Kommentar unter faz.de über denselben Sachverhalt:
http://www.faz.net/s/...4688F45DF086FC2601~ATpl~Ecommon~Scontent.html "Rausschmiss bei Kerner
Wie Eva Herman den Fernsehtod starb
Von Jörg Thomann
Der Abgang: Herman räumt ihren Sessel, Mario Barth rückt auf 10. Oktober 2007 Das Fernsehen liebt Skandale, und es liebt die reuigen Sünder. Wer einmal ausgeschlossen wurde aus der großen, sich harmonisch gebenden Fernsehfamilie, weil er sich öffentlich um Kopf und Kragen geredet oder durch private Eskapaden diskreditiert hatte, der darf damit rechnen, nach einer gewissen Schamfrist wieder in die Arme geschlossen zu werden: Egal wie groß das Vergehen war, niemand bleibt auf Dauer ausgegrenzt, denn er hat schließlich eine Geschichte zu erzählen. Und eine gute Story lassen sich die Medien und besonders das Fernsehen auf keinen Fall entgehen.
So war nur einen Monat, nachdem sie wegen umstrittener Sätze zur Familienpolitik im Dritten Reich von ihrem Arbeitgeber, dem Norddeutschen Rundfunk, entlassen worden war, auch Eva Herman der Weg zurück in die oberflächlich heile Medienwelt geebnet worden. Die „Bild“-Zeitung, wo man genau weiß, dass zur eigenen Leserschaft eben nicht jene überzeugten Feministinnen zählen, gegen die Herman mit ihren Werken zu Felde zieht, war der Buchautorin und ehemaligen Moderatorin frühzeitig entgegengekommen; am gestrigen Dienstag hatte das Blatt Herman mit der Titelschlagzeile geehrt, sie sei bei ihrem Auftritt beim „Forum Deutscher Katholiken“ (einer „papst- und kirchentreuen“ Plattform) bejubelt und gefeiert worden. Am Abend desselben Tages sollte sie zu Gast bei Johannes B. Kerner sein, wo sich traditionsgemäß die Mühseligen und Beladenen versammeln. Kerner hatte Herman schon Tage nach dem Skandal eingeladen, war jedoch von seinem Sender zurückgepfiffen worden: „Wir als Redaktion akzeptieren die Entscheidung des ZDF“, hatte Kerner damals gesagt. Nun akzeptierte das ZDF die seine. Doch der Abend, der die Rückkehr der verlorenen Tochter in die Fernsehgemeinde hätte besiegeln können, endete in einem Eklat, der nicht geplant war. Jedenfalls nicht von Eva Herman.
Schaulaufen für den Fernsehpreis
Herman redet, Kerner und Senta Berger hören zu
Zwei- bis dreimal im Jahr will der als Moderator meist zahnlose Johannes B. Kerner unbedingt demonstrieren, dass er auch kraftvoll zubeißen kann. Es sind solche Sendungen, bei denen er weiß, dass sich nicht nur sein Stammpublikum in den Schlaf säuseln lassen möchte, sondern - wie etwa bei seinem Fernsehtribunal gegen den betrügerischen Schiedsrichter Hoyzer - sich weit wachere Augen auf ihn richten. Dann zeigt sich Kerner so investigativ und kämpferisch wie bei einem Schaulaufen für die Juroren des Deutschen Fernsehpreises. Eva Herman hätte also gewarnt sein müssen, auch beim Blick auf die weitere Gästeliste. Neben dem als harmlos einzustufenden Komiker Mario Barth stand dort Margerethe Schreinemakers, die Herman schon öffentlich kritisiert hatte, die als frauenbewegt bekannte Senta Berger sowie der Historiker und NS-Experte Wolfgang Wippermann. Einer solchen Übermacht zeigte sich Herman, obzwar selbst ein Medienprofi, intellektuell und emotional nicht gewachsen.
Zumal sich schon mit seinen ersten Sätzen auch Kerner klar positionierte. Eva Herman, sagte er bei ihrer Vorstellung, habe sich „ein wenig verharmlosend zur Familienpolitik im Dritten Reich“ geäußert - genau das aber streitet Herman ständig ab. Der Tonbandmitschnitt dessen, was sie gesagt hat auf jener ominösen Pressekonferenz am 6. September in Berlin, wurde den Zuschauern vorgespielt und anschließend einer erschöpfenden Textkritik unterzogen - viel Ehre für eine Passage, die, wie Margarethe Schreinemakers zu Recht einwarf, vor allem „durcheinander und kraus“ ist:
Fehler, sagt sie, habe sie keine gemacht
„Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68er wurde damals praktisch alles das alles, was wir an Werten hatten, es war ‘ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, aber es ist damals eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben….“
Der erste Teil dieses Wortwirrwarrs, von der Presse beim Zitieren mitunter weggelassen, steht im Widerspruch zum zweiten. Während im ersten Nazis und 68er gemeinsam das Mutterbild zerstörten, sind es im zweiten nur die 68er, die das, was auch unter den Nazis noch „gut war“, abschafften. Auf den ersten Teil setzt Herman bei ihrer Verteidigung, sie spricht auch bei Kerner von einem „abgeschnittenen Halbsatz, aus dem Zusammenhang gerissen“ und sagt: „Ich habe in dem Fall keinen Fehler gemacht.“
„Unzulässige Kündigung“
Von Minute zu Minute wird der Ton gereizter
Ihre Strategie, alle Schuld auf die Medien abzuwälzen, ist riskant und doch logisch. Jegliches Eingeständnis einer Mitschuld würde nicht nur Hermans gar nicht geringe Anhängerschaft enttäuschen, sondern auch ihre Aussichten im Prozess gegen den NDR schwächen, den sie wegen „unzulässiger Kündigung“ verklagt hat. Das weiß auch Kerner, der es sich dennoch nicht nehmen lässt, bei der „Eva“ mehrfach nachzufragen, ob sie „seitdem etwas gelernt“ habe. Prompt stürzt sich Herman noch tiefer ins Unglück: Sie habe nur gelernt, dass wer „sich heute für Kinder einsetzt“, sofort mit der „braunen Keule“ attackiert werde. Gottlob setzen sich selbst in unserer weitgehend unsolidarischen Gesellschaft etliche Menschen tagtäglich, wenn auch nicht so laut wie Eva Herman, für Kinder ein, ohne von jemandem bedroht zu werden; es gäbe auch gar keinen Anlass dazu.
