bei WO gefunden: #9491 von Benson1 29.05.08 12:20:59 Beitrag Nr.: 34.194.946 ................ Interview mit Arques-Vorstandsvorsitzendem Michael Schumann Was Actebis-Mutter Arques im Distributions-Markt plant 29.05.2008 | Redakteur: Regina Böckle
Dr. Michael Schumann, Vorstandsvorsitzender der Actebis-Mutter Arques Industries
Als Dr. Michael Schumann Anfang 2008 den Vorstandsvorsitz der Actebis-Mutter Arques übernahm, erklärte er, das Engagement in der Distributions-Branche fortführen zu wollen. Inwiefern er an diesen Plänen festhalten will, erklärt er im Exklusiv-Interview mit IT-BUSINESS. ITB: Im Regelfall engagiert sich Arques aktiv im Management der übernommenen Firmen. Inwiefern ist dies auch bei der Actebis-Gruppe geplant?
Schumann: Gar nicht. Das ist ein Sonderfall. Die Actebis-Gruppe ist ein Solitär in unserem Portfolio. Wir haben sie im vergangenen Jahr von der Otto-Gruppe übernommen, als sich die gute Gelegenheit bot, diese Firma zu interessanten Konditionen zu übernehmen. Wir haben die Unternehmensgruppe übernommen, weil das Geschäftsfeld sehr interessant und profitabel ist, das Actebis-Management eine hervorragende Arbeit leistet und die Prozess- und Logistiksysteme dort state of the art oder sogar noch besser sind.
ITB: Zur Actebis-Gruppe gehört auch der TK-Distributor NT plus. Daneben hält Arques mit 60 Prozent die Mehrheitsanteile an der Distributoren-Gruppe Tiscon, das heißt einer Schwestergesellschaft der Actebis-Gruppe…
Schumann: …Als Schwester würde ich Tiscon in dieser Konstellation nicht bezeichnen. Tiscon und Actebis sind zwar beide im Marktsegment der IT-Distribution tätig, aber wir denken kurzfristig nicht über einen Zusammenschluss nach.
ITB: Das bisherige Geschäftskonzept des Arques Konzerns sieht vor, den Konzernumsatz 2008 von derzeit rund zwei Milliarden Euro auf über sechs Milliarden Euro zu steigern. Halten Sie daran fest?
Schumann: Wenn alles läuft, wie geplant, werden die Distributionsunternehmen dieses Jahr ein paar Prozentpunkte mehr beisteuern, momentan liegt die Actebis-Gruppe, zu der ja auch NT plus zählt, über Plan, beide arbeiten hervorragend.
ITB: Was sind die Umsatz-Ziele für Actebis Peacock beziehungsweise NT plus?
Schumann: Die Zielgröße für den Arques-Konzern habe ich Ihnen genannt, wir veröffentlichen darüber hinaus keine spezifischen Werte für unsere Beteiligungen.
ITB: Halten Sie also am Ziel von über sechs Milliarden Euro Arques-Umsatz für dieses Jahr fest?
Schumann: Ja sicher. Wir haben jetzt schon auf das Jahr hoch gerechnet 5,3 Milliarden Umsatz erreicht. Wir haben gerade zwei Unternehmen übernommen und wollen noch einige Firmen kaufen – schließlich ist das unser Geschäft. Daher sind wir überzeugt, über die Sechs-Milliarden-Euro-Grenze zu kommen.
ITB: Die Wahrscheinlichkeit, die Actebis-Gruppe noch in diesem Jahr an die Börse zu bringen, liegt Ihren Aussagen zufolge bei etwa 80 Prozent. Wovon machen Sie den Zeitpunkt weiter abhängig?
Schumann: Wir sind für den Börsengang der Actebis-Gruppe bestens präpariert – der Börsenprospekt ist fertig, alle formalen Arbeiten sind getan, so dass wir im Herbst sehr schnell den Börsengang der Actebis-Gruppe realisieren könnten, sobald sich die Gelegenheit dazu ergibt. Im Wesentlichen hängen Börsengänge ja vom Klima an den Kapitalmärkten ab und das war bisher auf Grund der bekannten Turbulenzen nicht sehr freundlich. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Situation in der zweiten Jahreshälfte verbessern wird, und dann sind wir bestens gerüstet.
