von Anja Krüger (Köln)
Die Beweisaufnahme im Verfahren DaimlerChrysler gegen ein Konsortium aus acht Managerhaftpflicht-Versicherern, das von der US-Gesellschaft ACE geführt wird, beginnt nach FTD-Informationen am 9. Januar vor dem Stuttgarter Landgericht.
Der Autobauer kämpft darum, dass die Versicherer einen Teil der Entschädigung in Höhe von 300 Mio. $ übernehmen, die der Konzern 2003 an verärgerte Chrysler-Aktionäre zahlte. Der Prozess ist das erste große Verfahren zur Regulierung eines Schadens in der Managerhaftpflichtversicherung in Deutschland und könnte die Weichen stellen für den künftigen Umgang der Gerichte mit diesem Thema.
Der damalige Konzernchef Jürgen Schrempp hatte im Oktober 2000 in einem Interview erklärt, beim Zusammenschluss von Daimler und Chrysler habe es sich nicht - wie öffentlich bekundet - um eine Fusion unter Gleichen gehandelt, sondern vielmehr eine Übernahme Chryslers durch Daimler. Chrysler-Aktionäre fühlten sich getäuscht, verlangten Schadensersatz in zweistelliger Milliardenhöhe und zogen vor Gericht. DaimlerChrysler einigte sich mit ihnen auf die Zahlung von 300 Mio. $.
Davon will der Konzern einen großen Teil von Versicherern zurückhaben. Er hatte für sein Führungspersonal eine sogenannte Directors' and Officers' Liability Insurance (D&O) mit einer Deckungssumme von 200 Mio. Euro abgeschlossen. Mit D&O-Policen sichern Unternehmen Manager gegen Haftungsansprüche ab, die aus deren Berufstätigkeit entstehen. Die Prämie zahlt die Firma, versichert sind Vorstände, Aufsichtsräte oder Geschäftsführer.
Haftung für Ex-Chef wird eingeklagt
Bei Verträgen mit Deckungssummen in dreistelliger Millionenhöhe übernimmt nie ein einzelner Versicherer das gesamte Risiko. Die Deckungssumme wird in Schichten geteilt - sogenannte Layer, die von einzelnen oder einer Gruppe von Versicherern übernommen werden. Kommt es zum Schaden, wird für die Regulierung ein Layer nach dem anderen herangezogen. Im Fall DaimlerChrysler ist der erste Layer bereits abgewickelt. Ihn hatte der US-Versicherer AIG übernommen. AIG zahlte 25 Mio. Euro.
Dieses Geld sei aber nur für Anwaltshonorare und Gerichtsgebühren verwendet worden, heißt es in Versicherungskreisen. Bei vielen D&O-Verträgen sehen die Bedingungen vor, dass der Versicherer Abwehrkosten zunächst auf jeden Fall übernimmt - und zwar auch dann, wenn Verdacht auf Vorsatz besteht. Das galt auch für den DaimlerChrysler-Vertrag. Wird später Vorsatz nachgewiesen, erhält der Versicherer das Geld zurück.
Noch ist kein Cent für die eigentliche Entschädigungsleistung geflossen. Das steht mit dem nächsten Layer an, der eine Deckungssumme von 75 Mio. Euro umfasst. Hier ist ACE führend, wie Lothar Riedle, Hauptbevollmächtigter von ACE in Deutschland, bestätigte. Am zweiten Layer sind außerdem beteiligt Axa, HDI, Chubb, Zürich, Gerling, XL Insurance und die Baseler Versicherung. DaimlerChrysler klagt gegen alle acht Versicherer, sagte ein Sprecher des Landgerichts Stuttgart. Für die Beweisaufnahme hat das Gericht zwei Tage angesetzt. "Die Versicherer argumentieren mit dem Verstoß gegen Obliegenheitspflichten", sagte der Sprecher. Insider gehen davon aus, dass ACE und die übrigen Konsortialmitglieder versuchen werden, Ex-Vorstandschef Schrempp Vorsatz nachzuweisen. In diesem Fall müssten sie nicht zahlen.
Weiterer D&O-Großschaden in Deutschland
Bei dem Prozess wird die Frage eine Rolle spielen, ob aus der AIG-Zahlung die Anerkennung des Anspruchs abzuleiten ist. Sollte ein Gericht rechtskräftig feststellen, dass Schrempp vorsätzlich gehandelt hat, müsste DaimlerChrysler die 25 Mio. Euro an AIG zurückzahlen.
ACE ist an einem weiteren D&O-Großschaden in Deutschland beteiligt. Die Lufthansa verlangt von einem Konsortium unter Führung von ACE und Gerling 250 Mio. Euro. Der frühere Chef der Catering-Tochter Sky Chefs, Helmut Woelki, hatte Verträge geschlossen, die zu Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe führten. Bei diesem Fall sieht es so aus, als würde er nicht vor Gericht ausgetragen. Beide Seiten verhandeln über einen Vergleich.
Nach D&O-Schäden kommt es zwar häufig zu Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern: Er wird aber selten vor Gericht ausgetragen. Versicherer und Kunden fürchten den Imageschaden, der von einem öffentlichen Prozess ausgehen kann.
Managerhaftpflicht
Jung In den Vereinigten Staaten gibt es bereits seit Jahrzehnten Managerhaftpflichtversicherungen. In Deutschland wurden solche Policen bis zum Jahr 1986 nicht zugelassen. Sie galten als unmoralisch, weil sie Manager vor den finanziellen Folgen selbst begangener Fehler freistellen. Mittlerweile haben sich die Verträge allerdings zumindest bei Großunternehmen durchgesetzt - fast alle Dax-Unternehmen haben heute eine Police.
Diskret Die D&O-Versicherer sind extrem verschwiegen. Angaben über Prämienaufkommen und Schadensaufwand machen sie grundsätzlich nicht. Beobachter gehen von Beitragseinnahmen in Deutschland von 350 bis 500 Mio. Euro im Jahr aus. Wenige Großschäden können die Prämien eines Jahres kosten.
Gruß
uS |