aus FAZ "Technik und Motor"
zum Thema NAVI-Nachrüstung
Sicher und schnell zum Ziel kommen
Was man über die Routenführer wissen muß Tips und Tricks für den Einbau im Radioschacht
Ein Bericht von Michael Spehr
Ein Navigationssystem - das ist für viele Menschen das wichtigste Auto-Zubehör.
Nach einer Studie des Marktforschungsinstituts J.D. Power wünschen sich 77 Prozent der befragten Autofahrer einen solchen elektronischen Kopiloten. Diese klare Aussage wundert nicht. Die modernen Geräte lotsen zuverlässig durch die Großstadt, und sie finden selbst die kleinste Straße auf dem platten Land. Der enorme Komfort- und Sicherheitsgewinn in fremden Gefilden macht das "Navi" so attraktiv. Nach Angaben der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik wurden im vergangenen Jahr 680000 Navigationssysteme in Deutschland verkauft. Das entspricht einem Zuwachs von 21 Prozent gegenüber 2003. Seit 1998 hat sich die Zahl der Fahrzeuge, die schon ab Werk mit einer Orientierungshilfe ausgestattet werden, versiebenfacht. Zwei Drittel der Geräte kommen als Erstausrüstung in die Hand des Kunden, das verbleibende Drittel (226000 Geräte) findet über die Nachrüstung den Weg ins Auto. Ein gutes Dutzend Hersteller teilt sich diesen Markt. 80 Prozent der Nachrüst-Produkte sind Radio-Navigationssysteme für den genormten DIN-Schacht in der Mittelkonsole. Alle anderen sind High-End-Geräte mit großem Bildschirm.
Der Siegeszug der Radio-Navis wundert kaum. Ein älterer Blaupunkt Travelpilot DX-R52 ist als Restposten bereits für 440 Euro zu haben - mit Radio für UKW, Mittel- und Langwelle, CD-Spieler und 4-Kanal-Verstärker. Aktuelle Produkte wie der Travelpilot E1 oder das MS 4150 von VDO Dayton für einen Straßenpreis von 500 Euro bieten sogar noch etwas mehr Komfort. Die günstigsten Kopiloten für den DIN-Schacht kosten also kaum mehr als ein Oberklasse-Autoradio - das macht sie so attraktiv. Das Navi zur Nachrüstung ist jedoch keineswegs "zweite Wahl". Es hat zwar einige Nachteile: die zwangsläufig schlechtere Integration in das Bedienkonzept des Fahrzeugs und häufig kleine Tasten, Drehsteller und Anzeigen wegen der begrenzten Platzverhältnisse im DIN-Schacht. Aber es kann auch Vorzüge gegenüber dem Festeinbau bieten: Es ist in der Regel näher am technischen Fortschritt und meist günstiger als die Anlage ab Werk. Schade nur, daß immer mehr Fahrzeughersteller auf den DIN-Schacht verzichten und Bedienelemente so in der Mittelkonsole plazieren, daß dort nichts anderes untergebracht werden kann.
Wir haben uns die Kopiloten zur Nachrüstung näher angesehen, wegen der Breite des Angebots aber zwei Produktkategorien für eine künftige Berichterstattung ausgespart: GPS-Empfänger mit Navigation, die sich auch zum Wandern und für Touren abseits der Straße eignen, sowie zweckentfremdete Taschencomputer mit externem GPS-Empfänger. So bleiben ein Dutzend Hersteller und drei Produktkategorien: zunächst die etwas älteren Standalone-Navigationssysteme ohne Radio. Die Zentraleinheit mit Landkarten-CD-Laufwerk paßt nicht in den Radioschacht und wird im Handschuhfach oder unter dem Beifahrersitz verbaut. Dazu gehören ein Display für das Armaturenbrett und eine Fernbedienung. Beispiele für diese Oldie-Kopiloten sind der Blaupunkt Travelpilot DX-V und das MS 3200 von VDO Dayton. Die zweite Kategorie ist jung und modern: die Plug-and-Play-Navis von Tomtom, THB Bury und Naviflash. Diese kompakten Apparate werden nicht fest eingebaut, sondern an einer freien Stelle des Armaturenbretts befestigt. So kann man sie schnell in ein anderes Fahrzeug mitnehmen. Eine Speicherkarte oder Festplatte nimmt die elektronische Landkarte auf, das CD-Laufwerk fehlt. Auf die Auswertung des Tachosignals mit seinen Geschwindigkeitsinformationen muß man verzichten.
