Wer den besonderen Kick an der Börse sucht, landet schnell bei Turbo Bulls, Knock-out-Scheinen und anderen Hebelpapieren. Doch worin liegen die Unterschiede? EURO erklärt, wie die Produkte funktionieren und worauf Anleger achten müssen.
Scrabble-Spieler können schon mal durcheinander kommen. Immerhin lassen sich in der deutschen Sprache aus 26 Buchstaben 115000 Wörter bilden - sagt der Duden. Ähnlich hoch ist die Verwirrung bei Anlegern, die sich ein Hebelprodukt ins Depot legen wollen. Mit über 25000 Optionsscheinen und knapp 6000 K.o.-Produkten ist es schwierig, das geeignete Papier zu finden. "Jede Produktkategorie hat seine Stärken und Schwächen, die Anleger genau kennen sollten", rät Frank Burkhardt, Experte bei der Société Générale. Doch für wen eignet sich wann welches Papier? Und worin liegen die Unterschiede? Die Mutter aller von Emissionshäusern verbrieften Hebelpapiere ist der Optionsschein. Dieses Papier bezieht sich wie alle Hebelprodukte stets auf einen Basiswert wie eine Aktie, einen Index, eine Währung oder einen Rohstoff. Im Gegensatz zum direkten Kauf des Basiswerts muß der Anleger nur einen Bruchteil des Kapitals einsetzen.
Mit Calls spekulieren Anleger auf steigende Kurse - mit Puts auf fallende Notierungen. Beispiel DAX-Call: Der ausgewählte Schein (siehe Tabelle auf Seite 29) hat einen Basiswert von 4300 Punkten, eine Laufzeit bis 14. Dezember 2005 und ist für 2,74 Euro zu haben. Das Bezugsverhältnis liegt bei 100:1. Das heißt: 100 Scheine berechtigen zum Kauf eines DAX-Papiers zum Basiswert von 4300 Punkten. Mit dem Kauf eines Calls hat der Anleger also das Recht, bis Laufzeitende vom Emittenten ein DAX-Papier zu 4300 Punkten zu erhalten. Steigt der DAX deutlich über 4300 Punkte, verbucht der Anleger überdurchschnittliche Kursgewinne.
Allerdings hat dies auch seinen Preis: Für die Option zahlt der Investor die Differenz aus aktuellem Indexstand und Basispreis - den sogenannten inneren Wert. Hinzu kommt eine Prämie, im Fachjargon Aufgeld genannt. Bei diesem Call liegt der innere Wert bei einem Euro und das Aufgeld bei 1,74 Euro. Aus dieser Summe setzt sich der Optionsscheinkurs zusammen.
"Die Höhe des Aufgelds hängt in erster Linie von der erwarteten Schwankungsfreudigkeit des Basiswerts ab", sagt Burkhardt. Beispiel: Als der DAX im März 2003 auf einen mehrjährigen Tiefststand absackte, waren viele Marktteilnehmer sehr skeptisch. Gleichzeitig gab es aber auch zahlreiche Optimisten, die auf eine schnelle Erholung von 20 bis 30 Prozent spekulierten. Die Erwartungen gingen also weit auseinander. Dies spiegelte sich in hohen Prämien bei den Optionsscheinen wider. "Aktuell gehen die Marktteilnehmer von geringen Schwankungen im DAX aus. "Die impliziten Volatilitäten sind also niedrig und deshalb auch die Aufgelder", sagt Burkhardt. Weitere Folge: Die Optionsscheine sind vergleichsweise billig, die Hebelwirkung entsprechend hoch. So hat der ausgewählte Schein einen Hebel von etwa 9,5. Das heißt: Steigt der Index kurzfristig um zehn Prozent, legt der Call um etwa 95 Prozent zu.
Anleger sollten jedoch beachten, daß das Aufgeld über die Laufzeit abgebaut wird. Steigt der Index bis Ende Juni um 6,5 Prozent auf 4600 Punkte, legt der Optionsscheinkurs in etwa um 53,3 Prozent zu. Der tatsächliche Hebel liegt dann also nur noch bei 8,2. Wichtig auch: Sinkt das deutsche Aktienbarometer bis dahin auf 4000 Punkte, fällt der Wert des Scheins auf etwa 0,80 Euro. Dem überdurchschnittlichen Kurspotential steht also ein entsprechendes Risiko gegenüber.
Hohe Gewinnchancen bieten auch die K.o.-Papiere, die seit über zwei Jahren auf dem Markt sind. Treibende Kraft dieser Konstruktionen waren die hohen Volatilitäten zu Beginn 2003, die für hohe Aufgelder bei normalen Optionsscheinen sorgten. Inzwischen sind die K.o.-Scheine vom Kurszettel nicht mehr wegzudenken und bei risikofreudigen, kurzfristig orientierten Anlegern erste Wahl. Denn: Die Knock-out-Scheine haben allenfalls ein geringes Aufgeld und sind damit günstiger als Optionsscheine. Auch ihre Funktionsweise ist relativ simpel.
"Der Schein bewegt sich im Gleichschritt mit dem Basiswert", sagt Burkhardt. Legt der DAX um zehn Punkte zu, steigt das K.o.-Papier mit einem Bezugsverhältnis von 100:1 entsprechend um zehn Cent - und umgekehrt. K.o.-Papiere weisen somit meist einen höheren Hebel auf als Optionsscheine mit dem gleichen Basiswert. Allerdings ist auch das Verlustrisiko höher.
