von Sigrun Schubert
Bis zu vier Stunden haben die Fans zu Hunderten bei Wind und Regen vor dem Konferenzzentrum der Apple-Hausmesse Mac World in San Francisco ausgeharrt. Als Apple-Chef Steve Jobs endlich die Bühne betritt, überstürzen sich die "Ahhs" und "Ohhs", als würde der dreitagebärtige Mann in Jeans und schwarzem Shirt reihenweise Kaninchen aus dem Hut zaubern.
Dann endlich: das Finale. "Das ist der günstigste Mac, den es je gab." Jobs hält ein kleines, weißes Aluminiumquadrat im Zigarrenschachtelformat hoch: den neuen Computer Mac Mini. In der Einstiegsvariante mit einem 1,25-GHz-G4-Prozessor und einer 40-Gigabyte-Festplatte ist das Modell für 489 Euro zu haben. Erstmals in der Geschichte von Apple bietet Jobs einen Billig-Rechner unter der 500-Dollar-Marke an. Damit hofft er, nun auch Käuferschichten zu erreichen, die sich bisher aus Preisgründen für Computer mit dem konkurrierenden Microsoft-Betriebssystem von Herstellern wie Dell oder Hewlett-Packard entschieden haben.
"Das ist ein wirklicher Wendepunkt für Apple", kommentiert Robert Semple, Analyst beim Investmenthaus Credit Suisse First Boston. Bisher ist Apple ein Nischenanbieter: Der Weltmarktanteil bei Computern liegt bei unter drei Prozent. Mit den zwar sehr eleganten, aber auch wesentlich teureren Macs aus der bestehenden Produktpalette fiel es Apple bislang schwer, neue Kunden zu gewinnen. Nach Angaben von Credit Suisse First Boston gingen knapp 80 Prozent der Computer, die 2004 verkauft wurden, für unter 1200 Dollar über den Ladentisch. Bis auf den eMac für 799 Dollar hatte Apple den preisbewußten Kunden bislang nichts zu bieten. "Jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr, nicht auf Apple-Rechner umzusteigen", sagt Jobs.
1,3 Kilo schwer und fünf Zentimeter hoch ist der Mac Mini tatsächlich minimalistisch. Zudem wird er ohne Bildschirm und Tastatur geliefert: Jobs spekuliert auf PC-Nutzer, die einen neuen Computer kaufen wollen, Bildschirm und Tastatur aber bereits zu Hause haben. Der Haken: Wer seinen Computer aufrüsten will und neben Tastatur, Maus und Monitor auch noch einen drahtlosen Internet-Anschluß, mehr Arbeitsspeicher und DVD-Brenner dazukauft, landet schnell bei über 1000 Dollar.
Ein Schnäppchen ist der Rechner dann nicht mehr. Markt- beobachter schätzen, daß ähnlich ausgestattete Rechner von Dell oder Hewlett-Packard bereits für 100 bis 150 Dollar weniger zu haben sind. Zudem läuft der Mac Mini mit dem älteren Prozessor G4 und nicht mit dem leistungsstärkeren G5, der in den neuen i-Macs zu finden ist.
Fachleuten zufolge ist der neue Mac Mini dennoch mehr als ein geschickter Marketing-Schachzug. "Der Mini-Mac bietet wirklich gute Technologie zu einem Preis, der auch für PC-Nutzer angenehm ist", sagt Marktforscher Michael Gartenberg von Jupiter Research. "Auch bei anderen Billig-Rechnern muß der Nutzer oft noch nachrüsten."
Nicht ohne Grund ist das Interesse auch in Deutschland schon jetzt erheblich, obwohl der Rechner hierzulande erst am 29. Januar auf den Markt kommt. Die Zahl der Vorbestellungen ist bereits so groß, daß die Apple-Webseite die Lieferzeit in den USA mit drei bis vier Wochen angibt.
