Niels Stolberg krempelte mit seiner Bremer Reederei Beluga die Branche um. Dann geriet der Vorzeigeunternehmer in Not und ließ sich mit einem gefährlichen Partner ein: dem US-Hedge-Fonds Oaktree. Nun ist Stolberg entmachtet, die Staatsanwaltschaft ermittelt, und Beluga droht zu versinken.
Spiekeroog. Ausgerechnet auf seiner Hoffnungsinsel sitzt Niels Stolberg fest. Wo er sich vor Jahren erst ein Ferienhaus bauen wollte. Dann gleich ein paar Ferienwohnungen dazuplante, "weil es sich besser rechnet". Dann ein Hotel eröffnete, ein Künstlerhaus, zwei Restaurants, den Insel-Buchladen. Bis sich die Insulaner über den Festland-Investors so in die Wolle kriegten, dass im Kurmittelhaus Schlichtungssitzungen anberaumt werden mussten. Auf Spiekeroog hat Stolberg sich nun zurückgezogen, geht nicht ans Telefon und muss zusehen, wie sein Lebenswerk zwischen den Fingern zerrinnt wie der feine Sand im Osten der Insel, wo er im Sommer so gerne mit seinen Töchtern herumtobt. Spiekeroog war einer der Orte für die großen Visionen des Niels Stolberg . Nun ist es sein Fluchtort.
Die Ereignisse rund um den Bremer Unternehmer haben sich in den vergangenen Tagen überschlagen. Stolberg hatte mit seiner Reederei Beluga in wenigen Jahren den Marktführer für Schwerguttransporte aufgebaut. Er hat mit alten Traditionen gebrochen, ist angeeckt und wurde doch in die Gilde der hanseatischen Kaufleute aufgenommen. Stolberg war Beluga und Beluga war Stolberg. Nun ist er gestürzt - und droht sein Unternehmen mitzureißen. Was seit einer Woche rund um die Bremer Reederei passiert ist, liegt weitgehend im Dunkeln. Von Insolvenz ist plötzlich die Rede, von Betrug, von Lügen, von einem Machtkampf mit dem Hedgefonds Oaktree, der seit vergangenem Jahr Stück für Stück die Kontrolle über Beluga an sich gerissen hat. Seit Dienstag ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft gegen Stolberg und einige seiner Mitarbeiter. Der Vorwurf: schwerer Betrug. "Die Beschuldigten stehen in dem Verdacht, seit dem Jahr 2009 Umsatzerlöse im dreistelligen Millionenbereich falsch ausgewiesen und hierdurch insbesondere Kapitalgeber getäuscht haben", teilte die Behörde mit. Stolberg und sein Anwalt schweigen zu diesen Vorwürfen. Wer solche Behauptungen aufstelle, "der kann nicht richtig ticken oder hat zu viel getrunken", schimpfte Stolbergs Anwalt Hanns Feigen im "Weser Kurier". Kommende Woche wollen sie mit den Staatsanwälten reden. Bislang hat Stolberg nur eines gesagt: "Ich laufe nicht weg." Noch ist unklar, wer von dem Chaos profitiert und wer verliert. Wer wen über den Tisch gezogen hat. Wer Täter ist, und wer Opfer. Im Jahr 2010 hatte Beluga die Krise voll erwischt, die wirtschaftliche Lage war angespannt. Die Spezialreederei hatte Probleme Aufträge zu bekommen und die gecharterten Schiffe auszulasten. Die Finanzverbindlichkeiten der Gruppe stiegen, Ende 2009 auf rund 57 Mio. Euro. Stolberg musste sein Unternehmen retten - und entschloss sich zu einem fatalen Schritt. Für eine Finanzspritze von mehr als 100 Mio. Euro holte er sich im Sommer den amerikanischen Hedgefonds Oaktree an Bord und übertrug ihm rund ein Drittel der Anteile seiner Beluga Group. Ausgerechnet Oaktree.
Teil 2: Der Showdown
In der Szene wunderte sich damals mancher, gilt Oaktree doch als reinrassiger Restrukturierer, der gerne harte Bandagen anlegt. Über den Aufkauf von Krediten und monatelange, mühsame Verhandlungen hatte sich Oaktree mit anderen Fonds 2010 in Deutschland unter anderem den fränkischen Bootsbauer Bavaria Yacht und den Autozulieferer Honsel aus dem Sauerland einverleibt. Den Aluminiumoxidhersteller Almatis aus Frankfurt zwangen die Amerikaner gar in ein US-Insolvenzverfahren. Der Investor ist einer der weltgrößten Spezialisten für Problemkredite: Allein 2010 hat Oaktree fast 8 Mrd. Dollar für solche Investitionen eingesammelt. Nun zogen sie in die Prachträume des Beluga-Tower am Weserufer ein.
