Überbietungsrituale in Gutmenschentum
Vielleicht ist die neue Ökobewegung unter den amerikanischen Stars auch aus einem Distinktionsbedürfnis gespeist, das mit der Demokratisierung von ehemaligen Statussymbolen zu tun hat: In dem Moment, in dem jeder Holzarbeiter einen Monster-Truck mit 280 PS und jeder Nachwuchsrapper drei Lamborghinis fährt, braucht man etwas anderes, um seine Zugehörigkeit zu einer globalen Elite zu demonstrieren. Es ist auch einfach, sich über die unter Hollywoodstars gängigen Überbietungsrituale in Gutmenschentum lustig zu machen („Ich fahre ein Elektroauto“ - „ICH fahre ein Elektroauto UND habe sieben Kinder adoptiert“ - „ICH fahre ein Elektroauto, habe sieben Kinder adoptiert UND mit Bono beim Life Aid - „ - „Ich . . .“).
Schon klar, es ist vom Standpunkt der reinen Lehre aus bigott, unökologisch und sehr böse, ein Hybrid zu fahren und dann doch mit dem Privatjet zum nächsten Termin zu fliegen. Aber erst mal geht es um einen grundlegenden Bewusstseinswandel: Wenn Hybridautos und Solarbauten so gut aussehen wie die Stars, die sie fahren und bewohnen, dann könnten am Ende auch Themen, die immer noch virulent sind, aber wegen Unsexiness aus dem öffentlichen Bewusstsein gestrichen wurden, wieder aus der Versenkung auftauchen.
Bisher waren viele Ökohäuser und Ökoautos auch deswegen ein kommerzieller Flop, weil sie allesamt von einer depressiven Entsagungsästhetik geprägt waren. Ökologie atemberaubend attraktiv und aufregend zu machen ist wohl die wichtigste Aufgabe, die Produktdesigner und Architekten in der näheren Zukunft zu lösen haben - denn man wird den Milliarden von Indern und Chinesen, die demnächst Autos fahren und schöner wohnen wollen, schlecht erklären können, dass sie bitte nur in unbeheizten Nullenergiebuden hausen und nur mit Elektrokarren durch ihr Land sirren dürfen, weil sonst die Luft auf dem Gesamtplaneten für alle sehr schnell dünn wird. Weil das so ist, können ein paar vorbildliche Stars jedenfalls nicht schaden. Dass deren Verhalten einen unmittelbaren Einfluss auf das der Massen hat, zeigte sich deutlich 1994 bei der spektakulären Flucht des Footballers O. J. Simpson, dessen Versuch, mit einem weißen Ford Bronco der Polizei zu entkommen, zur Hauptsendezeit live übertragen wurde: In den Tagen darauf verdoppelten sich die Bronco-Bestellungen bei den Autohändlern. Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.02.2007, Nr. 7 / Seite 23 Bildmaterial: AP, h.o.
http://www.faz.net/s/...4AB50919362A9980AB~ATpl~Ecommon~Scontent.html |