Beitrag aus FAZ!
Mehr Wachstum, mehr Jobs
Erneuerbare Energien
Von Peter Trechow
14. Mai 2009 In den Unternehmen der Windenergie-, Solar- und Biogasbranche herrscht Zuversicht. Seitdem sich im letzten Jahr die politischen Rahmenbedingungen verändert haben, stehen europa- und weltweit klimaschonende Technologien vor einem Nachfrageschub. Die Folge: Viele Unternehmen suchen trotz der Wirtschaftskrise Nachwuchskräfte.
Im Dezember 2008 fällte das EU-Parlament eine folgenreiche Entscheidung. Bis 2020 sollen erneuerbare Energien ein Fünftel des Endenergiebedarfs der EU decken. Deutschland und Dänemark, die beiden Vorreiter, müssen den Anteil regenerativer Energien verdoppeln. Vor weit größeren Herausforderungen stehen Spanien, Italien, Frankreich, die Niederlande und Großbritannien.
Der European Renewable Energy Council (EREC) hat dazu eine „Technology Roadmap“ entwickelt, die den Weg weisen könnte. Abhängig vom Fortschritt in Sachen Energieeffizienz müssten regenerative Quellen 2020 zwischen 33 und 40 Prozent des EU-Strombedarfs decken. Das liefe auf dreimal mehr Windenergie als heute hinaus, 100-mal mehr Solarstrom, fast 18-mal mehr Solarwärme und doppelt so viel Wärme aus Biomasse. Europa ist nur ein winziger Ausschnitt des Gesamtmarkts. Das Wachstum spielte sich zuletzt eher in den USA und China ab. Weitere Märkte stehen vor dem Durchbruch. Etwa Kanada, wo die beiden Energieunternehmen Enercon und Repower derzeit gigantische Windparks errichten. Die Türkei, die bis 2015 praktisch aus dem Nichts fünf Gigawatt (GW) Windkraftleistung bauen will, oder die Staaten Mittel- und Südamerikas. Costa Rica will bis 2021 alle Energieimporte einstellen und sich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgen. Selbst der Rohstoffgigant Russland hat jüngst eine Einspeisevergütung für Windstrom beschlossen.
Weltweit erzeugen Windräder mit 120 GW Gesamtleistung Strom. Laut Global Wind Energy Council (GWEC) dürfte sich die Kapazität bis 2020 verzehnfachen. Doch schon weltweite 27 GW Zubau haben die Branche letztes Jahr an Kapazitätsgrenzen geführt. Die Unternehmen wollen aufstocken. „Unser Unternehmen wird 2009/10 voraussichtlich wie die gesamte Branche weiter wachsen“, sagt Caroline Stubenvoll aus der Presseabteilung der Repower Systems AG. Wegen des stetigen Wachstums suche man ständig Ingenieure und andere Akademiker für verschiedenste Aufgaben im In- und Ausland. Auch bei der Nordex Windenergie stehen die Zeichen ungeachtet der aktuellen Wirtschaftskrise auf Wachstum. Im November starten die Hamburger ein Traineeprogramm für Absolventen aus Maschinenbau, Elektrotechnik, Verfahrenstechnik, Wirtschaftswissenschaften sowie für Wirtschaftsingenieure.
Marktführer Enercon und Siemens Windpower melden ebenfalls Bedarf. „Eine Eintrübung im Windmarkt ist nicht absehbar“, sagt Enercon-Personalreferentin Simone Philipp. Durch seine ständige Weiterentwicklung im In- und Ausland biete das Unternehmen beste Perspektiven für Jungingenieure. „Wir suchen vor allem im Bereich Elektrotechnik, Maschinenbau und im Wirtschaftsingenieurwesen, aber auch Wirtschaftswissenschaftler“, erklärt sie. Derzeit seien etwa 65 Stellen ausgeschrieben. Siemens Windpower hat sich mit nahezu 80 Prozent Marktanteil an die Spitze des Offshore-Geschäfts gesetzt. Aktuell hat die Konzernsparte Aufträge für über 1 GW Meereswind in der Pipeline. Es dürften weit mehr werden: Bis 2015 sind laut European Wind Energy Association allein vor den Küsten Europas Windparks mit 37,5 GW Gesamtleistung geplant. Nur 1,4 GW sind bisher im Bau oder am Netz.
Klar, dass die Branche angesichts solcher Zuwachsraten Fachkräfte braucht. Doch nach wie vor beklagen die Unternehmen den Aufwand, um Einsteiger in ihr Metier einzuführen. „Er ist vergleichbar mit der Einarbeitung von Quereinsteigern“, sagt Caroline Stubenvoll. Zwar seien Ingenieure nach dem Studium sehr gut ausgebildet, doch nur wenige Bewerber bringen nach Angaben von Enercon, Nordex und Repower fundiertes Fachwissen über Windkraft mit. Laut Philipp dauert es oft zwei Jahre, Einsteiger einzuarbeiten. Dennoch seien Absolventen aus E-Technik und Maschinenbau sehr interessant für Enercon. Und umgekehrt; wer Eigeninitiative mitbringe, habe beste Entwicklungschancen. „Man bekommt bei uns zeitig eigene Projekte und kann neue Ideen einbringen“, sagt sie.