ITB: Was passiert, wenn die Actebis-Gruppe angesichts der geschilderten Lage an den Finanzmärkten in diesem Jahr nicht mehr an die Börse gehen kann?
Schumann: Das wäre auch kein Problem für uns, die Firma funktioniert ja hervorragend und arbeitet profitabel. Dann wird der Börsengang eben später erfolgen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sich vorher ein Fenster für den Actebis Börsengang öffnet und wir so die weiteren Expansionsmöglichkeiten der Gruppe im europäischen Markt entsprechend begleiten können.
ITB: Wenn sich der Börsengang verschieben sollte, benötigt man in der Zwischenzeit aber auch entsprechendes Kapital, um das organische Umsatzwachstum zu finanzieren, gerade im Distributionsgeschäft. Inwiefern kann und will Arques dieses Wachstum auf absehbare Zeit aus eigener Tasche finanzieren?
Schumann: Da stehen wir selbstverständlich als verantwortungsbewusster Eigentümer zur Verfügung, das ist nicht das Thema, das wollen und können wir finanzieren. Zudem generiert Actebis einen nennenswerten Cashflow, um selbst weiteres Wachstum zu stemmen.
ITB: Durch die gesamte IT-Distributionsbranche zieht eine Konsolidierungswelle. Planen Sie angesichts dessen, 2008 noch weitere Distributoren zuzukaufen?
Schumann: Das will ich nicht ausschließen. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, kann das schon sein.
ITB: Gibt es viele Anfragen?
Schumann: Es gibt europaweit schon einige Distributoren, die daran interessiert sind, sich hier anzuschließen und gerne gekauft werden wollen. Das ist ja auch die Idee der Actebis-Gruppe, diese Konsolidierung als börsennotierte Gesellschaft weiter voranzutreiben.
ITB: Im Markt wird immer wieder gemunkelt, es gebe im Zuge der Actebis-Übernahme eine Bürgschaft seitens des Otto-Konzerns, die in Kürze beglichen werden müsse. Und das werfe Probleme für Arques auf.
Schumann: Das sind irgendwelche Branchengerüchte, die hier zirkulieren. Da ist nichts dran. Die Transaktionsstruktur wurde klar kommuniziert und beinhaltet keine Bürgschaft. Wir stehen in bestem Einvernehmen mit der Otto-Gruppe. Das sehen Sie unter anderem daran, dass uns der Otto-Konzern nach dem Kauf der Actebis-Zentrale uns auch die Actebis-Nordic-Gruppe verkauft hat. Das hätte Otto nie gemacht, wenn man mit unserer Verhandlungs- und Transaktionsverfahrensweise nicht zufrieden gewesen wäre oder wenn Zweifel am verantwortungsbewussten Umgang mit Actebis bestanden hätten. Unser Verhältnis zu Otto ist bestens.
ITB: wann wird die Transaktion komplett abgeschlossen sein?
Schumann: Wie meinen Sie das?
ITB: Es stehen noch Zahlungen aus – wann wird die letzte Rate bezahlt sein?
Schumann: Wie bei Großtransaktionen üblich enthält der Kauf auch Ratenzahlungen, die etwa 2011 abgeschlossen sein werden. Da gibt es keine strittigen Punkte oder irgendetwas Außergewöhnliches. Wir sind im besten Einvernehmen mit der Otto-Gruppe.
ITB: Um beim Branchengemunkel zu bleiben: Der Wechsel im Vorstand Anfang des Jahres, als Herr Vorderwülbecke kurz nach Dr. Löw das Unternehmen verlassen hat, gab Anlass zu weiteren Vermutungen. Was ist los bei Arques?
Schumann: Beide waren Mitgründer der Arques Industries AG und haben sich aus persönlichen Gründen zurückgezogen. Sie bauen jetzt eine neue Gesellschaft in München auf, die aber in keinerlei Wettbewerb zur Arques steht, sondern sich um große Transaktionen anderer Art kümmern wird. Das ist überhaupt kein Problem für uns.
