Kaum zu glauben, aber wahr. Ausgerechnet eine Technologieaktie ist an der Wall Street im S&P-500 Index der Gewinner 2001. Die Anteilscheine von Nvidia haben sich im Verlauf des vergangenen Jahres vervierfacht.
Jetzt darf man gespannt sein, wie es weiter geht. Die Entwicklung der beiden letzten Jahresgewinner verheißt erst einmal nichts Gutes: Im Jahr 2000 lief der ehemalige Energie-Gigant Enron als erster ins Ziel. Vom Kurs zu Anfang diesen Jahres bei 83,13 Dollar blieb nicht mehr viel übrig: Mit 0,60 Dollar betrug der Kursverlust 99 Prozent. 1999 hieß der Sieger Qualcomm. Die Aktie des Mobilfunk-Spezialisten legte seinerzeit um 2.600 Prozent zu. Heute notiert sie knapp 75 Prozent unter ihrem Hoch aus dem Jahre 1999. Der Jahresschlusskurs von 50,50 Dollar liegt auch unter Berücksichtigung eines 4-zu-1-Aktiensplitts knapp 80 Prozent unter dem Kursziel von 1.000 Dollar, das seinerzeit einmal vom Brokerhaus PaineWebber ausgerufen wurde.
Der Erfolg der Nvidia-Aktie ist umso erstaunlicher, als dass der Hersteller von Grafikchips dem Halbleiter-, bzw. PC-Sektor zuzurechnen ist, die 2001 auch nicht gerade ihr bestes Jahr hatten. Inmitten des schlimmsten Einbruchs in der Geschichte des Chip-Marktes kann Nvidia im dritten Quartal 2001 seine Erträge um 60 Prozent steigern.
Nvidia profitiert von vier Faktoren: Erstens erfreuen sich die Chips gerade bei Experten von Computer-Spielen wegen ihres schnellen Bildaufbaus und der realistischen Darstellung großer Beliebtheit. Zweitens hat Microsoft die Chips für seine Xbox ausgewählt, eine Spielekonsole, die sich steigenden Interesses erfreut. Drittens wurde die Aktie von Nvidia kürzlich in den S&P-500 Index aufgenommen. Und schließlich glänzt der Markt für elektronische Spiele ganz im Gegensatz zur Konjunkturentwicklung durch eine beeindruckende Performance.
Die Konkurrenz schläft nicht: Schon einmal, im vergangenen Sommer, kam die Aktie gehörig unter Druck, als Befürchtungen über die Marktreife wettbewerbsfähiger Produkte die Runde machten. Einzelne Brokerhäuser sahen den Titel damals schon auf 15 Dollar fallen. Statt dessen beschloss er das Jahr mit einem Kurs von 66,90 Dollar. Mittlerweile sehen Marktbeobachter die Stellung des Unternehmens nicht zuletzt wegen des Microsoft-Deals erst einmal als gefestigt an. Die Analysten von Prudential Securities sah die Aktien schon im März als „starken Kauf“ und gab als Kursziel auf Sicht der kommenden zwölf Monate 80 Dollar aus. Die Einschätzung wird von anderen Beobachtern geteilt.
Die GeForce-Chipsätze werden von Taiwan Semiconductor Manufactoring gefertigt, der größten Chip-Foundry der Welt. Nvidia konzentriert sich auf die Entwicklung, das Marketing und den Vertrieb. Das ist sicherlich vorteilhaft, doch die Wettbewerber agieren ähnlich. Die technische Entwicklung geht stürmisch weiter. Gerade im Bereich der Grafikchips herrscht ein ständiges Kommen und Gehen der Marktführer. Und so ist es noch keineswegs ausgemacht, dass Nvidia auch weiterhin in der Spitzengruppe der Kursgewinnler zu finden sein wird.
Der Aktienkurs beinhaltet natürlich bereits die Annahme einer weiterhin erfreulichen Geschäftsentwicklung. So ist der Titel auf Basis der für das im Januar endende Geschäftsjahr 2001 erwarteten Gewinne von 1,01 Dollar mit einem KGV von 66 bewertet. Legt man die Prognose des folgenden Geschäftsjahres von 1,31 Dollar zugrunde, ermäßigt sich der Wert auf 51. An der Börse ist das Unternehmen 9,7 Mrd. Dollar wert. Der Umsatz soll im laufenden Geschäftsjahr auf 1,1 Mrd. Dollar kommen, danach werden 1,6 Mrd. Dollar erwartet. Das sind Verhältniszahlen, die sicherlich genau solange gerechtfertigt sind, wie die Marktstellung des Unternehmens unangefochten ist.
Autor: Klaus Singer (© wallstreet:online AG),14:58 02.01.2002 |