Hier punkten die etwas aufwendigeren Radio-Navis für den Festeinbau. Sie bilden die große Mehrzahl der Produkte und nutzen das Tachosignal als zusätzliche Informationsquelle. Deshalb können sie selbst dann zuverlässig navigieren, wenn das GPS-Signal von den Satelliten kurzzeitig nicht empfangen wird, etwa in einem Tunnel. Der Kaufinteressent muß sich zwischen zwei Varianten entscheiden. Soll das Gerät komplett im DIN-Schacht verschwinden, oder hat es einen aufklappbaren oder gar einen zusätzlichen Monitor? Ist die dezente erste Lösung gesucht, bieten sich alle Produkte von Becker, JVC und Sony an sowie die meisten Travelpiloten von Blaupunkt, die Ina-N333R von Alpine und schließlich das MS 4150 und MS 4400 von VDO Dayton. Hier ist die Technik auf das Wesentliche reduziert. Es fehlt deshalb - mit Ausnahme des Sony KP-NC9950 - eine Landkartendarstellung. Unterwegs wird man mit Pfeilsymbolen auf die Annäherung an den nächsten Abbiegepunkt hingewiesen. Das ist für die Standardaufgaben der Navigation keine Einbuße. Wenn man allerdings in seiner Standortumgebung den nächsten Parkplatz oder ein Hotel sucht oder gar sehen möchte, welche weiteren Sonderziele es rund um das Fahrzeug gibt, kann eine Landkartendarstellung sinnvoll sein.
Das CD-Laufwerk nimmt bei diesen Geräten die Silberscheibe mit dem elektronischen Kartenmaterial auf, das in der Regel von Navteq oder Tele Atlas stammt. Wird die Straßenkarte nicht benötigt, kann man im Laufwerk seine Audio-CDs abspielen. Bei den neueren Geräten funktioniert die Wiedergabe einer Musik-CD auch dann, wenn man sich führen läßt: Nach der Zieleingabe lädt der Kopilot den Routenkorridor in seinen Arbeitsspeicher und gibt dann das Laufwerk frei. Nur wenige Radio-Navis erlauben indes die Wiedergabe von MP3-Musik. Hier ist man beispielsweise auf den Travelpiloten E2/Exact MP3, die Becker- und JVC-Produkte sowie das MS 4400 von VDO Dayton angewiesen.
Wenn das Nachrüst-Navi über den DIN-Schacht hinauswachsen darf, ist meist das Stichwort "Multimedia" der Anlaß, eine Anlage mit besonders großem Display zu kaufen. Bei den Produkten von Alpine, Pansonic, Pioneer, Kenwood und Clarion steht alles unter dem Zeichen von "Entertainment". Riesige Anzeigen fahren aus dem Gerät heraus und klappen sich, wie von Geisterhand gesteuert, in der Mittelkonsole auf. Der Monitor zeigt bei der Routenführung nicht nur die Landkarte, sondern ist ein Allzweckgerät für die Wiedergabe sämtlicher Multimedia-Inhalte. Hier werden Video-DVDs abgespielt, und man steuert den MP3-Player oder richtet das Fahrzeug für eine Mehrkanalton-Wiedergabe a la Heimkino ein. Die Anzeigen sind meist berührungsempfindlich: Mit dem Finger tippt man einfach auf das gewünschte Menü. Häufig gibt es eine Fernbedienung, um die gesamte Fülle der Funktionen in den Griff zu bekommen. Auch preislich sind diese Anlagen im oberen Segment angesiedelt. Einzelne Bausteine kann man gezielt zur Basisausstattung dazukaufen. Bei 1500 Euro beginnt der Spaß, und schnell sind 4000 Euro ausgegeben.
Was ist nun besser? Der Navi-Knubbel für das Armaturenbrett, die Anlage für den DIN-Schacht oder die Multimedia-Steuerzentrale mit allem Drum und Dran? Geht es darum, sicher von A nach B geführt zu werden, ist ein Gerät für den Festeinbau die beste Wahl. Die GPS-Antenne kann optimal unter der Windschutzscheibe oder auf dem Dach plaziert werden (bei den Plug-and-Play-Lösungen befindet sie sich im Geräterücken), und der vorschriftsmäßige Einbau stellt sicher, daß einem bei Vollbremsung oder Unfall nichts um die Ohren fliegt. Daß die teure Anlage mit großem Display eine bessere Routenführung bietet als das simple Gerät mit karger Darstellung, das ist keineswegs richtig. Die Produkte von Becker haben keine Landkartendarstellung und begnügen sich mit einer simplen Pfeildarstellung. Trotzdem gehören sie zu den besten Systemen. Hier sind die akustischen Hinweise so gut, daß die Anzeige nahezu entbehrlich ist. Ob eine Anlage gut oder schlecht zum Ziel führt, ist eine Frage des Gesamtsystems. Dabei sind viele einzelne Faktoren entscheidend: etwa die Zuverlässigkeit im Dauerbetrieb und bei schlechtem GPS-Empfang, die Präzision und Eindeutigkeit optischer und akustischer Hinweise, die Aktualität des Kartenmaterials und vieles mehr. Vor dem Kauf sollte man das Produkt der Wahl längere Zeit in unbekannter Umgebung "erfahren". Wichtig ist vor allem, daß man sich zu Zielen führen läßt, die man nicht kennt. Wer nur wenige Kilometer auf bekannten Strecken fährt, wird die Schwächen eines Systems nicht entdecken.
