Eine Kausalität zwischen "Religionsdiffamierung" und mangelnder Bereitschaft zur Integration herzustellen bedeutet eine Aufforderung an die Mehrheitsgesellschaft, die Regeln der Parallelgesellschaften anzuerkennen und sich diesen anzupassen, um den Angehörigen dieser Minderheit die Integration zu erleichtern. 400 Jahre nach Giordano Bruno, der in Rom verbrannt, und Baruch Spinoza, der von den Juden exkommuniziert wurde, 200 Jahre nach Voltaire und 100 Jahre nach Oskar Panizza, der noch 1895 zu einem Jahr Haft wegen "Gotteslästerung" verurteilt wurde, ist eine solche Aufforderung ein Verrat an allen Werten der Aufklärung. Und nutzlos dazu.
Denn sollte – was Gott verhüten möge – eines Tages die Diffamierung der Religion ein Straftatbestand werden, müsste noch immer definiert werden, wo der Tatbestand anfängt und wo er aufhört. Schon heute soll es Menschen geben, die sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen, weil ihren Kindern separate Gebetsräume in Schulen verweigert werden. Oder weil sie mit einem Kopftuch nicht als Krankenschwester arbeiten dürfen. Oder weil in Kantinen Schweinefleisch angeboten wird. Auf solche Empfindlichkeiten kann man Rücksicht nehmen, man muss nur wissen, was man damit aufgibt: die säkulare Gesellschaft. Auch die Annahme, man würde damit die Integration erleichtern, ist mehr als irrig. Zumal uns immer wieder versichert wird, die Integrationsverweigerung habe keine religiösen Ursachen, sie sei vielmehr ein kulturelles und soziales Problem.
Diesmal sind nicht die Juden unser Unglück, auch nicht die Pfaffen und die Muslime. Es sind wieder die Juristen. |