Eines der stärksten Verkaufsargumente für den neuen Mac liefert ironischerweise die Konkurrenz: Sicherheitslücken, Virenattacken und Spion-Software haben die Microsoft-kompatiblen Rechner bei vielen Nutzern in Verruf gebracht. "Für Nutzer, die sich deshalb schon überlegten, auf einen deutlich weniger gefährdeten Mac umzusteigen, bietet der Mini eine gute Alternative", sagt Marktforscher Gartenberg. Ihm zufolge hat der neue Kleincomputer gute Chancen, allen anderen PC-Herstellern gleichermaßen Marktanteile abzujagen. Daß die Konkurrenz nun ähnliche Produkte auf den Markt bringt, hält er indes für unwahrscheinlich: "Die meisten sind ja schon im Niedrigpreis-Segment aktiv." Laut Steve Baker, Analyst beim Marktbeobachter NPD, hat der Mac Mini die besten Chancen als Zweit- oder Dritt-Computer. "Als Unterhaltungsrechner für Musik, Fotos oder in Kombination mit dem Fernseher eignet er sich gut", sagt Baker. Als Hauptrechner sei die Speicherkapazität jedoch zu gering.
Noch vor zwei Jahren hätten Marktbeobachter den Mac Mini als unsinnig abgetan. Doch seit Apple vor drei Jahren den ersten i-Pod vorgestellt hat - einen festplattenbasierten MP3-Spieler, der mehrere tausend Songs speichern kann -, hat Vorstandschef Jobs bewiesen, daß nicht nur der Preis, sondern auch Nutzerfreundlichkeit, Design und der Cool-Faktor einer Marke zählen.
Tatsächlich schwimmt Apple derzeit auf einer Erfolgswelle: Zehn Millionen i-Pods hat das Unternehmen seit Markteinführung verkauft, 4,6 Millionen davon allein im jüngsten Weihnachtsgeschäft. Mehr noch: Durch den i-Pod haben Millionen von Microsoft-Nutzern erstmals ein Produkt von Apple in die Hand bekommen. Weil sich das Gerät so einfach bedienen läßt, überlegen einer Umfrage des US-Investmenthauses Piper Jaffray zufolge 13 Prozent der i-Pod-Fans, vom Personal Computer auf einen Macintosh umzusteigen. Mit Blick darauf sprechen Experten vom "Halo-Effect" des i-Pods, demzufolge der Glanz eines besonders begehrten Produkts auf andere Apple-Produkte ausstrahlt und auch deren Beliebtheit steigert.
Die jüngsten Quartalsergebnisse zumindest scheinen das zu bestätigen. So stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal um 74 Prozent auf 3,5 Milliarden Dollar, der Gewinn vervierfachte sich auf 295 Millionen Dollar - laut Apple-Finanzvorstand Peter Oppenheimer das beste Quartalsergebnis der Konzerngeschichte.
Das größte Plus gab es bei den i-Pods, deren Verkaufszahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 525 Prozent stieg. Auch die Computersparte profitierte vom MP3-Spieler: Hier betrug der Zuwachs 26 Prozent und so das 2,5fache des Wachstums des PC-Gesamtmarktes. Damit hat Apple das erste Mal seit September 2000 bei Computern Marktanteile gewonnen.
Doch so positiv die Aussichten für den Mac Mini sind: Daß der Miniaturrechner über Nacht zum Massen-Phänomen wird und den Erfolg des i-Pods wiederholen kann, wird allgemein noch bezweifelt. Vor allem weil die Rivalen Dell, Hewlett-Packard oder Medion im Niedrigpreis-Segment über ihre bestehenden Vertriebskanäle mehr potentielle Kunden erreichen. "Wenn Apple sich ernsthaft in den Massenmarkt bewegen will, muß das Unternehmen auch seine Vertriebsstrategie ändern", bestätigt NPD-Marktforscher Baker. Und nicht nur hier besteht Nachholbedarf: Überdies geben Microsoft und Chiphersteller Intel gemeinsam jährlich 18mal so viel für Forschung und Entwicklung aus wie Apple.
Entgegen skeptischer Prognosen hat Vorstandschef Jobs sein Unternehmen vom Nischenanbieter mit schwindenden Marktanteilen erfolgreich zu einem Hersteller kultiger Unterhaltungselektronik ausgebaut. Jetzt muß sich zeigen, ob der Manager noch weitere Produkte auf den Markt bringen kann, die auf der Erfolgswelle des i-Pods mitschwimmen können.