Finanzskandal bei SER AG weitet sich aus
§ Konzernvermögen entgegen gerichtlichem Verbot und unter Umgehung der Hauptversammlung in die USA verschoben/ Schaden in Millionenhöhe zu Lasten von Gläubigern und Aktionären zu befürchten/Vorstandsvorsitzender setzt sich ins Ausland ab/ 400 Arbeitsplätze in Gefahr
Der Finanzskandal bei dem fünftgrößten deutschen Softwarehaus SER Systems AG (Neustadt/Wied) weitet sich aus: Obwohl das Landgericht Koblenz der SER AG in mehreren Einstweiligen Verfügungen den Verkauf von Tochtergesellschaften und Vermögenswerten ausdrücklich verboten hatte, veräußerte Firmengründer und Vorstandschef Gert Reinhardt Konzernvermögen im Millionenwert an die dem bisherigen Finanzvorstand Carl Mergele gehörende US-Gesellschaft KES Acquisitions, LLC. Einen adäquaten Kaufpreis für die Transaktion hat Mergeles KES dabei nicht zu bezahlen. Bewusst umgangen haben Reinhardt und Mergele auch die Hauptversammlung, indem sie die Entscheidung über den Verkauf nicht den Aktionären überlassen haben. Nach Erkenntnissen der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V. (SdK) haben die übertragenen Vermögensgegenstände mindestens einen Wert von € 67.000.000,--. Der SER Systems AG droht daher ein Schaden in Millionenhöhe. 400 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Reinhardt und Mergele haben sich inzwischen offensichtlich ins Ausland abgesetzt.
Das Vorgehen der SER-Vorstände und ihrer Chargen in der Konzernzentrale in Neustadt/Wied ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten. Nachdem Vorstandschef Reinhardt, der zusammen mit seiner Familie rund ¼ des Aktienkapitals der SER Systems AG hält, in einer außerordentlichen Hauptversammlung am 25. April 2002 den Verkauf nahezu des gesamten Konzernvermögens im Rahmen zweier Management-buy-outs (MBOs) an leitende Manager durchgedrückt hatte, untersagte das Landgericht Koblenz auf Antrag der SdK und weiterer Aktionäre in einer am 04. Juni 2002 ergangenen Eilentscheidung (Az.: 4 HO 62/02) die Vollziehung der Hauptversammlungsbeschlüsse, da sie „gesetzwidrig zustande gekommen und daher nichtig“ seien. Während des laufenden Gerichtsverfahrens stellte sich heraus, dass die Aktionäre in der Hauptversammlung über den Inhalt der MBOs und über die tatsächliche finanzielle Situation des SER-Konzerns vom Vorstand und Aufsichtsrat getäuscht worden waren. So hatte Reinhardt in der Hauptversammlung gegenüber den Aktionären behauptet, nur bei Durchführung der MBOs ließe sich die drohende Insolvenz der SER noch abwenden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Koblenz musste Reinhardt jedoch zugeben, dass eine Insolvenz des Unternehmens selbst bei Durchführung der MBOs nur noch zu vermeiden sei, sofern die Gläubiger einem umfassenden Forderungsverzicht zustimmen sollten. Reinhardt und sein Aufsichtsratsvorsitzender Roland Paule erklärten den verunsicherten Aktionären in der Hauptversammlung ferner, dass der Jahresabschluss für 2001 „noch nicht fertiggestellt“ sei und deswegen nicht vorgelegt werden könne. Tatsächlich lag der Jahresabschluss aber schon seit geraumer Zeit vor. Die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young hatten allerdings dessen Testierung verweigert, da „der Abschluss kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns sowie der Zahlungsströme des Geschäftsjahres“ vermittele, „die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft und des Konzerns im Bericht nicht zutreffend dargestellt“ worden sei und es wegen einer Liquiditätsunterdeckung in Höhe von € 4,5 Mio. „an der Annahme des Fortbestandes der Muttergesellschaft“ fehle. Auch über die Höhe des von den Managern bei den MBOs tatsächlich zu bezahlenden Kaufpreises wurden die Aktionäre getäuscht. Während Reinhardt behauptete, für die Übernahme des US-Geschäftes, das nach Erkenntnissen der SdK einen Wert von € 60 Mio. haben soll, würden von der US-Käuferin KES Acquisitions, LLC. (einer Vorratsgesellschaft des bisherigen SER-Finanzvorstandes Mergele) US$ 17 Mio. bezahlt, war „als Kaufpreis“ lediglich die Übertragung eines 15%-Anteils an der völlig wertlosen Vorratsgesellschaft KES vereinbart worden. Hinzu kommt, dass zur Vorbereitung dieser Transaktion die deutsche SER Systems AG gegenüber ihrer US-Tochter – und damit mittelbar gegenüber der Käuferin KES – auf Zahlungen in Höhe von US$ 45 Mio. verzichten sollte.
