Experten sehen Deutschland weiter auf Wachstumskurs
§14.11.2006 13:40:00
§ BERLIN (Dow Jones)--Experten von Wirtschaftsforschungsinstituten und -verbänden sehen Deutschland nach der Veröffentlichung der Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im dritten Quartal um 0,6% weiter auf Wachstumskurs im laufenden Jahr. Unterschiedlich hingegen sind ihre Einschätzungen zur wirtschaftlichen Entwicklung im kommenden Jahr.
"Die vorliegenden statistischen Zahlen zum dritten Quartal bestätigen das solide Wirtschaftswachstum des Gesamtjahres 2006 von klar über 2%", erklärte der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Axel Nitschke, am Dienstag in Berlin. Die deutsche Konjunktur zeige derzeit eine eindrucksvolle Dynamik. Den abermals gestiegenen Ausfuhrzahlen stehe mittlerweile eine spürbar verbesserte Binnennachfrage zur Seite. Die Unternehmen investierten wieder in Deutschland und das spüre endlich auch der Bau.
Zudem beflügelten die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, aber auch Vorzieheffekte bei höherpreisigen Gebrauchsgütern die Konsumausgaben der privaten Verbraucher, sagte Nitschke. Hieran zeige sich aber auch die Gefahr einer konjunkturellen Abschwächung im kommenden Jahr. "Die Anhebung der Mehrwertsteuer und der Versicherungsteuer um drei Prozentpunkte 2007, die Kürzung der Pendlerpauschale und die Halbierung des Sparerfreibetrages verringern das private Einkommen - und werden den Konsum im nächsten Jahr schon wieder dämpfen; die Konjunkturabkühlung zu Jahresbeginn 2007 ist also hausgemacht", warnte Nitschke.
Der Chefvolkswirt des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Roland Döhrn, sieht in den Daten zum BIP und in dem jüngsten ZEW-Index eine Bestätigung der bisherigen RWI-Prognose von 2,2% Wachstum in diesem und 1,7% im kommenden Jahr. Insgesamt festige sich mit den Daten das Konjunkturbild. "Wir werden dieses Jahr einen kräftigen Aufschwung haben", sagte Döhrn Dow Jones Newswires. "Die 2,2% sind vielleicht sogar etwas zu niedrig, weil das Wachstum im zweiten Quartal revidiert wurde", meinte er.
Für 2007 zeigte sich der RWI-Experte "nicht so skeptisch" und erwartet ab dem zweiten Quartal wieder eine Belebung und dann eine Fortsetzung des Aufschwungs. "Dies lässt sich aber nicht auf den Monat genau vorhersagen", unterstrich Döhrn.
Auch aus Sicht des Chefvolkswirts des Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität Kiel (IfW), Joachim Scheide, wird 2006 in jedem Fall ein hohes Wachstum verzeichnet werden, auch wenn angesichts aktueller Zahlen wie etwa zur Industrieproduktion die Entwicklung im dritten Quartal "etwas enttäuschend" sei. "Dieses Jahr wird bombig laufen, 2,3% bis 2,4% Wachstum sind sicher drin", sagte Scheide Dow Jones Newswires. Mit Blick auf die zu erwartenden Vorzieheffekte im vierten Quartal könne das Wachstum sogar noch darüber hinaus gehen, sagte Scheide.
2007 weise die Entwicklung dann aber "klar nach unten", betonte der IfW-Konjunkturexperte. Dabei könne noch nicht gesagt werden, ob sich das nur auf das erste Quartal oder auch auf den weiteren Jahresverlauf erstrecken werde. "Wir sind da nach wie vor sehr kritisch", unterstrich der IfW-Chefökonom. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hatte zuvor auf Basis seiner jüngsten Umfrage unter Analysten und institutionellen Investoren die Erwartung geäußert, dass sich die deutsche Wirtschaft ab Mai 2007 von dem Nachfrageeinbruch wegen der Mehrwertsteuererhöhung erholen wird.
Durchaus skeptisch äußerte sich der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA), Anton F. Börner, zu den BIP-Zahlen. "Die Wachstumszahlen sehen zwar auf den ersten Blick gut aus, enttäuschen jedoch aufgrund der hohen Erwartungen", erklärte Börner. Die von vielen Experten hervorgehobene exzellente Stimmung bei Produzenten und Verbrauchern bestätigten sich nur zum Teil in den veröffentlichten BIP-Zahlen. "Wir haben damit eine Stimmungsblase und ignorieren die grundlegenden Probleme der deutschen Volkswirtschaft", sagte der BGA-Präsident.
Die strukturellen Wachstumsprobleme ließen die deutsche Wirtschaftsdynamik im europäischen Vergleich eher bescheiden aussehen. Als die dominierende Exportnation habe es Deutschland in den vergangenen Jahren nicht geschafft, die Binnenwirtschaft auf ein wachstumsstützendes Niveau zu heben. Die abkühlende Weltwirtschaft werde die strukturellen Defizite schmerzlich zum Vorschein bringen, warnte Börner mit Blick auf das kommende Jahr.
Die deutsche Wirtschaft hat sich im dritten Quartal nicht ganz so dynamisch wie erwartet entwickelt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag berichtete, stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen Juli und September nach einer ersten Vorabschätzung preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,6% gegenüber dem Vorquartal. Volkswirte hatten ein BIP-Plus von 0,8% vorhergesagt. Destatis verwies darauf, dass die Wachstumsimpulse gegenüber dem zweiten Quartal sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland gekommen seien.
-Von Andreas Kißler und Beate Preuschoff, Dow Jones Newswires, +49 (0)30 - 2888
410, berlin.de@dowjones.com
DJG/ank/bep/hab
(END) Dow Jones Newswires
November 14, 2006 07:38 ET (12:38 GMT)
Copyright (c) 2006 Dow Jones & Company, Inc.- - 07 38 AM EST 11-14-06
Gruss Ice __________________________________________________ Börsengewinne sind Schmerzengeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld...(A.K.)
|