Als Wachstumsinvestition verkauften Stolberg und Oaktrees Deutschlandchef Hermann Dambach den Deal damals. "Während andere nach der Krise noch ihre Wunden lecken, greifen wir an", sagte Stolberg. Doch die Wirkung blieb aus. Zu hoch waren die Verpflichtungen, die das Unternehmen eingegangen ist. Von April 2010 bis Ende 2012 muss Beluga 13 Schiffe im Wert von 500 Mio. Euro abnehmen und bezahlen. 85 Prozent dieser Kosten haben Banken zugesagt, das Eigenkapital benötigte Beluga aber von außen, da bei Fondsspezialisten wie HCI Capital nichts mehr zu holen war. Im Februar wurde eine weitere Finanzspritze erforderlich, Oaktree zahlte rund 10 Mio. Euro und stockte den Anteil auf 49,5 Prozent auf. Damit verlor Stolberg seine Mehrheit, gut zwei Prozent der Anteile hält die Familie Schadeberg, der auch die Krombacher-Brauerei gehört. Seitdem stieg der Druck. Vergangene Woche dann der Showdown. Am Donnerstag wurde Stolberg in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung entmachtet, Oaktree übernahm endgültig das Ruder. "In dieser Dramatik war das völlig unerwartet", wie es ein Insider formuliert. In dem Protokoll der Sitzung heißt es: "Die dem Geschäftsführer Herrn Niels Stolberg erteilte Einzelvertretungsbefugnis (...) wird hiermit mit sofortiger Wirkung widerrufen." Unterzeichnet ist das Dokument von Roger Iliffe, dem neuen ersten Mann an Bord. Der Brite war bereits im Sommer 2010 von Oaktree installiert worden. Als Restructuring Officer sollte er die Neuausrichtung und Konsolidierung des angeschlagenen Unternehmens begleiten. Nun ist er der Herr im Beluga-Tower, unterstützt von einer Garde Vertrauter, die alle wichtigen Positionen besetzen. Zehn Minuten sollen Stolberg und seine Entourage Zeit gehabt haben, um die Zentrale zu räumen. "Er hat Oaktree wohl unterschätzt", sagt einer, der die Verhältnisse kennt. "Jetzt hat er es mit Leuten zu tun, mit denen nicht zu spaßen ist." Wahrscheinlich wusste Stolberg zu diesem Zeitpunkt bereits, was ihm blühte. Am Tag zuvor hatte er sich von einem seiner Ehrenämter in der Stadt zurückgezogen: aus dem Aufsichtsrat von Werder Bremen. "Meine ganze Konzentration und Kraft muss ich in dieser Phase meinen unternehmerischen Herausforderungen widmen," begründete er seinen Schritt. Doch da war es schon zu spät, der steile Aufstieg des Niels Stolberg am Ende.
Teil 3: Angekommen im Kreis der Schaffer
Auf seinen ungewöhnlichen Lebenslauf war der Selfmade-Unternehmer immer stolz: Offiziersassistent bei der Deutschen Dampfschifffahrtsgesellschaft, Nautikstudium, Kapitänspatent mit nur 24 Jahren. Dann erst stieg er ins Reedereigeschäft ein und machte sich 1995 mit einem Kompagnon selbstständig. Dass er von den alteingesessenen Reedern misstrauisch beäugt wurde, erfüllte ihn immer mit Genugtuung. Vor drei Jahren wurde er dann in den Kreis der Schaffer aufgenommen, jene exklusive Gruppe von Kaufleuten und Kapitänen, die seit dem 16. Jahrhundert im Bremer Wirtschaftsleben das Sagen hat. Stolberg war angekommen, in Rekordzeit. "Dass es bei mir so schnell gegangen ist, hat mich gewundert", sagte er damals. Bei seiner ersten Schaffermahlzeit erschien er in Frack und weißer Weste, so wie es die Tradition will.
Sonst hat er die Tradition gebrochen, wo er nur konnte. Anders als die hanseatischen Konkurrenten residiert Stolberg nicht in den feinen Bremer Stadtteilen Schwachhausen oder Oberneuland, sondern im 70 Kilometer entfernten Dreibergen am Zwischenahner Meer. Golf? Spiele er nicht, sagte er einmal. Charity-Events? "Finde ich zum Kotzen." Er hatte eigene Hilfsprojekte, galt als blendender Verkäufer, stets offensiv. Nun droht alles zusammenzubrechen. Oaktree führt im Hintergrund Gespräche mit den Banken und den Investoren, die über ihre Fonds die von Beluga gecharterten Schiffe finanziert haben. "Oaktree spielt die harte Karte, sie drohen mit Insolvenz, um möglichst viel herauszuschlagen", sagt einer. Ansonsten halten sich die Emissionshäuser und Banken bedeckt. Seit vergangenem Donnerstag stünden sie permanent in Kontakt mit Oaktree einerseits, mit den Beiräten der Fonds und den Anlegern andererseits, sagt eine Sprecherin von HCI Capital. "Wir versuchen für unsere Anleger das Beste herauszuholen", sagt sie. Das Geld der Anleger sei aber nicht in Gefahr. "Die Schiffe gehören den Anlegern und die Schiffe sind da." Die Geschehnisse bei Beluga lehren, dass es eben doch keine Wachstums- sondern eine Restrukturierungsstory ist. Und zwar - auch für Oaktree-Verhältnisse - eine ziemlich unappetitliche. Die Amerikaner fühlen sich von Stolberg betrogen. In Schifffahrtskreisen wird jedoch seit Tagen gerätselt, ob das die ganze Wahrheit ist. Hat da wirklich nur Stolberg Oaktree über den Tisch gezogen? Oder ist der Unternehmer womöglich Täter und Opfer zugleich? Schließlich sind Investoren wie Oaktree dafür bekannt, die Geschäftszahlen vor einem Einstieg ganz besonders genau zu prüfen. Erst recht bei Familienunternehmen, deren Bilanzen mit börsennotierten Firmen kaum zu vergleichen sind. "Stolberg dominierte über 15 Jahre sein Unternehmen, in solchen Fällen gibt es in Bilanzen immer Toleranzspielräume", so ein Insider. Vielleicht geht es auch um etwas anderes: "Oaktrees Motiv könnte sein, sich billig den ganzen Laden unter den Nagel zu reißen."
http://www.ftd.de/finanzen/investmentfonds/...ei-beluga/60023511.html |