24.02.2006 19:52 Uhr BND-Affäre
Pullach an Bagdad: Bitte antworten! Der Bericht der Bundesregierung zur BND-Affäre gibt einen detaillierten Einblick in die Arbeit zweier deutscher Agenten während des Irak-Krieges - James Bond lässt grüßen. Von Peter Blechschmidt
Es war ein Einsatz, der Mut und starke Nerven erforderte.
Zwischen misstrauischen irakischen Polizisten und amerikanischen Bombenangriffen sollten Reiner M. und Volker H. im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes (BND) vor und während des Irak-Krieges im Frühjahr 2003 Informationen über die Lage in Bagdad sammeln.
Einen detaillierten Einblick in diese Agententätigkeit gewährt der Bericht der Bundesregierung an das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG).
Daraus geht hervor, dass sich BND und Regierung schon Mitte 2002 Gedanken darüber machten, wie sie mehr Informationen über das Geschehen im Irak erlangen könnten.
Verbotene GPS-Geräte
In einem Vermerk vom 8. November 2002 wird festgehalten, dass der damalige BND-Präsident, der jetzige Innen-Staatssekretär August Hanning, Außenminister Joschka Fischer mitgeteilt habe, der BND wolle in Bagdad bleiben, auch wenn das Auswärtige Amt sein Personal wegen eines drohenden US-Angriffs abziehen sollte.
Am 6. Dezember fiel die Entscheidung, zwei zusätzliche BND-Mitarbeiter nach Bagdad zu schicken. Am 11. Februar 2003 wurde dem Kanzleramt Vollzug gemeldet; am 15. Februar nahm dieses „Sonder-Einsatz-Team“ (SET) in Bagdad seine Arbeit auf.
Vorangegangen war auch eine enge Abstimmung mit den USA. Dabei ging es zum einen um eine etwaige Evakuierung der BND-Agenten im Kriegsfall, vor allem aber wurde der Informationsfluss festgelegt. Schriftlich fixiert wurden diese Vereinbarungen allerdings nicht.
Zunächst meldeten sich M. und H. ganz offiziell beim irakischen Geheimdienst an. Allerdings war ihr Bewegungsspielraum, wie es in dem Bericht heißt, „auf einen engen Raum in Bagdad beiderseits des Tigris begrenzt“.
Tarnung bei jeder Fahrt
Unbeobachtet konnten sie sich kaum bewegen, da es neben ihrem Fahrzeug zu jener Zeit in Bagdad nur noch ein weiteres Auto mit Diplomaten-Kennzeichen gab. Jede einzelne Beobachtungsfahrt musste als Botschaftsaktivität getarnt werden.
Ständig wechselnde Straßensperren stellten eine Gefahr dar, hatten die beiden doch ein GPS-Gerät zur satellitengestützten Standortbestimmung und Thuraya-Mobiltelefone für die Kommunikation mit der BND-Zentrale in Pullach dabei, und der Besitz solcher Geräte war verboten.
Eine Entdeckung hätte „zur Gefährdung von Leib und Leben der SET-Mitarbeiter geführt“, heißt es in dem Regierungsbericht. Nach Beginn des Krieges am 20. März mussten sich M. und H. dann auch noch vor den Bombenangriffen der Amerikaner und vor zunehmender Ausländerfeindlichkeit hüten.
Zusätzlich zu seinem allgemein formulierten Erkundungsauftrag erhielt das SET zwischen dem 25. Februar und dem 26. April etwa 50 Einzelanfragen aus Pullach, wobei aus dem Bericht nicht hervorgeht, welche Anfragen auf Auskunftsersuchen der USA zurückgehen.
Am Luftangriff nicht beteiligt
Besondere Aufmerksamkeit gilt den Aktivitäten von M. und H. am 7. April. An diesem Tag bombardierten die Amerikaner ein Restaurant im Stadtteil Mansur, in dem sie den Diktator Saddam Hussein vermuteten.
Das Fernsehmagazin „Panorama“ hatte im Januar unter Berufung auf eine amerikanische Quelle gemeldet, die deutschen Agenten hätten auf Bitten der Amerikaner den Aufenthaltsort Saddams ausspioniert. Auch die Süddeutsche Zeitung hatte diese Meldung aufgegriffen.
„Tatsächlich war das SET weder an der Vorbereitung noch an der Durchführung dieses Luftangriffs beteiligt“, heißt es in dem Bericht. Das SET habe sich zum Zeitpunkt des Angriffs in der Botschaft eines befreundeten Landes, gemeint ist Frankreich, aufgehalten, eine Stunde Fahrzeit vom Angriffsort entfernt.
Gegen 16.15 Uhr Ortszeit seien zwei Augenzeugen des Bombenangriffs, „die dem SET persönlich bekannt waren“, in der Botschaft erschienen. Einer der beiden war verletzt und wollte sich behandeln lassen. Er berichtete über den Angriffsort und über zivile Opfer.
Ein dickes Lob der Amerikaner
Etwa zur selben Zeit habe das SET telefonisch aus Pullach die „Einschätzung“ erhalten, dass es sich bei dem Luftangriff um einen erfolgreichen Schlag gegen Saddam Hussein gehandelt habe.
Unter Berufung auf die Augenzeugen und in Kenntnis der Lage des Angriffsziels habe das SET den Angriff bestätigt. Zugleich übermittelte das SET eine zuvor gewonnene Information, dass in der Nähe des Einschlagortes ein Ausweichquartier des irakischen Nachrichtendienstes liege.
Beide Informationen wurden den Amerikanern „umgehend“ übermittelt, so heißt es in dem Bericht, „um zum einen den schwerwiegenden Fehlangriff mit zivilen Opfern mitzuteilen und zum anderen, um die schnelle Reaktionsfähigkeit des SET zu demonstrieren“.
„Eine von der BND-Zentrale geforderte zeitnahe Beobachtungsfahrt zum Angriffsort musste das SET aus Sicherheitsgründen ablehnen.“
Fischer ließ sich unterrichten
Die Amerikaner stuften die Arbeit der deutschen Agenten, wie die Bundesregierung einräumt, als „sehr wertvoll“ ein. Doch auch Außenminister Fischer schien von der Leistung der BND-Mitarbeiter angetan.
Acht Monate nach Kriegsende, am 16. Dezember 2003, empfing er die beiden in Amman, wo er den jordanischen Außenminister besuchte, und informierte sich aus erster Hand über deren Einsatz in Bagdad.
Schon während des Krieges hatte der Grünen-Politiker laut Regierungsbericht „zweimal Spezialisten des BND“ zu sich gebeten, die ihn „detailliert zur Lage“ in Bagdad unterrichteten.
(SZ vom 25./26.2.2006)
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