Händler haben das DAX-Verkaufsargument bereits in der Tasche - Im TecDAX suchen Anleger nach Erfolgstorys
Die befürchteten Folgen eines starken Euro blieben aus – der DAX stieg in der vorigen Woche um knapp fünf Prozent. Investoren aus dem Bullenlager haben somit genügend Verkaufsargumente. Noch halten sie sich zurück. Die Zunahme bei den TecDAX-Optimisten spricht für die gezielte Suche nach Erfolgsstorys.
8. Oktober 2003. Seit dem G7-Treffen in Dubai treibt deutsche Aktienhändler offensichtlich nur noch ein Thema um: Wie hoch wird der Euro noch im Vergleich zum US-Dollar steigen und wie stark wird dieser Anstieg die Gewinnmargen europäischer Exportwerte belasten? Die Sorgen um die negativen Konsequenzen einer bärenstarken Eurolandwährung rückten aber am vergangenen Freitag in den Hintergrund. Die überraschend guten amerikanischen Arbeitsmarktdaten zwangen Short-Spieler zu Eindeckungskäufen, wodurch dem DAX der Sprung über die 3.410er Marke gelang. Die Stabilisierung war geschafft.
Es spricht vieles dafür, dass mehrheitlich kurzfristige Marktteilnehmer für die Volatilität der vergangenen fünf Handelstage verantwortlich waren. Zum einen erwies sich die Halbwertzeit der angeführten Argumente als extrem kurz – die der Eurostärke ausgenommen. So wurde im Hinblick auf die kommende Quartalsberichtssaison beispielsweise nur unregelmäßig über mögliche Gewinnwarnungen gesprochen und der relativ hohe Ölpreis immer dann hervorgehoben, wenn die DAX-Kurse fielen. Zum anderen ergab unser Bull/Bear-Index® keine große Veränderung zur Vorwoche. Die Stimmung ging nur minimal zurück, was sich in einer zweiprozentigen Verschiebung vom Bullen- ins Bärenlager zeigte.
Sentimentindikator der Deutschen Börse
Zu seiner Berechnung werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit der Anzahl der neutralen Stimmen gewichtet. Die blauen Balken in den Grafiken stellen also das Maß an Optimismus im jeweiligen Marktsegment dar.
Aus diesen Daten lassen sich Aussagen über Positionierung und Einstiegspreise der Investoren treffen und somit mögliche stimmungsbedingte Marktschieflagen erkennen. Jedoch ist die absolute Größe der Werte für die Analyse nicht relevant, sondern die Veränderung im Betrachtungszeitraum. Hinter diesem moderaten Rückzug vermuten wir erste Gewinnmitnahmen von denjenigen, die eine Woche zuvor noch genau entgegengesetzt vom Bären- ins Bullenlager gewechselt waren. Sprich, sie hatten die schwächeren Kurse im DAX-Index zu Käufen genutzt. Die jüngste Befragung legte keine größeren Verschiebungen offen, daher muss sich der Einstandspreis der neuen Long-Positionen unserer Panel-Teilnehmer wohl noch zu nahe am aktuellen Marktpreis befinden. Wir vermuten, dass die Long-Engagements im Durchschnitt bei 3.350 Punkten eingegangen worden sein dürften. Momentan beliefe sich der Gewinn also lediglich auf ein knappes Prozent. Dies dürfte für die meisten noch zu wenig sein. Andererseits empfinden die Optimisten der Vorwoche keinerlei Druck, ihre Strategie zu überdenken. Schließlich wurde die Entscheidung ins Bullenlager zu wechseln, gleich am vergangenen Freitag belohnt. Zudem blieben die befürchteten Folgen eines starken Euro bislang aus: Der DAX steht heute knapp fünf Prozent höher als am vergangenen Mittwoch, obwohl der Euro heute den höchsten Stand seit Mitte Juni erreicht hat. In einem Umfeld negativer Nachrichten mit einem steigenden DAX Geld zu verdienen, stellt für alle Optimisten eine äußerst komfortable Situation dar. Denn damit haben sie bereits jetzt alle Argumente in der Tasche, um ihren nächsten Schritt zu rechtfertigen, nämlich Verkaufen. Unabhängig davon, ob es sich bei diesen Transaktionen um Gewinnrealisationen oder Verlustbeschränkungen handeln wird.
Solange es dabei bleibt, werden sich weiterhin nur Day-Trader gegen jede kommende Rallye lehnen. Dass sie mit diesem Verhalten eine breitere Aufwärtsbewegung verhindern, ist jedoch unwahrscheinlich. Als Hemmnis könnten sich allerdings die oben erwähnten Gewinnmitnahmen mittelfristiger Händler herausstellen, falls der DAX zu einem neuen Spurt nach oben ansetzt, wovon wir ausgehen. Denn dann würden diese Akteure wahrscheinlich bei 3.610 bis 3.620 Punkten als Verkäufer auftreten. Da bis zu dieser Widerstandszone kein störendes Angebot den DAX zurückwerfen dürfte, visieren wir diesen Punkt als neue Zielmarke an. Die Toleranz der Händler gegenüber Rückschlägen wird sich allerdings in Grenzen halten. Wir befürchten, dass Stop-Loss-Verkäufe bereits bei 3.295 Punkten einsetzen werden und legen daher unser Chance/Risiko-Limit für das laufende Kursziel auf diese Marke fest.
Im TecDAX suchen Anleger nach Erfolgstorys
Was ein beträchtlicher Teil der von uns regelmäßig befragten Händler in der vergangenen Woche an Flexibilität und Timing gezeigt hat, erwies sich als äußerst erfolgreich und treffsicher. Zur Erinnerung: Der Anteil der Pessimisten hatte sich bei der letzten Erhebung deutlich reduziert – Gewinne aus Leerverkäufen wurden mitgenommen. Nun hat sich in dieser Woche sogar der Anteil der Bullen um sechs Prozent erhöht. Wer vergangene Woche noch im neutralen Lager eine Stabilisierung abgewartet hat, die bereits bei 497 Zählern erreicht wurde, dem scheint der TecDAX nun wieder für ein Long-Engagement sicher genug zu sein. Der Optimismus, gemessen am Bull/Bear-Index®, ist erneut leicht gestiegen, liegt aber immer noch deutlich unter den relativ hohen Septemberwerten. Von überstürztem Eifer kann also keine Rede sein.
Akteure kaufen nicht blind den gesamten Markt, sondern wenden sich bewusst ganz bestimmten Werten zu, dafür spricht nicht nur der wohldosierte Anstieg des Optimismus. Auch der starke Umsatz einzelner Aktien und die exponierte Stellung dieser Unternehmen in den Medien spricht dafür, dass Anleger derzeit Erfolgsstorys zu kaufen versuchen.
Da wieder neue Long-Positionen an Bord sind, muss auch im TecDAX mit Gewinnmitnahmen gerechnet werden. Wir rechnen jedoch nicht mit Abgaben im großen Stil. Verkäufe starten frühestens bei 541 bzw. 542 Punkten. Zudem ist der Optimismus derzeit nicht so stark ausgeprägt, dass er bei fallenden Kursen bedrohlich wirken könnte. Rückschläge auf 502 bis 503 Punkte würden wahrscheinlich sogar neue Käufer anziehen, während mit der Auflösung bestehender Engagements frühestens bei 494 Punkten zu rechnen ist.
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