ITB: In wiefern funktioniert das bisherige Kerngeschäft – Kauf von sanierunsbedürftigen Firmen, Sanierung und schließlich deren Verkauf – auch bei den von Ihnen geschilderten schwierigen Bedingungen im Börsenumfeld?
Schumann: Das ist ja gerade das besondere an unserem Geschäftsmodell. Wir sind davon relativ unabhängig. Dies zeigt sich daran, dass wir 2008 bereits drei Firmenbeteiligungen erfolgreich veräußert haben. Und es sollen in diesem Jahr noch weitere folgen. Auf Akquisitionsseite eröffnen sich uns sogar durch die Finanzkrise zusätzliche gute Kauf-Möglichkeiten.
ITB: Wie erklären Sie den starken Wertverlust der Arques-Aktie?
Schumann: Beteiligungsgesellschaften zählten sicherlich in den vergangenen Monaten nicht zu den Favoriten an den Börsen. Zudem wurden kleinere und mittlere Werte wie der unsrige überproportional hart getroffen. Sie nannten bereits die Vorstandswechsel, die sicherlich aus Börsensicht zum falschen Zeitpunkt erfolgten. Operativ haben wir uns hingegen nichts vorzuwerfen. 2007 war ein sehr erfolgreiches Jahr, daran werden wir in 2008 anknüpfen. Das wird sich hoffentlich dann auch wieder im Kurs positiv niederschlagen.
ITB: Wie hoch sind die Schulden der Arques?
Schumann: Hier kam es auf Grund der Actebis-Übernahme zu deutlichen Verschiebungen. Die spezifischen Besonderheiten der IT-Distribution führen einfach zu einem Anstieg der Verbindlichkeiten und des Fremdkapitals. Daher sind die Werte aus 2006 und 2007 überhaupt nicht miteinander vergleichbar. Nach weiteren Transaktionen, vor allem nach dem avisierten Exit bei Actebis, sehen die Relationen schon wieder ganz anders aus. Wie gesagt, wir fühlen uns mit unserer Bilanzstruktur derzeit sehr wohl und können damit alle sich uns bietenden Chancen nutzen, den Unternehmenswert wieder nachhaltig zu steigern.
ITB: Wie hoch ist der aktuelle Firmenwert der insgesamt 25 Unternehmen, also der so genannte Net Asset Value, an denen Arques beteiligt ist?
Schumann: Anlässlich unserer Bilanzpressekonferenz Ende März 2008 haben wir diesen Wert mit 540 Millionen Euro bekannt gegeben. Dies ist immerhin doppelt so viel, wie es unser derzeitiger Börsenwert widerspiegelt. Auch hierin sehen wir Potenzial.
ITB: Wie hoch war 2007 der Gewinn der Arques AG aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit?
Schumann: Da zu unserem Geschäft das Kaufen und Verkaufen von Firmen gehört und wir nach den internationalen Bilanzierungsregeln IFRS gezwungen sind, auch die negativen Kaufpreise, die so genannten Bargain Purchases, gewinnsteigernd zu bilanzieren liegt dieser Wert, das EBITDA, bei über 200 Millionen Euro. Aus Firmenverkäufen haben wir 2007 rund 108 Millionen Euro Cash generiert.
ITB: Wie hoch sind die Kapitalrücklagen der Arques AG?
Schumann Arques ist auch für das weitere profitable Wachstum sehr solide finanziert. Ende 2007 lagen die liquiden Mittel mit knapp 85 Mio. € nur unwesentlich über dem vergleichbaren Wert aus 2006 und dies trotz einer Vielzahl an neu erworbenen Firmenbeteiligungen.
ITB: Wie hoch ist das Grundkapital?
Schumann Unser Grundkapital beläuft auf 26,45 Mio. Euro, das sich in ebenso viele Aktien aufteilt.
ITB: Wie hoch ist der Cash-Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit?
Schumann: Der so genannte Operative Cashflow lag Ende 2007 bei 42 Millionen Euro und damit um ein Vielfaches über dem Vorjahreswert von knapp über 2 Millionen Euro. ----------- Markets can remain irrational longer than you can remain solvent (J.M. Keynes) |