In einem möglicherweise letzten verzweifelten Versuch zieht der Jukos-Mehrheitseigner Menatep gegen die Zerschlagung des russischen Ölkonzerns vor ein internationales Gericht. Derweil erhöht die russische Regierung den Druck auf das Jukos-Management.
Moskau - "Wir sprechen von der Enteignung unseres Eigentums, und wir werden dies mit allen möglichen rechtlichen Mitteln verteidigen", sagte der Geschäftsführer von Menatep, Tim Osborne, am Samstag der Nachrichtenagentur Interfax. Die Menatep-Gruppe, die rund 60 Prozent von Jukos Chart zeigen kontrolliert, habe wegen der angeordneten Zwangsversteigerung der wichtigsten Konzerntochter Juganskneftegas rechtliche Schritte eingeleitet. De facto bedeutet die Auktion die Zerschlagung von Jukos.
Menatep werde den russischen Staat und den Sieger der Versteigerung im Rahmen der Energie-Charta verklagen, fuhr Osborne fort. Dies ist ein internationaler Vertrag zum Schutz von Investitionen im Energiesektor. Osborne erklärte laut Interfax, der Fall werde wohl in drei Monaten in Stockholm verhandelt werden. Jukos schulde Menatep noch umgerechnet 1,3 Milliarden Euro. Diesen Kredit müsse der neue Eigner zurückzahlen.
Menatep wurde vom inhaftierten früheren Jukos-Vorstandschef Michail Chodorkowski gegründet, der auch der größte Aktionär von Menatep ist. Die Gruppe wiederum hält etwa 60 Prozent des Jukos-Kapitals.
Eine Klage hat wenig Chancen
Die Erfolgsaussichten von Menatep gegen die Versteigerung scheinen begrenzt: Russland hat zwar die Energie-Charta unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Damit ist Experten zufolge unklar, inwieweit Moskau an die Vereinbarung gebunden ist. Mit der Ankündigung der Versteigerung von Juganskneftegas am 19. Dezember hat der Staat wahrscheinlich das Schicksal von Jukos besiegelt: Das Startgebot für den Anteil von 76,79 Prozent des Juganskneftegas-Kapitals beträgt 246,75 Milliarden Rubel (6,6 Milliarden Euro). Dies ist weit niedriger als selbst die äußerst vorsichtige Schätzung der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein, die einen Wert zwischen 11,5 und 13,6 Milliarden Euro errechnet hat. Entsprechend brach der Kurs der Jukos-Aktie am Freitag um über 30 Prozent ein. Die Zwangsversteigerung kündigte der Fonds für Staatseigentum symbolträchtig genau ein Jahr nach der Verhaftung von Vorstandschef Chodorkowski an.
Mit dem Verkaufserlös soll Jukos nach dem Willen des Kremls seine Steuerschulden begleichen. Russlands größter Ölkonzern sieht sich mittlerweile Forderungen für die Jahre 2000 bis 2003 in Höhe von umgerechnet 17 Milliarden Euro gegenüber.
Mit dem Schritt vom Freitag erhielten Vermutungen neue Nahrung, Juganskneftegas werde unter Wert an einen dem Kreml freundlich gesonnenen Käufer gehen, damit sich Moskau so wieder den Zugriff auf den strategisch wichtigen Energiesektor sichern kann. Als mögliche Käufer sind die Erdgaskonzerne Gasprom und Surgutneftegas im Gespräch; Gasprom wies dies am Freitag jedoch erneut zurück.
Kreml macht weiter Druck auf Jukos-Management
Die russischen Behörden setzen nach Angaben von Jukos ihre Angriffe auf den angeschlagenen Ölkonzern fort. In den vergangenen Tagen seien zahlreiche Büros und Wohnungen von Managern der zweiten und dritten Reihe durchsucht worden, sagte ein namentlich nicht genannter Jukos-Aufsichtsrat am Sonntag der Agentur Interfax in Moskau. Gegen Dutzende Firmenangestellte seien strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden.
Die Kampagne erinnere ihn an den Großen Terror des Diktators Josef Stalin aus dem Jahr 1937, sagt ein Manager. "Die Leute haben Angst, nachts zu Hause zu bleiben, sie sorgen sich um ihre Verwandten."
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