Europäische Schuldner drängen in die USA Viele Privatplacierungen am amerikanischen Kreditmarkt Der Markt für Privatplacierungen in den USA hat neue Teilnehmer gefunden. Europäische Emittenten, darunter vor allem deutsche Unternehmen, treten immer aggressiver am amerikanischen Kreditmarkt auf, um ihren Fremdkapitalbedarf zu decken. dek. New York, Mitte September
Derzeit ist eine Invasion europäischer Schuldner in den amerikanischen Kreditmarkt im Gang, wobei vor allem deutsche Unternehmen ihre Präsenz stark ausgebaut haben. Interessanterweise zielten die Schuldner dabei hauptsächlich auf Privatplacierungen (Private Placements), was für Ausländer bisher eher ungewöhnlich war. Prominente Namen wie Porsche oder Bertelsmann sowie der Fussballklub Gelsenkirchen, die Detailhandelskette Aldi und der Milchproduzent Müller deckten sich am amerikanischen Kapitalmarkt bereits ein. Zur Freude der Banker von der Wall Street dürfte diese Tendenz noch einige Zeit dauern. Laut Beobachtern werden noch mehr deutsche und andere europäische Emittenten erwartet, wobei vor allem mittelgrosse Gesellschaften mit Refinanzierungsplänen aktiv werden dürften.
Niedrige Zinsen machen USA attraktiv Der Grund für das starke Interesse der europäischen Unternehmen war einerseits das tiefe Zinsniveau in den USA. Anderseits waren die Schuldner zunehmend frustriert über das heimische Bankensystem und suchten daher Diversifikationsmöglichkeiten in den USA. Der amerikanische Markt für Privatplacierungen kann langfristige Kredite besser absorbieren und bietet in der Regel auch bessere Rahmenbedingungen. Dagegen war der Zugang zum europäischen Markt für Schuldner wie Bertelsmann in den vergangenen Jahren nicht immer einfach, und die Liquidität der heimischen Banken war auch nicht mehr so schnell verfügbar. So blieb nur der Schritt ins Ausland, und die USA mit ihrem hochliquiden Bondmarkt sind da wohl die beste Adresse. Auch Porsche brachte 625 Mio. $ Fremdkapital auf den Markt, indem das Unternehmen Bonds ohne spezielle Bedingungen emittierte. Typischerweise verlangen die Amerikaner vor allem bei langfristigen Bonds, dass spezielle Bedingungen erfüllt werden. Besonders Finanzkennzahlen wie Gewinn oder Cashflow müssen stimmen. Falls die Schuldner diese Bedingungen nicht einhalten können, sind sie gemäss Emissionsprospekt verpflichtet, das Geld zurückzuzahlen. Den Anlegern bleibt also die Zusicherung, dass der Schuldner das Geschäft entweder so betreibt wie vereinbart oder sich bereit erklärt, den Kredit zurückzuzahlen.
Porsche mit erleichterten Bedingungen Im Fall von Porsche lief die Privatplacierung offenbar ohne derartige Spezialbedingungen ab. Dies wurde in Marktkreisen als Wirkung des guten Namens der Autofirma gedeutet. Dank dem stabilen Cashflow waren die Obligationäre bereit, dem Unternehmen auch ohne Spezialkonditionen Geld zu leihen. Der Sportwagenhersteller brachte verschiedene Tranchen mit 7, 10 und 12 Jahren Laufzeit unter die Anleger. Die Tranche mit einer Laufzeit von 7 Jahren wurde mit 80 Basispunkten über vergleichbaren amerikanischen Staatsanleihen (Treasury Bonds) emittiert. Im Vergleich dazu brachte Volkswagen eine ähnliche Anleihe mit 100 Basispunkten über vergleichbaren Staatsanleihen an den Markt. Risikofreudige «Babyboomer» Negative Rückwirkungen auf die Aktienmärkte Die zunehmende Alterung der Bevölkerung wird in den kommenden Jahren die Entwicklung an den Finanzmärkten beeinträchtigen. In Anbetracht der erhöhten Rendite- Erfordernisse dürften risikoreichere Anlagen stärker nachgefragt werden, wogegen Anlageobjekte in Westeuropa in den Vorsorge-Portfolios an Gewicht einbüssen, lautet das Fazit einer Befragung des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung. nrü. Der Ausdruck «demographische Zeitbombe» ist nicht nur unter Exponenten von Sozialwerken und Versicherungsexperten zum Schlagwort mutiert. Auch an den Märkten wird seit längerer Zeit über die Folgen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung in den Industrieländern für die Entwicklung an den Finanzmärkten debattiert. Es wird davon ausgegangen, dass der demographische Wandel eine Veränderung des relativen Angebots der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital nach sich ziehen wird, was sich wiederum auch auf das Sparverhalten sowie auf die Kapitalrenditen und Wertpapierkurse niederschlagen dürfte. Zugleich dürften auch die erforderlichen Reformen der Vorsorgewerke und der damit einhergehende Wechsel von der Umlagefinanzierung zu einem kapitalgedeckten System an den Kapitalmärkten Spuren hinterlassen.