Am 04. Juni 2002 stoppte das Landgericht Koblenz durch Einstweilige Verfügung die Durchführung der fragwürdigen MBOs. Dessen ungeachtet trieb Reinhardt den Verkauf der gesamten SER-US-Aktivitäten, mehrerer deutscher SER-Tochtergesellschaften und insbesondere den Verkauf der werthaltigen SER-Software- und Markenrechte weiter voran. In einem vertraulichen Rundschreiben, das der SdK vorliegt, unterbreitete Reinhardt dem Aufsichtsrat und den Gläubigerbanken folgenden Vorschlag: Verkauf der US-Aktivitäten sowie der Gesellschaften SER Systems, Inc. (USA), SER Solutions, Inc. (USA) sowie SER Technology Deutschland GmbH zu 100% an die KES Acquisitions, LLC. ungeachtet der Einstweiligen Verfügung des Landgerichtes Koblenz. Der Verkauf der Gesellschaften und deren Übertragung an die KES sollte dabei auch „ohne die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung“ erfolgen. Hierzu heißt es in dem Schreiben: „Der Verzicht auf die Einbindung der Hauptversammlung gefährdet die Wirksamkeit des neu abzuschließenden US-Vertrages nicht. Aktionäre könnten den Verkauf der US-Aktivitäten nach dessen Vollzug nicht mehr durch Klageerhebung rückgängig machen“, sondern nur noch Schadensersatz vom Vorstand und Aufsichtsrat verlangen. „Einen Schaden müssten die Kläger beweisen, (...) das Risiko, den Vertrag (...) ohne Zustimmung der Aktionäre wirksam neu abzuschließen und umzusetzen (...) wird als gering eingestuft“. Dem Schreiben zufolge sollte der neue Vertrag in der Zeit vom 17. bis 21. Juni 2002 abgeschlossen werden.
Die von Reinhardt geplante Umgehung der Hauptversammlung und den Verkauf der vorstehenden Gesellschaften und Vermögenswerte an die KES, verbot das Landgericht Koblenz in einer am 13. Juni 2002 auf Antrag der SdK erlassenen zweiten Einstweiligen Verfügung (Az.: 4 HO 83/02). Trotz dieses zweiten ausdrücklichen gerichtlichen Verbotes veräußerte Reinhardt unter Umgehung der Hauptversammlung die US-Tochtergesellschaften SER Systems, Inc. und SER Solutions, Inc. sowie die deutsche SER Technology Deutschland GmbH nebst nahezu sämtlicher werthaltiger Software- und Markenrechte des SER-Konzerns an die KES. Am 18. Juni 2002 meldete die SER in einer ad-hoc-Mitteilung den Vollzug der Transaktion. Zeitgleich gaben die US-amerikanischen SER-Gesellschaften die „erfolgreiche Durchführung des Management-buy-outs“ und ihre „neue strategische Ausrichtung“ bekannt.
Alleine die veräußerten Unternehmen haben nach Einschätzungen der SdK einen Wert von € 66.000.000. Aus Berechnungen der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young und Deloitte & Touche lässt sich herleiten, dass bereits die übertragenen US-Tochtergesellschaften einen Wert von ca. € 60.000.000 haben müssen. Hinzukommen die von Reinhardt u.a. veräußerten Softwarerechte CPS (call processing system), Gateway, Centenium, SERsynergy, SERdistiller, SERglobalBrain, SERiMail sowie SERbrainware. Allein der Wert der Software SERbrainware wurde von Reinhardt noch auf der letzten Hauptversammlung mit € 500 Mio. angegeben. Zu berücksichtigen sind ferner die US$ 45.000.000 die von der SER Systems AG in Vorbereitung der Transaktion den US-Tochtergesellschaften erlassen wurden und die jetzt der KES zugute kommen. Der durch die Veräußerung der SER Systems AG entstandene Schaden ist derzeit noch überhaupt nicht absehbar. Offensichtlich wollte Reinhardt aber gerade die wertvollen Softwarerechte ins Ausland schaffen, um sie zukünftig auf dem deutschen und europäischen Markt unter Ausschluss der SER Systems AG wieder nutzen zu können. Bei der deutschen SER sind jetzt 400 Arbeitsplätze in Gefahr.
Reinhardt hat sich mittlerweile ins Ausland abgesetzt. Die Anzeichen dafür, dass er sich hinter der US-Käuferin KES Acquisitions, LLC. verbirgt, verdichten sich. Vor dem Landgericht Koblenz hat Reinhardt zwar eidesstattlich versichert, dass er „weder unmittelbar noch mittelbar“ an der KES beteiligt sei, offensichtlich hat er aber bereits am 01. Mai 2002 seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt und zusammen mit seiner Familie ein Haus am Sitz der KES bezogen. Darüber hinaus überwies Reinhardts Ehefrau in den vergangenen Monaten sechsstellige Beträge an Mergele in die USA.
Die SdK hat inzwischen bei Gericht wegen Verstoßes gegen die Einstweiligen Verfügungen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der SER Systems AG, beantragt. Unabhängig davon hat die SdK Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geschlossenen Verträge und lässt überprüfen, ob diese u.a. wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sind. In diesem Fall wären die Vermögensgegenstände nicht wirksam auf die KES übertragen worden. Die SdK beabsichtigt in diesem Zusammenhang vom Gericht einen unabhängigen Sondervertreter für die SER Systems AG bestellen zu lassen, der die Wirksamkeit der Transaktion überprüfen und im Falle ihrer Unwirksamkeit deren Rückabwicklung durchführen soll. In diesem Zusammenhang bitte die SdK alle betroffenen Aktionäre der SER Systems AG sowie alle durch die SER evtl. geschädigten Gläubiger, sich unter http://www.sdk.org (Rubrik Klagen/Verfahren) im Verteiler für SER registrieren zu lassen.
Sollte die von Reinhardt durchgeführte Vermögensübertragung nicht mehr rückgängig zu machen sein, wird die SdK die in Deutschland noch greifbaren Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der SER Systems AG persönlich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Frankfurt, den 01. Juli 2002
Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) e.V.
http://www.sdk.org/aktuell.php?id=190
Von dieser Seite aus wird klar, dass SER als Mantelkandidat nicht in Frage kommt. Dafür ist die rechtliche Seite viel zu undurchsichtig. Höchstens die Ausssicht auf ne Entschädigung der DAMALIGEN aktionäre kann den kurs nochmal höher bringen, obwohl heutige käufer damit nichts zu tun haben und bei ner etwaigen Entschädigungszahlung auch leer ausgehen werden.
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