manager-magazin.de, 18. Mai 2006, 13:28 Uhr
KURSRUTSCH
Nervenprobe für Investoren
Von Kai Lange
Der Dax ist eingebrochen - obwohl die meisten Dax-Unternehmen exzellent verdienen. Aktienstrategen halten die Zins- und Dollarsorgen für übertrieben und verweisen auf günstige Bewertungen: Fondsmanager haben dagegen seit Jahresanfang noch gute Gewinne zu verteidigen. Wer jetzt einsteigt, braucht gute Nerven.
Anspannung: Der Dax schwankt so stark wie seit einem Jahr nicht mehr Entspannung sieht anders aus. 500 Punkte hat der Dax binnen sechs Handelstagen verloren, ein Minus von rund acht Prozent. Dass nach dem starken Kursanstieg auch mal Rücksetzer kommen würden, war ausgemacht: Doch so stark und so rasch? Ist dies nur eine kurzzeitige Korrektur oder erleben die Märkte eine Trendwende, so dass Investoren schleunigst ihre verbliebenen Gewinne sichern sollten?
Zumindest Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gab sich am Donnerstag demonstrativ entspannt. Er sprach von einem "gesunden Bruch" des Trends, der ihn "überhaupt nicht nervös" mache. Bei einem Monatsgehalt von knapp einer Million Euro hat der Deutsche-Bank-Chef auch persönlich keinen Grund, nervös zu werden. Überdies hat Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS, erst vor wenigen Tagen dem Dax ein Aufwärtspotenzial bis zu 7000 Punkte zugetraut.
In ihrem Optimismus waren sich die meisten Fondsmanager und Analysten der Bankhäuser noch Anfang Mai einig: Bleibt es bei diesen Prognosen, böte ein Dax-Niveau von aktuell 5660 Zählern hervorragende Einstiegschancen.
Andererseits: Es sind noch einige Gewinne zu sichern. Anfang 2006 notierte der Dax noch bei 5400 Zählern, Anfang Dezember waren es 5200 Punkte. Wer vor sechs Monaten eingestiegen ist, liegt auch nach dem aktuellen Kursrutsch noch rund zehn Prozent im Plus: Die Verlockung ist groß, Geld vom Tisch zu nehmen, bevor die verbliebenen Gewinne dahinschmelzen.
Zinssorgen als Scheingefecht
"Wir hatten seit November keine nennenswerte Korrektur - da wir rasch hochgelaufen sind, entwickelt auch der Rücksetzer ordentlich Schwung", sagt Frank Schallenberger, Aktienstratege bei der LBBW. Für ihn hat der Abschwung mit einem Blick- und Themenwechsel der Anleger nach einem "hervorragenden ersten Quartal" zu tun.
Börse in Frankfurt: "Zinssorgen sind nur der Anlass" Die häufig genannten Zinssorgen in den USA sind für ihn allenfalls ein Auslöser, nicht aber ein Grund für die starken Verluste des Marktes. "Die Kerninflation in den USA war lediglich 0,1 Prozent höher als erwartet - das sind Peanuts im Vergleich zu dem Abschwung, den wir momentan erleben".
Für den Aktienstrategen sind selbst weitere mögliche Zinserhebungen der US-Notenbank kein Grund zur Panik und nur ein vorgeschobener Grund für die Kursschwäche: "Wir hatten 16 Zinserhöhungen, während die Märkte gestiegen sind. Nun soll eine weitere mögliche Zinserhöhung Grund zum Kollaps der Märkte sein?"
Themenwechsel nach guter Quartalssaison
Für Schallenberger fällt die Kursschwäche statt dessen mit zwei Faktoren zusammen: "Wir hatten die beste Quartalssaison im Dax seit langem. Mehr als 70 Prozent der Dax-Unternehmen haben im ersten Quartal die Gewinnerwartungen übertroffen."" Doch nun seien die Zahlen auf dem Markt, und Anleger müssen bis Juli auf neue Impulse warten.
Zweitens habe die Rekord-Dividendensumme der Dax-Unternehmen Anfang Mai rund 12 Milliarden Euro zusätzliche Liquidität gebracht: Auch dieser Effekt ist nun Geschichte. Nach hohen Ausschüttungen und guten Zahlen habe sich nun die Blickrichtung verändert, belastende Faktoren wie der Ölpreis, der Dollarkurs und das Zins-Thema rücken wieder in den Vordergrund. "Wenn plötzlich alle von Belastungen reden und noch Gewinne zu sichern sind, verstärkt sich der Abwärtstrend von selbst", so der LBBW-Experte.
Druck auf Fondsmanager wächst
Kursgewitter: Der Dax hat deutlich stärker verloren als der Dow Jones - das KGV ist unter 12 gefallen. Der Aktienstratege bleibt jedoch bei seiner optimistischen Einschätzung für den Dax - nicht zuletzt deshalb, weil die Gewinne auch im ersten Quartal stärker gestiegen sind als erwartet und viele Bankhäuser ihre Gewinnprognosen für 2006 und 2007 angehoben haben.
"Bei einem Dax-Stand von 5600 Punkten haben wir ein Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2007 von 11,5 für den Dax - das ist eine günstige Bewertung", so Schallenberger.
Wer gute Nerven und die Zeit habe, bis Jahresende investiert zu bleiben, könne durchaus darüber nachdenken, auf diesem Niveau einzusteigen. "Vergleiche mit dem Jahr 2000 sind nicht angebracht - die Kurssteigerungen im Dax sind fundamental durch einen Anstieg der Gewinne gestützt."
Aktien fallen, Renten fallen
Ein Kursniveau von mehr als 6000 Punkten bis Jahresende sei "wahrscheinlich": Vor einer Woche hätten Investoren noch viel Geld mobilisiert, wenn man ihnen die Chance geboten hätte, bei 5600 Zählern den Dax zu kaufen. Dow Jones und Nasdaq Composite haben in den vergangenen Tagen weniger stark verloren als der deutsche Leitindex.
Sollte der Dax jedoch unter die Marke von 5400 Punkten und damit unter die Marke zu Jahresbeginn 2006 fallen, verstärke sich auch der Druck bei Fondsmanagern, ihre Aktienquoten zu verringern. Dass sowohl Aktien als auch Rentenpapiere als auch Rohstoffe derzeit im Gleichklang nachgeben, sei überdies ein Anzeichen dafür, dass viele Investoren mit einer Abkühlung der globalen Konjunktur rechnen. In diesen Tagen seien starke Nerven gefragt - doch die Gewinnsituation der Dax-Unternehmen biete keinen Anlass, in Panik zu verfallen.
Schnäppchenjäger agieren derzeit allerdings auf dünnem Eis. Vorübergehenden Erholungen des Dax begegneten Händler am Donnerstag mit Skepsis: "Das sind erstmal technische Gegenreaktionen ", meint Marktstratege Christian Schmidt von Helaba Trust. Am Markt tauchten kurzfristig orientierte Anleger auf. Diese griffen bei dem ersten Anzeichen einer Aufwärtsbewegung zu, bei einer Wende nach untern stiegen sie aber genauso schnell wieder aus. "Sie unterstützen den Markt nicht nachhaltig, verstärken eher die Auf- und Abbewegungen", sagt Schmidt.
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