Erhöhtes Rendite-Bewusstsein In diesem Zusammenhang ergeben sich eine ganze Reihe von Fragen, die bisher erst am Rande thematisiert worden sind. Was ist die künftige Rolle der Kapitalmärkte für die Finanzierung der Altersvorsorge? Welche Anlageprodukte werden an Bedeutung gewinnen? Welche Auswirkungen ergeben sich für die Kursentwicklung bei Aktien und Anleihen? Wie wahrscheinlich ist ein sogenannter Asset-Meltdown - also der aufgrund der Abnahme der Ersparnisse durch die in Ruhestand gehende Babyboomer-Generation befürchtete Kurseinbruch?
Mit dieser Thematik hat sich jüngst eine Umfrage des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befasst, die im Auftrag der deutschen Versicherung Allianz 247 Finanzmarktexperten befragt hat. Obwohl ein überwiegender Teil (91%) der Befragten aus Deutschland stammt, sind die Ergebnisse im Urteil der Autoren auch im europäischen Zusammenhang relevant, da sich die meisten Teilnehmer «intensiv mit der Analyse internationaler Finanzmärkte befassen». In Anbetracht der Tatsache, dass die Mehrzahl der Interviewten im Bankensektor beschäftigt ist, erstaunt ein erstes Ergebnis nicht ausserordentlich, wonach Kapitalmarkt-Investitionen innerhalb der kommenden 15 Jahre wichtiger werden.
Beachtenswert ist dagegen die Einschätzung, dass Produkte mit geringem Risiko wie Geldmarktkonten, Festgeldanlagen, die in Deutschland verbreiteten Bausparpläne und Bankeinlagen in Zukunft, gemessen an ihrem prozentualen Anteil im Altersvorsorge-Portfolio privater Haushalte, an Gewicht einbüssen werden. Produkte der betrieblichen Vorsorge, Anlagefonds, direkte Anlagen in Aktien und Anleihen sowie alternative Anlagen (Hedge-Funds und Private Equity) dürften demgegenüber an Bedeutung gewinnen. Diese Prognose beruht unter anderem auf der Erwartung, dass die Relation von Risiko und Ertrag bei Anlageentscheiden zunehmend in den Vordergrund rücken wird.
Vorteile und Grenzen der Diversifikation Was die Auswirkungen des demographischen Wandels anbelangt, so sind die Teilnehmer der Umfrage der Ansicht, dass die Sparquote in Zukunft abnehmen, aber nach wie vor positiv bleiben wird. Es wird somit nicht erwartet, dass die künftige Rentnergeneration absolut «entsparen» wird. Dennoch rechnet die Hälfte der Experten mit negativen Rückwirkungen auf die Aktienmärkte. Im Gegensatz dazu gehen sie für die Anleihenmärkte von unveränderten Kursen aus.
Das Ausbleiben schwerwiegender negativer Auswirkungen auf die Kapitalmärkte wird in erster Linie damit begründet, dass es weiterhin Investitionsmöglichkeiten in Ländern mit einem tieferen Durchschnittsalter und mit höheren Wachstums- und Rendite-Chancen gibt. Die Mehrheit der Finanzmarktexperten ist der Meinung, dass eine internationale Diversifikation helfen kann, die negativen Auswirkungen alternder Gesellschaften auf die Kapitalmärkte zu mildern. Im Zentrum stehen dabei die Emerging Markets. Zu den Ländern, die im Urteil der Befragten bei Investitionsentscheiden vermehrt berücksichtigt werden dürften, gehören Mittel- und Ost-Europa, China und andere asiatische Länder (mit Ausnahme von Japan). Dagegen wird für West- Europa ein Rückgang des Portfolioanteils prognostiziert. Gleichzeitig wird jedoch eingeräumt, dass die internationale Diversifikation aufgrund der begrenzten Fähigkeit zur Aufnahme von ausländischem Kapital in Schwellenländern an Grenzen stösst. Als limitierende Faktoren werden unter anderem unterentwickelte Finanzmarkt- Infrastrukturen, ineffiziente Bankensektoren sowie eine schlecht funktionierende Finanzmarktaufsicht genannt. |