Leitartikel: Ölfelder - Zu früh zum Jubeln Megafunde wie der von BP im Golf von Mexiko sind noch kein Anlass zur Euphorie. Es kommt nicht nur darauf an, neue Vorkommen zu entdecken, sondern sie müssen am Ende auch das wirtschaftliche Potenzial bergen, um erschlossen zu werden. Wer bei der Börsenreaktion auf einen Fund gewaltiger Ölvorkommen im Golf von Mexiko ein Déjà-vu-Erlebnis hatte, braucht nicht an seiner geistigen Gesundheit zu zweifeln. Das Gefühl, das alles schon einmal erlebt zu haben, ist begründet: Vor drei Jahren war es der Ölkonzern Chevron , der gigantische Funde im Golf von Mexiko verkündete - die Aktie schoss um neun Prozent in die Höhe. Am Mittwoch war es BP , und der Aktienkurs des Energieriesen legte in einem schwachen Gesamtmarkt immerhin um vier Prozent zu. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Jubelmeldungen über vermeintlich spektakuläre Entdeckungen - von denen später aber seltsamerweise meist nie mehr die Rede war. Vor diesem Hintergrund ist es befremdlich, dass derlei Nachrichten Anleger dennoch jedes Mal aufs Neue verzücken. Die Ölkonzerne selbst haben natürlich einen Anreiz, Euphorie zu schüren: Sie können die Funde als Kapitalasset verbuchen und direkt in die Bilanz nehmen - und sie damit zunächst einmal aufhübschen. Dass sich die Hoffnungsträger später oft als Fehleinschätzung herausstellen und die Konzerne dazu zwingen, die Bilanz zu revidieren, kümmert sie nicht. Die meisten Megafunde der vergangenen Jahre haben eines gemeinsam: Sie wecken Fantasien, das Schreckensszenario auslaufender Ölreserven könnte mit einem Schlag doch wieder in weite Ferne rücken. Doch so schnell wird das nicht geschehen. An den Märkten scheint eine fast unauslöschliche Fehlwahrnehmung vorzuherrschen: dass der Welt eine Versorgungslücke droht, weil es irgendwann gar kein Öl mehr gibt. Diese Befürchtung ist in dieser Form falsch. Knapp wird vielmehr Öl, das sich so günstig erschließen lässt, dass Konzerne die nötigen Investitionen wagen. Ob es nun kanadische Ölsandfelder sind oder neu entdeckte Vorkommen in Tausenden Metern Meerestiefe wie am Mittwoch: Die Förderung von industriell verwertbarem Öl kostet mehrstellige Milliardenbeträge - und wird deshalb nach ersten Tests oft gar nicht in Angriff genommen. Die zunehmend extremen Schwankungen des Ölpreises dämpfen zudem die Investitionslust der Unternehmen. Im Juli 2009 kostete ein Fass noch 147 $, schon fünf Monate später nur noch 34 $. Die nötigen Investments in die Förderung sind dagegen sehr langfristig und entsprechend riskant. Den Energiekonzernen scheint der Mut zu fehlen, diese Risiken auf sich zu nehmen. Dabei ist der Niedergang der leicht erreichbaren Felder mit hochqualitativem Öl im Gange. Damit ist auf lange Sicht ein Preisanstieg absehbar, allen kurzfristigen Schwankungen zum Trotz. Statt an das langfristige Marktgleichgewicht denken die Konzerne offenbar lieber an kurzfristige Dividendenzahlungen an die Aktionäre. Dieses Jahr reduzieren sie ihre Ausgaben für neue Projekte Schätzungen zufolge um 170 Mrd. $. Es ist möglich, dass BP mit seinem neuesten Fund tatsächlich etwas anfängt. Davon ausgehen sollte man lieber nicht.
Aus der FTD vom 03.09.2009 © 2009 Financial Times Deutschland |