Euro-Stärke setzt EZB unter Druck von Tobias Bayer und Mark Schrörs (Frankfurt) Vor dem Zinsentscheid am Donnerstag steigt wegen der Euro-Rally der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), von ihrem geldpolitischen Straffungskurs abzurücken.
EU-Währungskommissar Joaquin Almunia und der Chef der Euro-Finanzminister, Jean-Claude Juncker, zeigten sich verunsichert über die jüngste Euro-Rally. "Langsam beginnt uns der starke Euro zu beunruhigen", sagte etwa Juncker am Freitag vergangener Woche. Beide sehen vor allem die USA in der Pflicht, den Dollar zu stärken. Für die Euro-Rally ist aber auch ein wesentlicher Treiber, dass die US-Notenbank Fed ihren Leitzins bereits gesenkt hat und Beobachter weitere Senkungen erwarten, während die EZB bislang den Eindruck erweckt, sie neige eher einer weiteren Zinserhöhung zu. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kritiserte die EZB offen und warf ihr vor, die europäische Exportwirtschaft zu gefährden. Die EZB wird am Donnerstag den Leitzins nach Ansicht der Experten unverändert bei vier Prozent belassen. Der Euro verbilligte sich am Dienstag erstmals seit fünf Tagen leicht auf 1,4175 $. Der Euro befindet sich gegenüber dem Dollar auf einem beispiellosen Höhenflug. Allein im September hat er zum Greenback über vier Prozent an Wert gewonnen und am 1. Oktober ein Rekordhoch von 1,4282 $ erklommen. Dabei handelt es sich laut Experten vor allem um eine Dollarschwäche. Die Krise am US-Hypothekenmarkt hat die US-Notenbank auf ihrer Septembersitzung dazu bewogen, den Leitzins um 50 Basispunkte auf 4,75 Prozent zu senken. Zwar verzichtete auch die EZB zuletzt auf die angekündigte Zinserhöhung und ließ den Leitzins konstant. Mehrere Ratsmitglieder wie Bundesbankpräsident Axel Weber hatten aber unmittelbar danach angekündigt, dass die Zinserhöhung nur aufgeschoben sei. Diese Aussicht auf eine abnehmende Zinsdifferenz zwischen den USA und Europa gibt dem Euro zum Dollar Auftrieb. Inflations- versus WachstumsgefahrenMit Spannung warten die Beobachter darauf, wie EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag die Risiken für das Wachstum und die Teuerung gewichtet. Bislang hatte die EZB stets den Eindruck erweckt, dass für sie die Inflation das größere Risiko ist - was darauf hindeutete, dass die EZB eher zu weiteren Zinserhöhungen neigt. Ein starker Euro bringt diese Argumentation nun ins Wanken. Einerseits verbilligen sich durch eine Aufwertung der Gemeinschaftswährung die Importe, was Teuerungsgefahren dämpft. Andererseits belastet ein starker Euro theoretisch die Exporte und damit das Wirtschaftswachstum. Beide Effekte sprechen gegen Zinserhöhungen. Die Sorgen um die Euro-Stärke hat inzwischen auch die EZB erreicht. Vertreter der Zentralbank beschränken sich bislang darauf, die Geschwindigkeit einer Aufwertung anzumahnen. So hatte Frankreichs Notenbankchef Christian Noyer vergangene Woche gesagt, rapide Kursbewegungen könnten die Weltwirtschaft "ernsthaft behindern". Auch EZB-Präsident hatte gemahnt, dass "exzessive" Wechselkursbewegungen das Wachstum gefährdeten. Die EZB selbst hat kein Wechselkursziel und ist allein der Inflationsbekämpfung verpflichtet. Volkswirte revidieren ihre ZinserwartungenDie meisten von der FTD jüngst befragten Volkswirte erwarten, dass die EZB am Donnerstag weiter die Inflationsgefahren herausstellen wird. Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, glaubt indes, dass die EZB zu einer neutralen Sicht wechselt. Die Volkswirte von BNP Paribas schreiben indes in einem Researchbericht: "Die EZB wird vielleicht die größeren Risiken für die Konjunktur herausstreichen, aber gleichzeitig ihre Besorgnis über die Inflation wiederholen, was Zinssenkungen in weite Ferne rückt. Die Finanzmärkte sind derzeit der gleichen Ansicht, was sich aber bei einem anhaltenden Anstieg des Euro zum Dollar auch schnell ändern könnte." Dramatisch revidiert haben die Experten in den vergangenen Wochen allerdings ihre Zinserwartungen für 2007. Die Mehrheit geht davon aus, dass die Zentralbank ihren Leitzins bis Jahresende nicht mehr anheben und bei vier Prozent belassen wird. Vor Zuspitzung der aktuellen Probleme an den weltweiten Finanzmärkten Mitte August hatte eine Mehrheit der Volkswirte noch prognostiziert, dass die EZB den Zins bis Jahresende sogar auf 4,5 Prozent erhöht. Zudem hatten sie zunehmend erwartet, dass die Notenbank sich weitere Schritte auf 4,75 oder gar 5,0 Prozent traut. Seit Dezember 2005 hat sie den Satz von 2,0 auf 4,0 Prozent verdoppelt. "Die EZB wird ihren Zins auf absehbare Zeit konstant halten, bis sie die Chance hat, die wahrscheinlichen makroökonomischen Folgen einzuschätzen", sagte James Nixon, EZB-Beobachter der Société Générale. Als Folge der Krise um faule US-Hypothekendarlehen ist es in den vergangenen Wochen zu massiven Spannungen an den Geldmärkten gekommen. Die EZB hat deshalb bereits etliche Milliarden Euro zusätzlich in den Markt gepumpt. Die Sorge ist, dass Banken, die am Interbankenmarkt keine Liquidität mehr erhalten, in Schieflage geraten oder die Probleme über eine eingeschränkte Kreditvergabe in die Realwirtschaft überschwappen. Auch die Euro-Zone ist davon betroffen. Nach Einschätzung der von der FTD befragten Volkswirte hat sich der Ausblick für die Wirtschaft in der Euro-Zone bereits deutlich eingetrübt. Nahezu alle haben für 2008 ihre Wachstumsprognose gesenkt. Im Schnitt erwarten sie nur noch ein Plus von wenig mehr als zwei Prozent - nach 2,3 Prozent im Vormonat. Die EZB hatte im September an ihrer Projektion von 2,3 Prozent Wachstum festgehalten. www.ftd.de |