Moin,
sodele, da wäre also meine Analyse des Urteils.
Ich stelle die Analyse auf das 440er ab, da dies komplexer ist, und meiner Erachtens die Ausführungen zu claim 1 des 440 sich ja letztlich mit dem 573 Patent decken. Dies im Vergleich mit Vorgeschichte aber auch paralleler Entscheidungen vor dem PTAB und Referenzentscheidungen des Fed. Circuit und des Supreme Court.
Meines Erachtens wurden sich die drei Richter in einigen Punkten nicht so einfach einig und standen vor der Qual der Wahl: - Entweder erstmals (zumindest kenne ich keinen derartigen Fall) ein „diveded panel“ bzw. eine „split decision“ also ein Urteil, welches im Extremfall drei Einzelmeinungen enthält, was nicht nur sehr zeitaufwändig ist, sondern auch einen gewissen Spott verursachen kann. - Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und jeder bekommt in Teilbereichen recht.
Wie komme ich hierauf: Wenn man sieht,wie konstruiert der Weg zu Obvioussness nach § 103a gewesen ist, hätte man dies auch für § 102a auslegen können.
Beginnen wir nach der „Vorworten“ mit der claim construction, bzw. den „Previously Interpreted Terms“. Da besteht zumindest schon mal Einvernehmen zu „charging a fee“ = requesting payment electronically“ plus anschließend „selling“ erfordert „payment“. Strittig war jetzt jedoch bislang die Frage was ist eine „non-volatile storage portion oft he second memory“. S. 10 Punkt 2 Claim 1 ist da allgemein, die claims 64 und 95 enthalten den Zusatz „second party hard disc“, also das wird vom PTAB anerkannt. In der Fußnote zu 3 steht, dass wg. Fehlen der hard disc in claim 1 „we need not determine whether such a device must be internal rather than external“ Hallo , das war doch eine der Kernfragen, und auch wenn die Feststellung für claim 1 richtig wäre, so ist sie dies doch für die claims 64 und 95, die eben hier (siehe Überschrift zu 2. mit beurteilt werden. Oder war man sich da nicht einig ??
Unter 2a), Seite 11, gibt es immerhin eine Neuinterpretation, die i.V.m. 2b) einerseits exlizit auf die Nennung der Hard Disk in den claims 10, 64,95 verweist, dies im Umkehrschluss für den claim 1 negiert, und als claim construction für das Gesamtpatent zu dem Ergebnis kommt „That the term „secondary memory“ is not limited to a hard disk or removable media“. Und da man selbst merkt, dass diese Formulierung zumindest mehr Fragen aufwirft als beantwortet, geht es über zur Betrachtung unter 2c) über das „Umfeld“ der Patententwicklung, Beschreibung der angestrebten Vor- bzw. Nachteile. Und obwohl hard disk zumindest mal in drei independent claims plus Folgeclaims drin steht (und das als Voraussetzung im Sinne der Reexamination) interpretiert das PTAB „the use of a hard disk in the context of describing a preffered embodiement.“ Übersetzt also als bevorzugte Ausstattung jedoch nicht als Voraussetzung. Und wer das Skript zur mündlichen Verhandlung sowie die sur-reply gelesen hat, der weiß auch wo das herkommt. Das ist die Tierney`sche „Design Choice“, welche nun ein wenig neutraler klingend umverpackt wurde. Es folgt noch ein wenig hin und her, auch über preferred, wo sich anscheinend Tierney durchsetzen durfte, aber die conclusion auf Seite 14 schließt nach all dem Sermon mit der Feststellung: Claims 64 and 95, however, require that the second memory include a hard disk. Meine gedankliche Trennlinie wäre nun auf Basis dieses Einzelpunktes gewesen: Okay claim 1 (der ja eigentlich nur die Klammer zum Vorgängerpatent darstellt, dass weiter detailiert wird) dann was diesen Einzelpunkt betrifft eher nicht patentierbar, die 64 und 95 (und implizit auch der mitzitierte, aber nicht mitverhandelte 10) patentierbar. Über die Darstellung konnten sich die drei Richter, wenn auch mit mehreren Wendungen offensichtlich gerade so einig werden. Honi soy, qui mal y pense.
