Internet: www.web.de
Datum: 04.10.2000 WKN: 529 650 Kurs: 21,00 Euro Hoch/Tief (52 Wochen): 70,50 / 14,20 Gewinnreihe (in Euro je Aktie): 1999: -0,34 2000e: -0,40 2001e: -0,17 KGV (2001): Verlust
E-Mails, Faxe und noch mehr - Web.de mischt kräftig mit beim Poker um die Internet-Nutzer. Neben diesen Kommunikations-Dienstleistungen bietet die Karlsruher Gesellschaft auf ihrem Web-Portal eine Reihe von anderen Services, und zwar kostenlos - zumindest für den Privatnutzer: unter anderem einen gut gegliederten Suchkatalog, Nachrichten aus Politik, Sport und Wirtschaft sowie Spezial- Dienste wie zum Beispiel einen Fahrt-Routen-Planer.
Haupteinnahmequelle von Internet-Unternehmen ist die Werbung; so auch bei Web.de. Im Geschäftsjahr 2000 erwartet der Vorstand daraus zwei Drittel der Erlöse. Die Gesellschaft ist damit stark abhängig von diesen Umsatzströmen. Hinzu kommt, dass diese Erlöse schlecht planbar sind und saisonalen Schwankungen unterliegen. Eine Auslastung der Werbeplätze ist nur in Spitzenzeiten möglich, zum Beispiel um Weihnachten herum.
Der Vorstand schätzt den Anteil der Online-Werbung am gesamten Werbe-Kuchen in Deutschland auf 1 Prozent - obwohl das Internet inzwischen ein Massenmedium ist. Er erwartet hier einen „Nachlauf-Effekt“: Die Budgets für Werbung im Netz würden wegen der hohen Nutzerzahlen künftig höher ausfallen, so seine Annahme. Ob und wann dies so sein wird, ist allerdings nicht abzusehen. Marketing-Aufwendungen In jedem Fall ist es für Web.de unerlässlich, eine Plattform zu betreiben, die für Reklamezwecke attraktiv ist. Wichtigstes Kriterium dafür sind die sogenannten Page-Impressions, die Seitenabrufe. Die Karlsruher sind hier auf einem guten Weg: Im August lag die Anzahl der Klicks bei 186 Millionen. Nach Angaben des Vorstands hat das Portal 5,4 Millionen Nutzer. Um diese Zahlen zu erreichen, waren hohe Marketing-Ausgaben nötig. Im ersten Halbjahr 2000 betrugen sie 15,6 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr sind 26 Millionen Euro vorgesehen.
Um möglichst hohe Erlöse aus der Online-Werbung zu generieren, hat das Unternehmen ein innovatives Gebühren-Modell entwickelt: Pay per Klick. Um beispielsweise bei dem Gewinnspiel Millionen-Klick einen Tipp abzugeben, muss der Nutzer ein Werbe-Banner anklicken. Die Gesellschaft bekommt dafür vom Werbetreibenden 1 bis 1,50 Mark. E-Commerce Web.de will auch vom Handel über das Internet profitieren, verkauft jedoch selbst keine Waren. Unter anderem stellt die Gesellschaft eine Plattform zur Verfügung, auf der sich die betreffenden Firmen gegen eine Gebühr präsentieren können. Noch befindet sich dieser Bereich E-Commerce in der Investitionsphase; das jedoch soll sich ändern. Das Ziel, bis 2002 in diesem Geschäftsfeld profitabel zu sein, erscheint allerdings sehr ambitioniert: Bisher ist der elektronische Handel in Deutschland noch nicht sehr erfolgreich.
Der Vorstand rechnet schon bald mit einen „Durchbruch“, nämlich im vierten Quartal dieses Jahres. Um daran teilzuhaben, will die Gesellschaft rechtzeitig zum Weihnachts-Geschäft eine Suchmaschine für E-Commerce-Produkte einführen. Lizensierungen Eine weitere Einnahmequelle der Karlsruher ist die Lizenzierung von selbstentwickelter Software. Web.de besitzt verschiedene Datenbank-Applikationen sowie Portal- und Sicherheitstechnologien, für die es Interessenten geben könnte. So hat das Unternehmen im ersten Halbjahr 2000 von der amerikanischen VoIP Group rund 2 Millionen Euro für seine Sicherheits-Software erhalten.
Weitere Erlöse in diesem Bereich werden jedoch nur sehr unregelmäßig fließen; es handelt sich um ein Zusatzgeschäft. Vorstellbar wäre beispielsweise der Verkauf einer Lizenz für den Millionen-Klick. Für dieses Jahr rechnet der Vorstand nicht mit weiteren Einnahmen in diesem Segment. Unified Messaging Wesentlich mehr erhofft sich Web.de vom sogenannten Unified Messaging: der Integration von E-Mail, Fax, SMS und Voice-Mails in einer Kommunikationsplattform. Für Privatkunden bieten die Karlsruher diesen Service kostenlos auf ihrem Internet-Portal an. Der Nutzer muss sich dafür nur einloggen. Durch die Einbindung der Wap-Technologie ist das System auch über Handy erreichbar.
