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EZB kauft Staatsanleihen 10.05.2010 Uhrzeit: 10:01
Die EZB hat am Sonntag beschlossen, Anleihen zu kaufen. Die Details sind allerdings noch völlig offen. Wir erläutern, wie diese aussehen könnten.
Die offizielle Stellungnahme der EZB ist sehr allgemein gehalten: Die Notenbank werde in jenen Marktsegmenten der öffentlichen und privaten Anleihen „intervenieren“, die nicht mehr funktionieren, um weiterhin eine „geordnete geldpolitische Transmission“ sicherzustellen. Die Details werden vom EZB-Rat ausgearbeitet werden.
Was wird die EZB kaufen?
Auslöser des EZB-Programms ist der starke Anstieg der Renditen von Staatsanleihen in vielen Peripherieländern. Diese sollen wieder auf ein normales Maß gesenkt werden, da anderenfalls die Konsolidierung in den Staaten kaum zu bewältigen wäre.
Dabei dürfte die EZB wohl gezwungen sein, auf eine Art „Trial and error“ Prozess zurückzugreifen. Denn niemand weiß genau, wo das „fundamental gerechtfertigte“ Niveau liegt. Da die EZB immer wieder die Gefahr von Ansteckungseffekten betont, könnte sie versuchen, diese bereits im Keim zu ersticken. Nachdem Griechenland schon durch ein staatliches Hilfsprogramm unterstützt wird, könnte die Notenbank also zunächst portugiesische Anleihen im hohen Umfang erwerben, so dass Spekulanten erhebliche Verluste einstecken müssten und Investoren Sicherheit gewinnen würden, an bestehenden Engagements festzuhalten. Auf diese Weise könnte es der EZB gelingen, die Dominokette zu durchbrechen.
Wieviel wird die EZB kaufen?
Bei der Frage nach dem Gesamtvolumen beim Kauf von Staatsanleihen kann man sich zunächst einmal daran orientieren, in welchem Umfang andere Zentralbanken wie die Fed und die Bank von England tätig geworden sind – auch wenn der Vergleich etwas hinkt: Denn bei diesen Käufen stand nicht die Finanzierung des Staates im Vordergrund, sondern eine Belebung der Märkte und niedrigere Zinsen für Kredite an Private.
Die Fed kaufte etwa 300 Mrd Dollar Treasuries, was etwa 5% des umlaufenden Volumens entsprach. Die 170 Mrd Dollar für Agency-Anleihen entsprachen 6% des Marktes. Bei den hypothekenbesicherten Anleihen (MBS), deren ein Kauf am ehesten versprach, die Hypothekenzinsen direkt zu drücken, erwarb sie gar 12% des Marktes. Relativ gesehen noch stärker engagierte sich die Bank von England: Mit einem Volumen von 198 Mrd Pfund nahm sie mehr als 25% aller britischen Staatsanleihen in ihren Bestand.
Im Euroraum stehen Staatsanleihen der hinsichtlich eines möglichen Käuferstreiks als besonders gefährdet geltenden Länder Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und Italien im Volumen von 2200 Mrd Euro aus. Sollte die EZB einen ähnlichen Anteil wie die Bank von England bei den Gilts aufkaufen, müsste sie rund 600 Mrd Euro bereitstellen. Verhält sie sich wie die Fed beim Staatsanleihenkauf, so wären es nur 110 Mrd Euro.
Die EZB selbst hat nur Covered Bonds im Volumen von 60 Mrd Euro gekauft. Das waren genau 5% aller notenbankfähigen gedeckten Bankschuldverschreibungen. Auch hier errechnet sich also ein Volumen von rund 110 Mrd Euro.
Anhaltende Bereitschaft der EZB ist wichtiger als Volumen
Das genaue Volumen eines möglichen Kaufprogramms ist aber letztlich zweitrangig. Was vielmehr zählt, ist die erkennbare Bereitschaft der EZB, beliebig lange durchzuhalten. Denn nur so kann das bestehende Problem beseitigt werden. Vor der Bekanntgabe der Maßnahmen vom Wochenende waren die Märkte davon überzeugt, dass die Euroländer zwar genug Wasser haben, Griechenland zu löschen, aber nicht ausreichend, um auch allen anderen Ländern zu helfen. Die EZB kann dagegen beliebig viel Löschwasser produzieren. Ein Kauf von Staatsanleihen ist also dann und nur dann erfolgversprechend, wenn die Notenbank entweder glaubhaft vermittelt, dass sie im Falle eines Falles in großem Umfang und für eine lange Zeit bereit ist, Anleihen aufzukaufen, oder wenn sie noch einen Schritt weiter geht und gleich die Schulden von allen gefährdeten Ländern aufkauft, also die Staatsschulden ohne wenn und aber monetisiert.
