Neulich gesehen: Werbung von facebook! Ich hatte immer den Eindruck, diese Internetplattform ist ein Selbstläufer und brauche keine Werbung ... Es war auch keine Werbung, wie man beim Zuschauen und Zuhören feststellen konnte. Es war vielmehr eine Handlungsempfehlung. Eine Dame beklagte zum Beispiel die vielen Katzenbilder. FB-Lösungsvorschlag: auf IGNORE. Diese Handlungsempfehlung brachte mich ins Nachdenken. Es gilt hier in ariva mittlerweile als normal! Wenn manchen ein User nicht passt, kann man dann lesen: "Ich denke ich muss mich mal wieder mit meiner Ignore-Liste beschäftigen", oder so ähnlich. Ja, warum nicht, könnte man bequemerweise denken.
Was bedeutet dieses "auf ignore setzen" aber im Grunde genommen??? Menschen, die in manchem anders sind, einfach nur ausblenden, nach dem Motto, diese Menschen gibt es nicht für mich? Deren Meinung interessiert mich nicht? Ist lästig wie Mücke? Hier, in diesem relativ überschaubaren Forum, ist "noch" eine gewisse Vielfalt an Meinungen und Persönlichkeiten zu finden. Ist es nicht gerade in unserer Zeit, in der elementare Veränderungen um uns herum stattfinden, wichtig, hinzuschauen, was andere Denken? Wo bekommt man einen Einblick in die unterschiedlichsten Köpfe, wenn nicht in so einem kleineren Forum? Ob man die Meinungen gut findet oder nicht, sie einen aufregen oder verzweifeln oder hoffen lassen .... ist es nicht wichtig, darüber Bescheid zu wissen? Befördert dieses "Ausblenden" in unserer Zeit nicht die Spaltung unserer Gesellschaft? Wäre es nicht wichtig, gerade auch jetzt, wo immer wieder Wahlen anstehen, darüber Bescheid zu wissen, was die Menschen um einen herum denken? Gibt es nicht Elementares, was uns verbindet? Ist es nicht auch wichtig, darauf zu achten, wo sich Verachtung und Hass latent verbreiten? Ist es nicht ein Wert an sich, dass wir diese Plattformen in Freiheit nutzen können? Ist es nicht wichtig, sich dieser unserer Gemeinschaft zu stellen, auch wenn man manche eben nicht besonders leiden kann? Ist es nicht ein elementarer Baustein unserer freien, demokratischen, sozial-marktwirtschaftlich ausgerichteten Gesellschaft, dass man genau hinschaut, was die Strömungen sind und einen Weg findet, selbst und auch miteinander nachdenkt, wie mit ihnen umzugehen?
Also ... im wesentlichen, übergeordneten Blick auf die politische Tragweite einer solchen Geisteshaltung finde ich diese Handlungsempfehlung von FB im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fragwürdig. Angesichts der Meinungsbildung einer großen Bevölkerungsgruppe, für die sich dieses kaltschnäuzige: "Ab ab Ignore!" zum Guten Ton entwickelt und auch im Kopf festsetzt, untergräbt dies tendenziell Toleranz und bewussten Umgang mit Vielfalt.
Kant's Kategorischer Imperativ als Prüfstein: Was, wenn jeder den nächsten, der ihn nervt, nur noch ausblendet? Sind die dann weg? Was, wenn das jeder machen würde? Konsequent zu Ende gedacht? Was bedeutet dies für den Zusammenhalt einer großen Gesellschaft?? |