Berührt nämlich der Basiswert den K.o.-Level oder eine eingebaute Stop-Loss-Marke, wird der Schein automatisch ausgeübt. Bei Papieren mit Stop-Loss-Level erhält der Anleger noch einen Restwert von ein paar Cent. Bei den übrigen Papieren bedeutet das Erreichen der Marke einen Totalverlust. Ein weiteres Manko dieser Produkte ist die vergleichsweise kurze Laufzeit. Einige Papiere haben nur eine Frist von wenigen Monaten. Zahlreiche Emittenten haben darauf reagiert und brachten endlos laufende K.o.-Produkte auf den Markt. Auch hier gilt für die meisten Papiere: Wird die Stop-Loss-Marke berührt, wird der Schein automatisch ausgeübt und der Anleger erhält einen Restwert zurück.
Endlos laufende Produkte haben noch ein weiteres Handicap. Bei diesen K.o.-Produkten erhöhen sich der Basispreis und die eingebaute Stop-Loss-Marke regelmäßig. Von einem Tag auf den anderen ist dies meist nur ein halber Punkt. Hochgerechnet auf einen Monat, ergeben sich bereits etwa zwölf Punkte oder mehr. Damit erhöht sich das Risiko, ausgestoppt zu werden. Deutet sich hingegen ein längerfristiger Trend an, können endlos laufende Papiere ihre Stärke richtig ausspielen. Bei Seitwärtstrends sind sie normalen K.o.-Papieren oftmals leicht unterlegen.
Das heißt jedoch nicht, daß diese Papiere nur für langfristige Investoren geeignet sind. Denn viele Trader greifen ebenfalls zu. Grund: Oftmals sind die K.o.-Level der Scheine mit Laufzeitbeschränkung für ihren Geschmack zu nah oder zu weit vom aktuellen Kurs entfernt. Die als Turbo Bull, Unlimited Turbo, Mini-Long-Zertifikat, Wave XXL, Open End Turbo, Bull Endlos oder Long Mini Future bezeichneten Papiere sind dabei willkommene Alternativen. Je näher der Basispreis am aktuellen Kurs, um so höher ist der Hebel und umgekehrt. Das bedeutet jedoch ein entsprechendes K.o.-Risiko.
Konstante Hebel. Anleger, die einen stets konstanten Hebel haben wollen, greifen zu den sogenannten Rolling-Turbo-Papieren. "Die Bedingungen werden täglich auf Schlußkursbasis neu angepaßt, so daß der Anleger am darauffolgenden Tag wieder mit der gewünschten Hebelwirkung am Auf oder Ab des Basiswerts partizipieren kann", sagt Dirk Hess, Experte bei Goldman Sachs. Wird die Stop-Loss-Marke während des Tages unterschritten, wird das Papier ausgesetzt. Kauf und Verkauf ist jedoch zu jeder Zeit möglich. Auf Schlußkursbasis werden die Bedingungen neu angepaßt, der Handel wird wieder aufgenommen. Dies gilt auch für Stop-Loss-Turbos.
"Diese Papiere eignen sich für Anleger, die von längerfristigen Trends überproportional profitieren wollen", sagt Hess. Der Vorteil dieser Papiere: Die Wiederaufnahme des Handels mit dem gleichen Papier spart Transaktionskosten.
Die Smart-Unlimited-Papiere von der Commerzbank werden dagegen erst dann automatisch ausgeübt, wenn der Schlußkurs des DAX unterhalb des Stop-Loss notiert. "Unterschreitet der Index beispielsweise nach schlechten US-Konjunkturdaten kurzfristig die Stop-Loss-Marke und erholt sich bis zum Ende des Tages wieder, bleibt dies ohne Wirkung", so Ralph Stemper, Experte bei der Commerzbank. Bei den Hebelpapieren gibt es also eine Reihe von Unterschieden, die Anleger kennen sollten. Eine der wichtigsten Regeln ist: Je geringer die Differenz des Basispreises oder des K.o.-Levels zum aktuellen Kurs, um so riskanter ist das Papier. Neueinsteiger sollten deshalb Optionsscheine wählen, bei denen der Kurs des Basiswerts relativ weit unterhalb des Bezugspreises liegt. Zudem sollten zunächst Indizes als Basiswert gewählt werden. Grund: Hier ist das Risiko, bei einer Gewinnwarnung eines Unternehmens auf dem falschen Fuß erwischt zu werden, nicht so hoch. Wichtig: Ein potentieller Totalverlust muß einkalkuliert werden. Deshalb: Stopp-Kurse zur Verlustbegrenzung setzen. Und marschiert der Schein in die gewünschte Richtung, sollte der Stop-Loss stets nachgezogen werden.
Ohnehin sollten Anleger nur dann Hebelprodukte kaufen, wenn sie mit einem deutlichen Auf- oder Abwärtstrend bei den Basisobjekten rechnen. Bestätigt sich diese Erwartung nicht: aussteigen. Die Tabelle oben enthält insgesamt sechs Papiere. Beim DAX und der Telekom-Aktie setzen Anleger auf steigende, bei der Nasdaq 100 auf fallende Kurse.
Quelle: FINANZEN.NET |