Schily sieht auch nach dem Eklat im Dresdner Landtag wenig Chancen für ein erfolgreiches Verfahren. Politiker von SPD, Grünen und Union fordern Widerstand aller Demokraten
Berlin - Nach dem Eklat der NPD mit Holocaust-Vergleichen im sächsischen Landtag haben Politiker von CDU und PDS eine Wiederaufnahme des NPD-Verbotsverfahrens ins Gespräch gebracht. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sieht allerdings wenig Chancen für ein Verbot. Die Staatsanwaltschaft Dresden prüft, ob gegen NPD-Abgeordnete wegen Volksverhetzung ermittelt werden kann.
Abgeordnete der rechtsextremistischen Partei waren am Freitag während einer Schweigeminute für alle Opfer des Krieges und der NS-Herrschaft aus dem Plenarsaal des sächsischen Landtags ausgezogen. Später hatten sie die Zerstörung Dresdens als „Bomben-Holocaust“ der Alliierten bezeichnet und diese „Massenmörder“ genannt. NPD-Fraktionschef Holger Apfel sagte, in Dresden habe „ein kaltblütig geplanter industrieller Massenmord an der Zivilbevölkerung stattgefunden“. Die sächsische Stadt war im Februar 1945 bei Luftangriffen der Alliierten weitgehend zerstört worden, mehr als 35.000 Menschen starben.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte, mit dem Verhalten der NPD-Abgeordneten werde das Ansehen Deutschlands beschädigt, „wie man es sich schlimmer nicht vorstellen kann“. Man müsse verhindern, dass „unsere Jugend verdorben“ und mit „diesem rassistischen und verfassungsfeindlichen Gedankengut überschwemmt wird“. Zugleich bedauerte Schily, dass das NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe 2003 gescheitert war. Daher müsse man sich jetzt stärker auf die politische Auseinandersetzung mit der Rechtspartei konzentrieren.
CDU und PDS wollen NPD verbieten lassen
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sagte der „Bild am Sonntag“, er sei nicht grundsätzlich gegen eine Wiederaufnahme des Verbotsverfahrens. Dies müsse aber sorgfältig vorbereitet sein und ersetze die politische Auseinandersetzung nicht. Sachsens PDS-Fraktionschef Peter Porsch will dem Magazin „Spiegel“ zufolge in Gesprächen mit den anderen Fraktionen im Landtag erreichen, daß Schily auf Grundlage des neuen Materials von Sachsen aufgefordert wird, beim Bundesverfassungsgericht erneut gegen die NPD vorzugehen. Das Gericht hatte 2003 das von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat angestrebte Verbot der NPD wegen eines V-Leute-Einsatzes in der NPD-Führung gestoppt.
Schily ist weiter gegen eine Neuaufnahme. Der Minister habe schon nach der damaligen Gerichtsentscheidung erklärt, er sehe vorläufig keine Möglichkeit für ein neues Verbotsverfahren, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Christian Ströbele sagte der Zeitung „Die Welt“, eine Neuaufnahme würde zu viele Risiken und Propagandachancen für die NPD bringen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Andreas Feron, sagte, man kenne den Sachverhalt um den Eklat bislang nur aus den Medien. Jetzt müßten die Wortprotokolle der Debatte gesichtet werden. Dann müsse geprüft werden, ob die Äußerungen den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt haben könnten.
Widerstand aller Demokraten gefordert
Innenpolitiker von SPD, Grünen und Union forderten, der antisemitischen, rassistischen und rechtsextremen Haltung der NPD müßten alle Demokraten mit Widerstand begegnen. Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), sagte: „Das ist um so dringlicher, weil im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestags des Kriegsendes weitere Aktivitäten dieser Art seitens der Rechtsextremisten zu befürchten sind.“ Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, sagte im NDR, die Vorgänge in Sachsen würden dem Bild Deutschlands in der Welt schaden. „60 Jahre nach Ende des Krieges gibt es immer noch Menschen in Deutschland, die aus der Geschichte nichts gelernt haben und die auch mit ihrer politischen Programmatik und ihrer politischen Rhetorik anknüpfen an die unsägliche Zeit des Dritten Reiches.“ Der SPD-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Cornelius Weiss, sagte im RBB, zwei Abgeordnete anderer Fraktionen würden Interna an die NPD weitergeben. „Das heißt, es kommt jetzt zum aktiven Verrat der Demokratie.“ Damit müsse man sich aber abfinden, weil man nicht mit polizeistaatlichen Mitteln versuchen könne, herauszubekommen, wer die Übeltäter seien. „Denn damit würden wir ja den demokratischen Rechtsstaat selbst in Frage stellen“, sagte Weiss. In den vergangenen Wochen hatte die NPD bei verschiedenen Abstimmungen mehr Stimmen erhalten als sie Abgeordnete im Landtag hat. Welt.de |