Es geht direkt weiter unter B) mit der Beschreibung CompuSonics Prior Art. Wie ich ja bereits schrieb, entweder nach § 102 einszueins-Umsetzung-notwendig oder nach §103 Obviousness auf Basis des sogenannten TSM-Test (Suggestion, Teaching, Motivation). Dies vorab, weil ich beim zweiten und dritten lesen, einfach mal diese drei Begriffe als Prädikat oder anderweitig im Text intensiv gesucht hatte. Es folgt auf den Seiten 14 bis 21 die Darstellung CompuSonic. Außer reiner Rezitation der Darstellungen bzw. Aussagen als einzig nennenswertes, der Verweis auf „one Article […] consumers who would use credit cards“ Exhibit 4309. Das heißt in der gesamten Darstellung der Patente und folgender Originalunterlagen kein direkter Bezug zu TSM-Test, dessen Konstruktion folgt später.
Nun folgt das Urteil zu § 102a Anticipation (wer sich jetzt wundert, wieso hier jetzt ein a angehängt ist , wird es bald sehen):
Kernsatz: zwar „very similar disclosures“ aber eben nicht „arranged or combined in the same way as recited in the claim“. Geh ich schnell drüber weg, hatte ja selbst Judge Tierney “Let`sfocus on the 103” (S. 54 des Hearings) bereits „angedeutet“.
Ausführlicher wird es bei der Begründung zu 103a Obvioussness ab Seite 24: Unter D 1.: erklärt sich das Board erstmal für zuständig: Sightsound bemängelt ja, dass „apple did not assert explicitly a ground of obviousness (§ 103a), apple meint die eigene Petition hätte dies „supported“. Das PTAB schließt sich diesem supported an, da die (CompuSonics publications) dies teachen (link zum TSM-Test) würden. Letztlich ist selbst diese Formulierung interpretierbar: Publikationen von CompuSonic oder über CompuSonic oder mal so mal so. Wer sich mit dem Thema ein wenig beschäftigt hat, kann erkennen, dass die Argumentationen bzgl. § 102 und § 103 nahezu deckungsgleich sind bzw. sein müssen, da es oftmals ja nur um Nuancen geht. Folgt man und vor allen Dingen der Federal Circuit dieser Argumentation, würde dies bedeuten, dass die (wenn auch nur geringe Trennschärfe) zwischen Anticipation nach § 102 (durch einzelne Prior Art-Quelle) und Obviousness nach § 103 (durch verschiedene Prior Art-Quellen) vor Gericht aufgehoben würde, da eine Partei immer behaupten könnte, dass die implizite Argumentation nach der einen Rechtsgrundlage die Antragsstellung nach der anderen Rechtsgrundlage ersetzen könne. Damit würde meines Erachtens nicht Recht gesprochen sondern eine neue Rechtsnorm geschaffen. Dies schließe ich insbesondere daraus, dass weder apple noch das PTAB hierzu irgendwelche Präzedenzfälle benennen oder benennen können. Und auch wenn das PTAB was die Verfahrenstechnik, -abläufe angeht, vielleicht noch Welpenschutz genießen mag, so gab es in der Vergangenheit vor BPAI, District Courts, Fed. Circuit, Supreme Court ja durchaus Rechtsstreitigkeiten, bei denen offensichtlich keiner auf die Idee kam eine explizite Antragstellung durch eine implizites „Support“ zu ersetzen. Sicherlich formal diese Betrachtung, aber formal läßt sich ein Urteil eben am einfachsten ohne weitere materielle Prüfung kippen. Dem rechtlichen Gehör für Sightsound dürfte angesichts der Möglichkeit zur Sur-Reply jedoch ausreichend Rechnung getragen worden sein.
