Berlin - Der scharfen Kritik von SPD-Chef Franz Müntefering an Auswüchsen des Kapitalismus sollen Taten folgen. Medienberichten zufolge will Müntefering kommenden Montag vom geschäftsführenden Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion eine Arbeitsgruppe einrichten lassen, die auf Basis seiner Kritik konkrete Gesetzesprojekte vorbereiten soll. Die SPD wolle "Sozialstaat, nicht Marktradikalismus", sagte Müntefering. Es müsse für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt gesorgt werden und Unternehmen dürften nicht übernommen und ausgequetscht werden. Der Staat müsse den Rahmen setzen, lenken und steuern, sagte Müntefering.
Der niedersächsische SPD-Fraktionsvorsitzende Sigmar Gabriel plädierte im "Spiegel" dafür, die Vorstandsgehälter in den 30 wichtigsten börsennotierten Unternehmen an den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu koppeln. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) forderte im gleichen Magazin, das geplante Gesetz zur Transparenz von Managergehältern zu verabschieden. Zudem solle es ein Internationales Steuerregister und europäisch abgestimmte Mindeststeuern geben. "Wir müssen ein Gesamtpaket zur Regulierung des Kapitalismus schnüren", sagte der Sprecher der parlamentarischen Linken, Michael Müller.
Die Wirtschaft reagierte auf den neuerlichen Vorstoß mit scharfer Kritik. Der Vorsitzende des Lufthansa-Aufsichtsrats, Jürgen Weber, drohte, sein Amt als Beauftragter der Bundesregierung für Investitionen aus dem Ausland aufzugeben. "Wenn sich herausstellt, daß die Kapitalismuskritik grundsätzlicher Natur ist und die wirkliche Einstellung der politischen Elite in Deutschland reflektiert, dann braucht man keine Organisation ,Invest in Germany" mehr", sagte Weber. Die Diskussion, die Herr Müntefering anzettle, sei höchst gefährlich, weil sie Feindbilder aufbaue und Zweifel an unserer marktwirtschaftlichen Verläßlichkeit bewirke, sagte Weber. Anläßlich des Streits soll es offenbar ein Krisengespräch im Kanzleramt geben, an dem auch die Beauftragten Heinrich von Pierer und Klaus Mangold teilnehmen sollen. Der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, räumte ein, daß die Unternehmer ein Glaubwürdigkeitsproblem hätten und sich "auch der sozialen Verantwortung stellen müssen, bevor wir hier Arbeitsplätze abbauen". |