@ecki: Reab und andere hier haben nun mal die Meinung, dass die Welt derzeit nicht in Ordnung ist - was wohl stimmt - und Kriege als gestalterisches Mittel besser geeignet sind als andere wie z.B. die Diplomatie o.ä., zumal diese Mittel gerade in der jüngeren Vergangenheit durchaus wenig Erfolg zeigten. Das ist zunächst einmal eine berechtigte Einstellung.
@Reab, ich habe oben nur die Sicht der Amerikaner und Europäer geschildert. Das alte Klischee stimmt leider, die Europäer diskutieren und lamentieren, wohingegen die Amerikaner handeln und gestalten wollen. Deshalb bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass Europa früher oder später eine eigene Armee brauchen wird, um unabhängig eventuelle speziell europäische Konflikte zu lösen. Die Nato hat m.E. sowohl aus amerikanischer, als auch aus europäischer Sicht ausgedient. Aber das ist ein anderes Thema.
Jetzt zur Gestaltung. Auch wenn man Pazifist ist, muß man zugeben, dass in gewissen Fällen Gewalt eingesetzt werden muß, um ein Ziel zu erreichen. Oberste Maxime ist für mich dabei das Ziel selbst und die Erarbeitung von Realisierungsmöglichkeiten. Danach kommt zum Einen das Verhältnis zwischen minimalem Erfolg und maximalen Aufwand sowie umgekehrt, also die worst/best case Einschätzung. Am Ende steht dann die Beurteilung der Wahscheinlichkeit von beiden Fällen, die Verabschiedung und Detailplanung. Ohne so etwas fange ich kein größeres Projekt an, das sollte im Geschäft wie in der Politik gelten. Ich weiß die Realität ist nicht ganz so ideal, aber deshalb liegen ja auch Erfolg und Mißerfolg so eng beeinander.
Die erste Frage ist also: Zieldefinition. Ohne ein Ziel wird wohl selten jemand einen beschwerlichen Weg beschreiten, das gilt für den Gang zum Bäcker genauso wie für den Flug zum Mond. Hier gab es bzgl. Irakkrieg und der evtl. folgenden Kriege, die erste Panne. Die vorgeschobene Zieldefinition war unklar, wechselnd (bei Großprojekten tödlich), im Nachhinein falsch und gelogen. Man braucht sich nicht wundern, dass sich die Motivation zum Unterstützen in Grenzen hielt. Ich will den Amerikanern aber zugute halten, dass sie für sich ihr eigentliches Ziel genau definiert hatten. Und das war nach meinem Verständnis die Demokratisierung des nahen/mittleren Ostens, um den Terror zu kontrollieren und den freien Zugang der westlichen Welt zu den Energiequellen vor Ort zu sichern. Ja, Herr Gott nochmal, wieso sagen sie es nicht? Ich denke, jeder auf der Welt würde das Ziel sofort unterschreiben. Ja, ich will einen demokratischen Iran/Irak, ein friedliches Palästina, ich will das Ende des Terrors, ich will einen sicheren Zugang (nicht Ausbeutung) zu den arabischen Ölquellen. Hier haben die Amerikaner versagt, indem sie einen möglichen Weg (Krieg) dahin diskussionslos und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen durchgedrückt haben. Setzen, sechs.
Zweitens die Realisierungsmöglichkeiten. Nachdem das Ziel klar ist, setzt man sich im kleinen Kreis (die UNO ist hier sicher nicht das richtige Forum) zusammen und diskutiert diplomatische, ökonomische und sicherheitspolitische Wege. Lass uns nur annehmen, das Ergebnis wäre gewesen (und ich denke so hat es sich zw. Bush und Blair abgespielt): O.K., es ist unabdingbar, wir müssen da durch, und ohne einen Ankerstaat im Herzen der Region kommen wir nicht weiter. Der einzige, der hier in Frage kommt, ist der Irak. Er ist nicht ganz so religiös fundamentalistisch geprägt wie der Rest, er liegt zentral, er hat die 2. größten Ölreserven der Welt, er hat einen sowohl im Ausland als auch vom Volk gehaßten Diktator an der Spitze, und er schießt schon seit Jahren quer. Mit anderen Worten, dort scheint die Realisierung des Ziels am einfachsten. Außer Acht gelassen wurden aber die Erfolgs- und Aufwandsabschätzungen sowie die Stakeholder und die möglichen Konsequenzen. Da wäre die Zersplitterung des Irak in unterschiedliche Macht- und Interessensgruppen, dann die nicht sehr ausgeprägte Kongruenz der lokalen und amerikanischen Vorstellung von Demokratie, der Einfluß der Nachbarstaaten, und last but not least die Einschätzung des Aufwands, einen best case zu erreichen oder einen worst case unter Kontrolle zu halten. Hier wäre der Zeitpunkt gewesen, zu sagen, das Unternehmen hat eine maximale Erfolgsaussicht von 10% und die Risiken, die die hinter den anderen 90% stehen, sind aufgrund der Komplexität und des eventuell benötigten Aufwands an Geld und Menschenleben absolut unkalkulierbar. Auch in diesem Punkt haben sie m.E. die Note 6 verdient.
Die Detailplanung existierte, wie wir jetzt sehen, genauso wenig. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass sie seit dem offiziellen Kriegsende von einem Schlamassel in den nächsten rutschen, und mit jedem Tag mehr an Glaubwürdigkeit in der Region verlieren bzw. Haß ernten. Die Note in diesem Punkt dürfte auch bekannt sein.
Summa summarum sage ich, Gestalten ist ja gut, aber dazu gehört halt neben unbändigem Glauben eine gehörige Portion Realismus und nicht Selbstüberschätzung. Also laßt uns nochmal zu Punkt 1 zurückkehren. |