D2. Definition Posita. (Seite 26) Hier Annahme der Position von apple bzw. Dr. Kelly in bewusster Opposition zum Pitsburgh-Verfahren, welches der definition von Mr. Snell gefolgt war. Angesichts der „similar definitions“ die das PTAB insgesamt sieht, in meinen Augen ein unnötiger Affront. Jetzt wird Donetta deswegen sicher nicht stinksauer sein, aber sie wird es registrieren. Insgesamt aber ein zweitrangiger Aspekt. Unter D3 werden die CompuSonics Publications dann in Gänze zu Prior Art nach §102 a) oder §102b) erklärt. Und ihr lest richtig. Weiter vorne wurden die sightsound-Patente als not anticipated nach § 102a by CompuSonics Patente erklärt, jetzt sollen sie aber die Anforderung an Prior Art nach §102a und 102b erfüllen, um sie in die Bewertung nach §103 einbeziehen zu können.
Wer mich jetzt für verrückt erklären will, von mir aus gerne, aber genauso steht es da !! Und sightsound bekommt noch den schwarzen Peter: „sightsound does not dispute that these documents qualify as prior art“ (S. 28). Hammer. Und liest sich im ersten Moment übel. Nach kurzem Nachdenken aber: Wer hat den bitte hier die Beweispflicht, apple als Antragsteller. Hallo, was war das eben weiter vorne für ein Geschwafel über explizite und implizite Begründung, Support statt Antragstellung. Und ich habe viel gelesen, aber zu behaupten sightsound hätte nicht wenigstens implizit disputed, ist einfach nur lächerlich. Und da wo sightsound sich deutlich gewehrt hat (Folienvortrag) wird der Zeugenaussage Mr. Schwartz „30 seconds on the screen“ mehr geglaubt als Mr. Stautner, der nur „believed“ es seien a few seconds“ gewesen. Und da das ganze dann immer noch nicht den sogenannten Klopfenstein-Test erfüllt, dass diese Unterlagen „accessible to the public interested in the art“ sein müssen, was ein Folienvortrag naturgemäß ja nicht ist, wird konstruiert, es sei nicht auszuschließen „that attendees at the various events could not have copied [im Sinne von abschreiben] the diagramms. Also eine negative Abgrenzung, da das Gegenteil nicht zu beweisen wäre, soll es als bewiesen gelten. Allgemeine Lebenserfahrung der Richter also, dass das so abgeschrieben wurde und vor allen Dingen im Sinne von CompuSonics auch sollte. Plausibel ist meines Erachtens eher, dass die Interesse wecken wollten, aber nicht, dass die Leute ihre Ideen vor Vermarktung aktiv abschreiben.
Ich sehe dieses Konstruieren aber alles in folgendem Licht: Das PTAB, insbesondere Tierney will die Patente unbedingt kippen. §101 +112ging nicht, §102 wollten die beiden anderen Richter nicht, da zu konkrete Vorgaben, bei 103 haben wir die weitesten Spielräume.
Nun geht es in die Tiefe D 4 Claim 1: Ich kürze die Darstellung insoweit ab, als dass es, wenn man sich alle Parameter im Vorfeld „zurechtgebogen“ hat, natürlich in der weiteren Bewertung nur zu dem Ergebnis pro apple kommen kann, insoweit spare ich mir die einzelnen Belegungen des TSM-Test, die in sich schlüssig sind und stelle nur die Ungereimtheiten dar:
- Die Fußnote 6 auf Seite 31 ist hochinteressant, da hier dass PTAB Stellung zur Argumentation reexamination und des summary judgements nimmt. Entscheidende Unterlagen (Exs 4315/4320/4309) hätten damals nicht vorgelegen, insbesondere der Zahlungsstep Kreditkarte aus Billboard Artikel 4309. Außerdem sollen die Publications „considered as a group“ , als in der Gesamtschau betrachtet werden. Auch das klingt jetzt erstmal übel. Bis man auf Seite 32f. mehrere Stellen findet (Exs. 4324, 4318, 4305, an denen erkennbar ist, dass gerade der Punkt Zahlung per kreditkarte auch in der Reexamination behandelt wurde und jetzt hier zitiert wird. da kann ja die Begründung der Fußnote materiell so nicht korrekt sein. Weiterhin verweigert hier das PTAB die Patenthistorie zu berücksichtigen, nach der dies nachweislich durch das "Office" geprüft wurde. Und in der Reexamination wurde im Rahmen einer Gesamtschau über dutzende Patente und Veröffentlichungen und gerade nicht nur auf CompuSonics fixiert festgestellt, das keine Obvioussness vorliegt. Und jetzt soll eine CompuSonics-isoliert-Gesamtschau ein anderes Ergebnis bringen.