Einen Mangel an spezialisierten Absolventen beklagt auch Sitha Stübe, Human Ressource Manager der Solar World AG. „Weil es kaum spezialisierte Fotovoltaik-Studiengänge gibt und das Thema in anderen Studiengängen oft nur am Rande behandelt wird, verfügen leider immer noch wenige Absolventen über entsprechende Fachkenntnisse“, berichtet sie. Für ihr Unternehmen sei das wesentlich. Denn nicht „Sand und Sonne“ seien knapp, sondern gut ausgebildete Menschen. Seit Gründung im Jahr 1998 sind die Bonner auf Wachstumskurs. Derzeit beschäftigen sie über 1.800 festangestellte Mitarbeiter weltweit. „Im Jahr 2009 werden wir konzernweit circa 450 neue Stellen für Professionals und Absolventen schaffen“, erklärt Stübe, „mehr als die Hälfte davon an den Standorten in Freiberg und Bonn.“ Gesucht: Chemiker, Physiker und Ingenieure aus Verfahrens- und Elektrotechnik, Maschinenbau sowie Kaufleute.
Allerdings ist die Lage in der Solarbranche trotz bester Wachstumsprognosen nicht ganz so gut wie in anderen Bereichen der erneuerbaren Energien. Deutlicher Hinweis: Solar World wagt sich als einziges Unternehmen der jungen Branche aus der Deckung. Andere mauern bei der Frage nach den Berufsaussichten für Absolventen und verweisen auf die schwierige Marktsituation. Hintergrund: In der Solarbranche zeichnet sich eine Konsolidierungswelle ab. Nachdem die Fertigungskapazitäten in den letzten Jahren förmlich explodierten, brechen die Preise für Solarmodule ein. Erste kleine, in der Wertschöpfungskette schlecht positionierte Betriebe fallen dem Kostendruck bereits zum Opfer.
Sitha Stübe beruhigt: „Wir verfolgen eine nachhaltige Personalstrategie. Einstellungen sind unseren Wachstumsplänen angepasst, um neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine langfristige Perspektive und sichere Arbeitsplätze bieten zu können.“ Diese sichere Zukunft schließe beste Karrierechancen ein. Solar World qualifiziere gezielt Mitarbeiter, um Fach- und Führungspositionen aus den eigenen Reihen besetzen zu können. Wer für Solartechnologie „brenne“, eigenverantwortlich anpacke und bereit sei, Bestehendes ständig aufs Neue zu hinterfragen, könne sich hier voll entfalten. Schubwirkung erhoffen sich die bundesweit 130 Hersteller der Solarbranche von der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und der gesetzlich verankerten Bauherrenpflicht, Neubauten künftig mit regenerativen Heizsystemen auszustatten. Unterm Strich erwartet der Bundesverband Solarwirtschaft 2009 trotz Finanzkrise ein Nachfragewachstum - wenn auch gegenüber den Vorjahren gebremst.
Das neue EEG macht auch der zuletzt gebeutelten Biogasbranche Mut. Sie will dieses Jahr in Deutschland über eine Milliarde Euro investieren. „Wir gehen davon aus, dass etwa 780 neue Biogasanlagen mit 200 Megawatt Gesamtleistung gebaut werden“, sagt Claudius da Costa Gomez, Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas. Führende Hersteller bestätigen den Aufwärtstrend. So verspricht Anne Büssing, Personalreferentin bei der Envitec Biogas AG, hervorragende Aussichten für Absolventen. „Wir haben in den letzten Monaten weitere Stellen für Jungingenieure und Hochschulabsolventen geschaffen und bauliche Maßnahmen veranlasst, um weitere Arbeitsplätze zu schaffen“, berichtet sie. Das Unternehmen aus dem niedersächsischen Lohne sucht Ingenieure aus Ver- und Entsorgungstechnik, Maschinenbau als Fachplaner sowie Agraringenieure im Bereich Projektentwicklung oder zur Unterstützung des Vertriebs.
Petra Stuckmann, Personalleiterin der Biogas Nord Anlagenbau GmbH, versprüht ebenfalls Optimismus. In der zweiten Jahreshälfte seien weitere Einstellungen von Jungingenieuren geplant. Einziges Wachstumshindernis: „Unsere internen Strukturen und Prozesse müssen in der Lage bleiben, das überproportionale Wachstum effizient umzusetzen.“ Biogas Nord sei auf internationalem Wachstumskurs und habe vor allem Bedarf in den Bereichen Technik und Bauabwicklung. Einsteiger könnten sich auf ein junges Team, kurze Entscheidungswege und eine kooperative Arbeitsatmosphäre gefasst machen. Dagegen wird die Schmack Biogas AG laut HR-Referentin Julia Schwarzlow einen Gang zurückschalten: „Weil wir zuletzt sehr viele Stellen besetzt haben, gibt es derzeit weniger Stellen für Akademiker.“ Dennoch seien Bewerbungen ambitionierter Absolventen aus Umwelt- und Verfahrenstechnik oder dem Wirtschaftsingenieurwesen immer willkommen. Und sicher nicht aussichtslos. Denn dass die Biogasbranche so wie alle anderen Bereiche der erneuerbaren Energien im kommenden Jahrzehnt wachsen wird, hat die EU im Dezember ja quasi per Parlamentsbeschluss verordnet. |