Energiekosten und Klimawandel als ArgumenteDie britische Regierung wird voraussichtlich in der kommenden Woche ein klares Bekenntnis zu mehr Strom aus Kernkraft abgeben. Die Hauptargumente dafür sind die wegen der hohen Erdölpreise grössere Wirtschaftlichkeit und der Klimawandel. sev. London, 7. Juli Die britische Regierung wird voraussichtlich Kostenargumente sowie die Erderwärmung anführen, wenn sie - wahrscheinlich in der kommenden Woche - ihr mit Spannung erwartetes Strategiepapier zur Energiepolitik publiziert. Es dürfte ein klares Bekenntnis zu mehr Strom aus Kernkraft enthalten. Atomenergie galt unter der Regierung Tony Blair lange als unwirtschaftlich. Inzwischen hat London aber eine andere Perspektive entwickelt. So hat der britische Industrie- und Handelsminister Alistair Darling im Vorfeld des Strategiepapiers bereits erklärt, dass die hohen Erdöl- und Gaspreise sowie der Klimawandel die Argumente zugunsten der Kernenergie verschoben hätten. Der Minister verwies zudem auf die Energiesicherheit. Für diese glaubt Grossbritannien mit eigenen Kernkraftwerken besser sorgen zu können als mit importierter Energie. Viele Länder wurden sich im vergangenen Jahr ihrer Verletzlichkeit bewusst, als Russland die Gaslieferungen an die Ukraine einstellte. Ernüchterung über erneuerbare EnergieEin Argument, das von der Regierung zwar nicht offen dargelegt werden dürfte, das aber zählt, sind die technischen Probleme und die ökonomischen Grenzen bei den erneuerbaren Energien. Als die Regierung vor drei Jahren ihr letztes grosses Energie-Papier vorgestellt hatte, lag der Fokus klar auf erneuerbaren Energien. Was Kritiker schon damals vermutet hatten, hat sich seitdem bestätigt. Die angestrebte Reduktion der Schadstoff-Emissionen mit Hilfe u. a. von Wind, Wasser und Sonne würde derart teuer, dass sie sich politisch nicht durchsetzen lässt. Der Unternehmerverband (CBI) hat mehrfach vor den Wettbewerbsnachteilen für die Wirtschaft gewarnt. Tony Blair ist der Ansicht, dass das Land eine gute Mischung aus verschiedenen Energiequellen brauche. Derzeit liegt der Anteil des Atomstroms bei 19%. Da jedoch die Lebenszeit einer Reihe von Kernkraftwerken in den nächsten Jahren endet, wird der Anteil ohne den Bau neuer Kraftwerke bis 2020 auf 6% sinken. Private Initiative gefordertDennoch will die britische Regierung offenbar keine Vorgaben zur Zahl neuer Anlagen machen. Dieser Entscheid soll dem Markt überlassen bleiben. Der Privatsektor, so die Absicht, soll die Kosten inklusive Bau, Betrieb und Entsorgung tragen. Dies ist im Sinn der Atomstrom-Anbieter. Branchenführer British Energy hatte vor kurzem erklärt, dass Kraftwerke ohne Subventionen gebaut werden könnten. Kritiker glauben allerdings, dass die Branche zunächst einmal grundsätzlich freie Bahn bekommen will. Politisch ist dies ohne die Aussicht auf Staatsgelder einfacher. Sei die Genehmigung erst einmal erteilt, so die Kritiker, könne bei Kostenüberschreitungen immer noch nachverhandelt werden. Wie teuer ein Kernkraftwerk de facto ist, hängt nicht zuletzt von den politischen Vorgaben ab und davon, wie der Atommüll endgelagert bzw. entsorgt wird. Anstelle staatlicher Förderung sieht die Regierung ihren Beitrag in einer schnelleren Vergabe von Baugenehmigungen. Bis anhin ist es für widerwillige lokale Behörden und Anwohner relativ einfach, grosse Infrastrukturprojekte mit Einsprachen zu blockieren. Das soll ändern. Ganz einfach ist dies allerdings nicht. Die Regierung will die Veto-Rechte offenbar nicht direkt abschaffen, sondern plant vorerst lediglich eine Konsultation darüber. Die Konservativen unterstützen den Kurs der Regierung unausgesprochen. Oppositionsführer David Cameron bemüht sich, seiner Partei zu einem umweltfreundlichen Image zu verhelfen. Er sprach am Donnerstag vor Vertretern der Lokalregierungen von der Notwendigkeit, eine «neue grüne Energie-Revolution» voranzutreiben. Er sieht die Erneuerung alter Kraftwerke als letztes Mittel, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Politisch ist die Befürwortung von Kernenergie in Grossbritannien nicht mehr so kontrovers wie früher. Gemäss einer Mori-Meinungsumfrage von diesem Jahr befürworten 60% der Bevölkerung den Bau neuer Kernkraftwerke, solange gleichzeitig die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien weiterentwickelt und genutzt werden. 63% stimmten zu, dass Grossbritannien Kernkraftwerke als Teil des Energie-Mix brauche, um eine zuverlässige Versorgung zu sichern. |