Vor der Kaufentscheidung sollte man ferner die Platzverhältnisse im Auto erkunden. Nur die Plug-and-Play-Apparate lassen sich überall mit wenig Aufwand verstauen. Wer jedoch mit einem Festeinbau liebäugelt, findet im DIN-Schacht die beste Lösung. Mit einem doppelt so hohen ("2-DIN"-)Schacht kann man ebenfalls leben. Für eine gelungene optische Gestaltung sind dann zusätzliche Blenden erforderlich. Läßt sich in der Mittelkonsole des Fahrzeugs kein Zubehör verstauen, schränkt das die Zahl der Geräte für eine Navi-Nachrüstung drastisch ein. Die Steuereinheit im Handschuhfach oder unter dem Beifahrersitz muß dann fernbedienbar sein. In Frage kommen beispielsweise das MS 5600 oder 5700 von VDO Dayton sowie der Blaupunkt Travelpilot DX-V.
Mit dem genormten Radioschacht ist der Einbau eines elektronischen Kopiloten gar nicht so schwer, meint Markus Marschler, Teamleiter des Blaupunkt-Entwicklungseinbauzentrums, das sich mit allen Problemen rund um die nachträgliche Ausstattung von Fahrzeugen mit Kommunikationstechnik beschäftigt. Eine gute Fachwerkstatt hat ein übliches Radio-Navigationssystem in weniger als einer Stunde im Auto untergebracht. Der Laie benötigt natürlich etwas mehr Zeit. Im wesentlichen sind drei elektrische Anschlüsse erforderlich: für den streichholzschachtelgroßen GPS-Empfänger, das Tachosignal und die Spannungsversorgung. Das GPS-Modul empfängt unter freiem Himmel die Satellitendaten und leitet sie an die Zentraleinheit weiter. Das Modul wird deshalb meist unter der Windschutzscheibe verstaut. Ein Kabel führt zum Radioschacht. Vorsicht ist bei metallbedampften Scheiben geboten, etwa im Audi A8. Hier ist das Modul unter der Heckscheibe anzubringen. Einige französische Fahrzeuge haben eine Rundum-Metallbedampfung aller Glasflächen. Dann hilft nur ein externer GPS-Empfänger auf dem Dach oder Kofferraumdeckel.
Das Tachosignal liefert dem Navi-System Informationen über die Geschwindigkeit des Fahrzeugs. Ist der GPS-Empfang in einem Tunnel oder dichten Häuserschluchten unterbrochen, kann der Routenführer trotzdem die Position des Fahrzeugs ermitteln und weiterarbeiten. Einige Navi-Hersteller meinen, daß man auf das Geschwindigkeitssignal mittlerweile verzichten könne. Wer das letzte Quentchen Präzision will, muß indes das Tachosignal suchen - das ist wörtlich gemeint. Wenn man Glück hat, gibt es in dem Kabelbaum, der zum Radioschacht führt, einen Stecker mit Tachosignal. Er wird von vielen Radios für die geschwindigkeitsabhängige Lautstärkeeinstellung genutzt. Etwas diffiziler ist die Angelegenheit, wenn man das Signal direkt am Tachometer oder im Sicherungskasten abgreifen muß. Bei Neufahrzeugen gibt es meist kein analoges Tachosignal, sondern einen CAN-Bus. Er überträgt die Daten aller Sensoren im Fahrzeug an alle Steuergeräte. Der CAN-Bus ist quasi die digitale Zentralverkabelung. In solchen Fällen benötigt man ein CAN-Interface, das die digitalen Informationen für das Navi-System herausfiltert und aufbereitet. Weitere Informationen zum Geschwindigkeitssignal gibt es auf der Internetseite www.tachosignal.de.
Mit dem Anschluß von Stromversorgung, Lautsprechern, GPS-Empfänger und Tachosignal ist das Navi-System funktionstüchtig. Höchsten Komfort bringt schließlich die Verbindung eines eventuell vorhandenen Multifunktionslenkrads mit der neuen Hardware. So lassen sich wichtige Funktionen von Radio und Routenführer bequem am Lenkrad aufrufen. Dafür benötigt man ein weiteres Interface. Wie beim Tachosignal gilt auch hier: Was die Datenleitungen und die Protokolle betrifft, kocht jeder Automobilhersteller sein eigenes Süppchen. Wer also sein neues Navi selbst einbauen will, tut gut daran, zuvor im Internet zu recherchieren, was bei seinem Fahrzeug zu beachten ist. Alle neueren Navi-Systeme sind selbstkalibrierend. Verlief der Einbau erfolgreich, heißt es also nur: Zieleingabe und losfahren. Nach einigen Minuten beginnt die Ortung, dann die Kalibrierung, und irgendwann kommt der schöne Hinweis: "Sie sind an Ihrem Ziel angekommen."
Text: F.A.Z., 28.06.2005, Nr. 147 / Seite T1
MfG kiiwii
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