Dieses Unified-Messaging-System sollen nach den Plänen von Web.de bald auch Unternehmen nutzen, und zwar gegen eine monatliche Grundgebühr von 20 bis 40 Mark pro Lizenz. Das Angebot soll werbefrei sein und zusätzliche Leistungen enthalten, zum Beispiel ein Call-Center für die Betreuung der Nutzer. Potenzielle Kunden sind kleine und mittelständische Unternehmen, Handwerksbetriebe sowie Freiberufler. Abhängig von der Anzahl der jeweils angeschlossenen Computer müssen die Firmen nicht nur eine, sondern mehrere Lizenzen kaufen.
Um dieses Produkt an den Markt zu bringen, hat sich Web.de mit 20 Prozent an dem Vertriebsunternehmen Echo beteiligt. Für das laufende Jahr erwartet der Vorstand keine größeren Umsätze aus diesem Geschäftsfeld, doch schon im nächsten Jahr sollen 100.000 Lizenzen verkauft sein. Ob diese optimistischen Prognosen eingehalten werden können, ist aber noch nicht abzusehen. Zwar könnten die Firmen dann ihre gesamte Kommunikation über eine integrierte Plattform abwickeln und damit die Kosten für den Aufbau eines eigenen Systems sparen - ob sich das bei der Höhe der Lizenzgebühren aber für sie rechnet, ist die Frage.
Mittelfristig attraktiver könnte dieser Service durch die Einbindung von Internet-Telefonie werden. Web.de plant, diesen Bereich stark auszubauen. Die dafür nötige Technologie haben sich die Karlsruher mit einer 12-prozentigen Beteiligung an der VoIP Group gesichert. Finanzlage Im ersten Halbjahr 2000 erwirtschaftete Web.de einen Umsatz von 5,9 Millionen Euro. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht dies einer Steigerung von über 300 Prozent. Darin enthalten sind jedoch auch die einmaligen Einnahmen von rund 2 Millionen Euro aus dem Lizenz-Verkauf an VoIP.
Das Ergebnis wird belastet durch hohe Marketing-Aufwendungen. Der operative Verlust im ersten Halbjahr 2000 betrug 14,2 Millionen Euro. Nach Steuern blieb ein Fehlbetrag von 12,3 Millionen Euro. Aufpolieren kann Web.de sein Ergebnis durch hohe Zinseinnahmen. Sie resultieren aus den Einnahmen des Börsengangs im Februar dieses Jahres. Der größte Teil dieses Geldes, 186 Millionen Euro, ist noch vorhanden und wurde von der Gesellschaft angelegt.
Für das Gesamtjahr hat der Vorstand bisher mit 9,4 Millionen Euro Umsatz gerechnet. Inzwischen geht er von 14,7 Millionen Euro aus. Der erwartete operative Verlust von 24 Millionen Euro soll durch Zinseinnahmen von 6 bis 7 Millionen Euro aufgebessert werden. Daraus ergäbe sich ein Ergebnis nach Steuern von minus 18 Millionen Euro.
2001 erwartet der Vorstand mindestens 35 bis 50 Millionen Euro Umsatz. Darin enthalten sind auch die bisher nur geplanten Erlöse aus der professionellen Nutzung des Unified Messaging. Diese könnten im Bereich von 15 Millionen Euro liegen. Der operative Verlust im nächsten Jahr soll zwischen 11 und 14 Millionen Euro liegen, das Ergebnis nach Steuern zwischen 6 und 7 Millionen Euro.
Prognose 2002: rund 125 Millionen Euro Umsatz. Davon sollen etwa 45 Millionen Euro aus dem Unified Messaging kommen. Das operative Ergebnis ist mit plus 7 Millionen Euro veranschlagt. Dazu kämen Zinseinnahmen von etwa 7 Millionen Euro, so dass ein Gewinn nach Steuern von 14 Millionen Euro bliebe. Fazit Web.de betreibt ein gut sortiertes Internet-Portal, das in der Vergangenheit viele neue Nutzer gewinnen konnte. Die dazu nötigen Marketing-Aufwendungen belasten jedoch das Ergebnis - auch künftig. Noch ist aber genügend Geld in der Kasse, um diese Kosten aufzufangen.
Wichtig ist, dass die Gesellschaft ihr Angebot ständig erweitert und attraktiv gestaltet. Nur so können die Nutzer langfristig auf dem Portal gehalten werden; die Konkurrenz ist groß. Neue Gebühren-Modelle wie das lukrative Pay per Klick zeigen aber, dass Web.de nicht schläft.
Sehr ambitioniert sind die Pläne für die kommerzielle Lizenzierung des Unified Messaging. Ob die Unternehmen das Angebot gegen ein monatliche Entgelt nutzen, bleibt abzuwarten. Auf dem aktuellen Niveau sind die Papiere eine gute Halteposition. Zur Absicherung ist ein Stop-Loss im Bereich von 19,00 Euro ratsam. |