Eva Herman gibt eine erbärmlich schlechte Figur ab, was die anderen nach Kräften unterstützen. Der Historiker Wippermann hält einen ausführlichen Vortrag über die menschenverachtende Familienpolitik der Nationalsozialisten, den die immer wieder im Großbild gezeigte Herman mit düsterem Blick und gerunzelter Stirn verfolgt: „Vielen Dank für den Geschichtsunterricht.“ Sie beklagt, dass Deutschland die niedrigste Geburtenrate Europas habe, und muss sich von Senta Berger korrigieren lassen, die sie zudem mit sanfter Stimme über die Errungenschaften der Revolte von '68 aufklärt. Die Diplom-Soziologin Schreinemakers gibt sich einfühlsam: Herman habe sich zu viel „auf die Schulter gepackt“ und hätte das „jetzt zugeben können“. Sie selbst habe überdies schon 1994 in ihrer Sendung eine Entlastung der Familien gefordert. „Aber Margarethe, über deine Sendung redet heute keiner mehr, aber über meine Bücher redet man“, entgegnet Herman. Sie hat recht und doch verloren: Solche Arroganz kommt beim Publikum gar nicht an.
Spiel mit dem Feuer
Keine reuige Sünderin
Mehrfach, sagt die zunehmend aufbrausende Herman, habe sie sich auf besagter Pressekonferenz von der NS-Politik distanziert. Doch welchen Anlass hätte ein Autor, sich bei der Präsentation seines Buches mehrfach unaufgefordert vom Dritten Reich zu distanzieren, wenn er nicht genau wüsste, dass er mit dem Feuer spielt? Bei Kerner beklagt sich Herman zum wiederholten Male, dass RTL einen vermeintlich entlastenden Mitschnitt nicht herausgebe, und muss sich von Wippermann „Verschwörungspathologie“ attestieren lassen.
Der keineswegs stets sachliche Historiker - „Moderatorinnen gab's im Dritten Reich nun mal nicht“ - scheint immerhin als einziger der Ankläger Eva Hermans Worte gelesen zu haben, welche am 9. September die „Bild am Sonntag“ zitierte:
Dann folgt die vorzeitige Verabschiedung
„Was ich zum Ausdruck bringen wollte, war, dass Werte, die ja auch vor dem Dritten Reich existiert haben, wie Familie, Kinder und das Mutterdasein, die auch im Dritten Reich gefördert wurden, anschließend durch die 68er abgeschafft wurden. Vieles, was in dieser Zeit hochgehalten wurde, wurde danach abgeschafft.“
Warum nur las Kerner dieses ganz und gar unmissverständliche Zitat nicht vor, gedruckt zwei Tage nach der Pressekonferenz? Die unergiebige Debatte über verdrehte Worte und Tonbandmitschnitte wäre sofort beendet gewesen.
Ich muss jetzt gehen
Die vielen Gesichter der Eva H.
So aber fühlte sich Herman noch zur Behauptung berufen, „dass man über den Verlauf unserer Geschichte nicht sprechen darf, ohne in Gefahr zu geraten“, und schob ein weiteres schwieriges Beispiel nach: „Es sind auch Autobahnen gebaut worden, und wir fahren drauf.“ Diese Aussage, die rein faktisch völlig korrekt und in ihrer Verknappung doch wiederum eine scharfe Provokation ist, machte das Maß voll. „Das kannst du so nicht sagen“, empörte sich Schreinemakers, und auch Kerner erklärte: „Autobahn geht halt nicht, finde ich.“ Als Senta Berger „Ich muss jetzt gehen“ sagte und Schreinemakers sich anschließen wollte, sprach Kerner jene Worte, von denen er gewiss wusste, dass sie ihm die Schlagzeilen des nächsten Tages sichern würden - dass er lieber „dich, Eva, verabschiede und mit meinen drei Gästen weiterrede“.
Als Geschlagene verließ Herman das Studio, in dem Kerner noch gut zwanzig Minuten mit den verbliebenden Dreien Belanglosigkeiten austauschte. Doch es war ein fragwürdiger Triumph des Moderators über eine angeschlagene Gegnerin, die nicht klug genug war, sich diesen Auftritt zu ersparen. Ob gewollt oder nicht: Spätestens jetzt ist Eva Herman zur Märtyerin all jener geworden, die überzeugt davon sind, dass es in diesem Land kein Recht auf freie Rede gebe.
Der Ausschluss Eva Hermans aus der laufenden Sendung hat Johannes B. Kerner einen Quotenrekord eingebracht. Rund 2,65 Millionen Zuschauer sahen die Show, wie Media Control am Mittwoch in Baden-Baden mitteilte. Das entsprach einem Marktanteil 18,1 Prozent. Kerner erzielte damit die höchste Einschaltquote des Jahres mit seiner Sendung. Auf besonderes Interesse stieß den Angaben zufolge die Sendung bei Erwachsenen ab 65 Jahren. 1,17 Millionen Zuschauer dieser Altersgruppe schalteten ein, was einem Marktanteil von 29 Prozent entsprach. (dpa) |