Mannesmann-Verfahren: BGH sieht Millionenprämien skeptisch
Karlsruhe - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Zweifel an den Freisprüchen für Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und die weiteren fünf Angeklagten im Mannesmann-Prozess. Im Revisionsverfahren in Karlsruhe äußerten die Richter deutliche Skepsis am Urteil des Landgerichts Düsseldorf.
Das Gericht hatte die Ausschüttung von Millionenprämien bei der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone nicht als Untreue eingestuft. Der BGH setzt die Verhandlung am Freitag fort. Mit einem Urteil wird erst in einigen Wochen gerechnet.
Der Senatsvorsitzende Klaus Tolksdorf merkte an, selbst wenn es sich bei der 16-Millionen-Euro-Prämie an Mannesmann-Chef Klaus Esser um ein «verdientes Geschenk» gehandelt habe, müsse überlegt werden, welches Interesse das Unternehmen an der Zahlung hatte. Er hielt es für problematisch, dass es sich um nachträglich ausgeschüttete Prämien handelte, die nicht von vornherein in Essers Vertrag vorgesehen gewesen seien.
Die Verteidiger hielten die Ausschüttung der Prämien, die durch Ackermann sowie den damaligen Aufsichtsratschef Joachim Funk und Ex- IG-Metall-Chef Klaus Zwickel per Präsidiumsbeschluss genehmigt worden waren, schon deshalb für straflos, weil sie ihr Tun für erlaubt hätten halten dürfen. Deshalb seien sie einem «unvermeidbaren Verbotsirrtum» erlegen. BGH-Richter Gerhard von Lienen meldete hier deutliche Zweifel an: Sie hätten ihre Pflicht zur Betreuung des Mannesmann-Vermögens gekannt und gewusst, dass sie nicht zur Prämienzahlung verpflichtet seien.
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft haben sich die Angeklagten wegen Untreue und Beihilfe dazu strafbar gemacht. Durch die Millionenzahlung an Esser sei das Vermögen des Unternehmens geschädigt worden, sagte Bundesanwalt Gerhard Altvater. Die Leistungen Essers seien durch seine vertragliche Vergütung bereits in vollem Umfang abgegolten gewesen.
«Ein Anlass, bereits bezahlte Leistungen ein zweites Mal zu vergüten, bestand nicht», sagte Altvater mit Blick auf den Bonus von fast 16 Millionen Euro, den Esser zusätzlich zu einer Abfindung von rund 15 Millionen Euro erhalten hatte. Weder aus dem Aktienrecht noch aus dem Dienstvertrag des Vorstandsvorsitzenden lasse sich eine Prämie rechtfertigen, «die in ihrer Höhe für den deutschen Wirtschaftsstandort einmalig war».
Der BGH überprüft seit Donnerstag in mündlicher Verhandlung die vor 15 Monaten verkündeten Freisprüche des Düsseldorfer Landgerichts. Das Gericht hatte Prämien und Pensionsabfindungen von insgesamt 57 Millionen Euro für Manager und Ex-Vorstände im Zusammenhang mit der Mannesmann-Übernahme durch den Mobilfunkkonzern Vodafone Anfang 2000 nicht als strafbare Untreue eingestuft.
Ackermann-Verteidiger Eberhard Kempf forderte, eine «Ermessenstantieme» - gerechtfertigt durch den Erfolg des Managers - müsse zulässig sein. Sie sei «ihrem Charakter nach eine Vergütung» und nicht etwa der Griff eines Kassierers in die Kasse. Essers Anwalt Sven Thomas verwies darauf, dass sein Mandant im Übernahmekampf im Interesse der Aktionäre - und damit auch des Unternehmens - gehandelt habe. Der Aufsichtsrat habe über einen uneingeschränkten Ermessensspielraum verfügt.
Altvater widersprach den Verteidigern. Die vom BGH entwickelte Rechtsprechung, wonach bei Risikoentscheidungen die Hürde der strafbaren Untreue höher gelegt werden müsse, um die unternehmerische Freiheit nicht einzuschränken, passe nicht auf den Mannesmann-Fall.
Denn die nachträgliche Ausschüttung von Prämien sei eben keine solche Risikoentscheidung. Deshalb könnten die Angeklagten sich nicht auf einen Ermessensspielraum berufen. «Es ist nicht einzusehen, dass der Angriff auf das Vermögen (...) von innen weniger schwerwiegend sein soll als ein Angriff eines Diebes oder Betrügers von außen», sagte Altvater. Auch Tolksdorf zeigte sich skeptisch, ob diese Grundsätze auf den Fall Mannesmann anwendbar seien.
Zum Auftakt der Verhandlung hatte Tolksdorf die Hoffnung auf ein Grundsatzurteil gedämpft. Das Gericht werde keine grundsätzlich neuen Antworten auf die Frage geben, ob und bei welcher Höhe das Strafrecht Managergehältern Grenzen setze. «Ob Zahlungen in solcher Höhe moralisch zu rechtfertigen sind, ob sie anstößig sind (...), darüber mag man geteilter Auffassung sein.» Für die strafrechtliche Beurteilung spiele das jedenfalls keine Rolle. Gruss Ice
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