die Amerikaner George W. Bush wiedergewählt?
Frum: Moral, Charakter und Integrität waren die entscheidenden Faktoren. Die Mehrheit der Amerikaner hält ihn für jemanden, dem sie vertrauen können. Sie stimmen nicht immer mit ihm überein, denn ideologisch steht Bush wahrscheinlich rechts von der Mitte. Aber die Menschen trauen ihm zu, die richtigen Entscheidungen zu treffen, vor allem wenn es um die Sicherheit des Landes geht.
SPIEGEL: Erstaunlich, dass die nicht besonders gute Wirtschaftslage nur eine geringe Rolle gespielt hat.
Frum: Die Amerikaner haben Bushs Erklärung akzeptiert, dass die ökonomischen Schwierigkeiten auf die Börsenkrise des Jahres 2000 und die Anschläge vom 11. September 2001 zurückzuführen seien.
SPIEGEL: Wie viel Einfluss werden Ihre Freunde, die Neokonservativen, haben?
Der gebürtige Kanadier Frum, 44,
prägte als Redenschreiber für George W. Bush den Ausdruck "Achse des Bösen". Er gilt als einer der führenden Neokonservativen in Washington. Frum: Ich mag den Ausdruck nicht besonders. Der Präsident entscheidet, er hat das Mandat, seinen Instinkten zu folgen und im Irak zu gewinnen, nicht aber dafür, die Truppen so schnell wie möglich zurückzuziehen. Bush wird den Krieg gegen den Terrorismus in den Mittelpunkt seiner zweiten Amtszeit stellen. Das heißt nicht, dass er jetzt mehr Präventivkriege führen wird. Es hat zwölf Jahre ständiger Provokationen durch Saddam Hussein bedurft, um einen solchen Krieg auszulösen. Vielleicht wird es nie wieder einen derartigen Fall geben. Wenn doch, halten die Amerikaner sein hartes Vorgehen für richtig.
SPIEGEL: Wird Bush in der zweiten Amtszeit versöhnlicher oder noch aggressiver vorgehen?
Frum: Sowohl als auch. Wir erleben gerade den Beginn eines Militärschlags gegen die Aufständischen im Irak. Er wird auch hart gegen Iran vorgehen. Die Europäer haben den Präsidenten gedrängt, das iranische Nuklearprogramm durch die Internationale Atomenergiebehörde und den Uno-Sicherheitsrat überprüfen zu lassen. Wir nähern uns jetzt dem Ende dieses Prozesses. Das Ergebnis ist, dass Teheran beim Lügen erwischt wurde. Jetzt steht die Welt, besonders Europa, vor der Frage, was geschehen soll.
SPIEGEL: Welche Folgen erwarten Sie?
Frum: Iran ist nicht der Irak. Wirtschaftssanktionen können die Mullahs empfindlich treffen, ebenso Hilfen für die iranische Opposition. Um zu überleben, muss Iran seine Wirtschaftslage verbessern. Dabei helfen Handelspartner wie Deutschland.
SPIEGEL: Was wird passieren, wenn Wirtschaftssanktionen nicht verhängt werden oder nicht greifen?
US-Gegner in Iran: "Beim Lügen erwischt" Frum: Iran sollte die Botschaft verstanden haben: Amerikanische Drohungen sind ernst gemeint. Niemand denkt an einen Bodenkrieg mit Panzern und Artillerie, denn die Menschen in Iran werden die neuen Freunde der westlichen Demokratie. Wenn solche Maßnahmen fehlschlagen, stehen den USA andere Mittel zur Verfügung, um Iran am Bau der Bombe zu hindern.
SPIEGEL: Wird Amerika sich jetzt wieder stärker im Nahost-Friedensprozess engagieren?
Frum: Die Gelegenheit scheint günstig. Arafat ist von der politischen Bühne verschwunden, auf der palästinensischen Seite gibt es bald neue Gesprächspartner. Aber der vielleicht wichtigste Faktor ist dieser: Der Terrorkrieg, den Arafat begonnen hat, endet jetzt in einem großen Sieg Israels. Nun brüten auch Palästinenser über dieser verfehlten Strategie. Die Welt hat darauf gewartet, dass die Palästinenser Ja zum Frieden sagen. Vielleicht kommt jetzt dieser Moment.
SPIEGEL: Die Europäer misstrauen den USA wie nie zuvor.
Frum: Leider gibt es Regierungschefs in Europa, die glauben, dass sie die Feindschaft gegenüber den USA für ihre kurzfristigen politischen Ziele noch anheizen sollten. Manche wollen damit Wahlen gewinnen, andere ihre Bevölkerung überzeugen, die neue europäische Verfassung zu billigen. Die EU ist ein Kunstprodukt. Ihre Vorkämpfer wollen eine neue europäische Identität schaffen. Und sie tun es, indem sie Gegensätze zwischen dem alten Kontinent und Amerika schüren. Sie sind dabei, Europa als Gegenpol zu definieren - als einen Kontinent, der sein Selbstbewusstsein daraus bezieht, nicht Amerika zu sein.
Der Spiegel 6.11.2004 |