Sterilisierung der Maßnahmen angekündigt
Das einzige bisher bekannte Detail ist, dass die EZB den Kauf der Anleihen sterilisieren will. Denn für sich genommen führt dieser Kauf zu einer Ausweitung der Geldbasis und damit auch der Geldmenge. Diesen Effekt wird die Notenbank durch entgegengesetzte, absorbierende Maßnahmen ausgleichen.
Unmittelbar dürfte eine Sterilisierung allerdings wenig erfolgreich sein, da aufgrund der Politik der Vollzuteilung bei vielen Tendergeschäften letztlich die Geschäftsbanken über das gesamte Volumen an Zentralbankliquidität entscheiden. Die EZB hat sogar noch einen zusätzlichen Tender mit dreimonatiger Laufzeit sowie einen indexierten Sechsmonatstender – jeweils mit Vollzuteilung – angekündigt. Aufgrund der Vollzuteilung bei den Tendergeschäften werden schon aktuell weit über 200 Mrd Euro von den Geschäftsbanken in der Einlagefazilität deponiert. Diese Summe wird also voraussichtlich noch steigen. Da diese Liquidität aber nicht umläuft, geht von ihr zumindest vorerst auch keine Gefahr für die Preisniveaustabilität aus.
Grundsätzlich hat die EZB in der aktuellen Lage mehrere Möglichkeiten, einen unerwünschten Liquiditätsüberschuss abzuschöpfen: Eine ist, einige Wochen zu warten. Genau zur Jahresmitte fließen nämlich 442 Mrd Euro aus dem ersten 1-Jahres-Tender, der im Juni 2009 begeben wurde, aus dem Markt. Einem Zufluss von Liquidität aus dem Kauf von Staatsanleihen steht also ein erheblicher Abfluss von Liquidität gegenüber, der ganz deutlich dazu beitragen dürfte, einen unerwünschten Anstieg der Geldmenge im Euroraum zu verhindern.
Daneben steht der EZB ein weiteres liquiditätsabsorbierendes Instrument zur Verfügung, das die Bank bisher noch nicht angewendet hat: die Emission von EZB-Schuldverschreibungen. Diese haben eine Laufzeit von weniger als zwölf Monaten und können – in abgezinster Form – regelmäßig oder unregelmäßig emittiert werden. Zeichnungsberechtigt sind alle Geschäftsbanken, die auch an den bisherigen Tenderoperationen teilgenommen haben.
Schließlich kann die EZB natürlich verstärkt absorbierende Feinsteuerungsmaßnahmen durchführen (Hereinnahme von Termineinlagen). Dies hat sie in der Vergangenheit auch schon regelmäßig getan.
Wichtig für den Erfolg der Maßnahme der EZB ist, ob das jetzt angekündigte Programm der Notenbank von erfolgreichen Konsolidierungsmaßnahmen und Strukturreformen in den betroffenen Peripherieländern begleitet wird. Nur dann wird die eigentliche Ursache der jetzigen Krise beseitigt.
Sollte dies gelingen, könnten sich die Folgen für die Glaubwürdigkeit der EZB in Grenzen halten. Es dürfte der Notenbank dann leichter fallen, die Maßnahme als einmalige Ausnahme darzustellen.
In langfristiger Perspektive stellt ein Kauf von Staatsanleihen durch die EZB auf jeden Fall einen Sündenfall dar. In einer Währungsunion gibt es eine gemeinsame Geldpolitik, aber nationale Fiskalpolitiken. Es bestehen hohe Anreize für eine unsolide Haushaltsführung, solange die Erwartung besteht, dass andere Staaten für die eigenen Schulden geradestehen oder die Notenbank vorhandene Staatschulden monetisiert. In einer Währungsunion ist also der Kauf von Staatsanleihen wesentlich problematischer als in anderen Staaten wie den USA oder Großbritannien. Genau deswegen ist im EU-Vertrag eine direkte Kreditvergabe der EZB an Nationalstaaten verboten, und genau deswegen hat die EZB in früheren Zeiten einen solchen (legalen) Kauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt stets weit von sich gewiesen. Es besteht also die Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit der EZB leidet.
Darüber hinaus könnte eine anhaltende Monetisierung von Staatsschulden langfristig zu Inflation führen. Schon die Erwartung, dass die EZB dazu bereit ist, könnte die Inflationserwartungen aus ihrer Verankerung lösen – selbst wenn sie die Käufe sterilisiert. Höhere Renditen und ein schwächerer Euro wären die Folgen.
Quelle: Commerzbank |