- Selbst wenn alles durch prior art abgedeckt wäre muss die Frage „warum sollte dies jemand zusammenführen geklärt werden“. Und da findet sich nach vielem schlüssigen Geplänkeln gegen sightsound mein Highlight in des PTABs Argumentationskette S. 40 letzter Absatz: Further, as the Supreme Court held in KSR, to determine whether there was an apparent reason to combine known elements in the manner claimed, it often will be necessary to “look to interrelated teachings of mult iple patents,” as “in many cases a person of ordinary skill will be able tofit the teachings of multiple patents together like pieces of a puzzle.”
Ich hatte ja bereits mehrmals erwähnt, dass Obviousness in anderen Verfahren immer eine Kombination unterschiedlicher Verfahren bzw. Patente sein müsse. Hätte bislang auch nicht sagen können, wo hier die Rechtsgrundlage für ist.
Da war sie eben: interrelated teachings of multiple patents, fit the teachings of multiple patents
und eben gerade nicht die Darstellung eines Patentes, das alleine nicht für Anticipation nach § 103a ausreicht und dann mal zusätzlich ein paar Darstellungen rechtsrum/linksrum/hintenrum und ich mach mir die Patentwelt, wie sie mir gefällt.
Und die Frage ob diese Ausweitung auf sonstige Publikationen zulässig ist wird eine Kernfrage sein. Aus diesem Grund hatte ich ja vor zwei Wochen auf eine Parallelentscheidung beim PTAB hingewiesen, bei der die Kammer zu dem Ergebnis kam, dass ein Standardentwurf einer Elektotechnikerkammer oder so ähnlich dort vom PTAB abgelehnt wurde. Und diese Kammer hätte nicht so Klimmzüge bezüglich Öffentlichkeit/Zugänglichkeit/Bestimmtheit machen müssen, wie jetzt hier wohl führend Judge Tierney.
Ich spare mir weitgehend die secondary Considerations, da hier ein ewig weiter Interpretationsspielraum vorliegt. Bezeichnend jedoch dass bezüglich der Frage Copying wo sich Zeugenaussagen und der Schriftverkehr sightsound /apple als Beweismittel gegenüberstehen, einfach der Aussage der apple employees geglaubt wird, wir wussten von nix. Hier wird plötzlich die Beweislast von sightsound in den Vordergrund gestellt. Kann man ja den Bankräuber in seinem Fluchtauto losfahren lassen, wenn er behauptet die Geldsäcke auf der Rückbank kämen nicht aus der Bank
Abschließend ab Seite 53 noch die claims 64 und 95, die wegen Hard Disk abweichend von claim 1 sind. Während die sightsound claims die Hard Disc hier zwingend erfordern steht im CopuSonics-Patent sowieso nix hierzu, in einzelnen Publikationen, dass dies ein Speichermedium sein „kann“. Das reicht dem PTAB bereits nach seiner "design-Choice", ein Argument, dass apple nie !!!! angeführt hat aus, ansonsten die Argumentation passend zu claim 1.
Ob all das Wissen was bringt, man dadurch einen größeren Erfolg hat, eine philosophische Frage. Ich weiß aber gerne en detail, warum ich etwas tue.
Und Veyron, Kopierverbot !!, auch für Altfälle, auch in anderen Foren, wenn dann verlinke es von mir aus.
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