Operativer Bericht vom 2. April 2003, 13 Uhr 35 [Moskau]
Am Morgen des 2. April ist die Lage an der amerikanisch-irakischen Front überaus schwierig und instabil. Die Koalitiontruppen versuchen beharrlich, das strategisch wichtige “Dreieck” Kerbela – Al-Chindija – Al’-Iskanderija einzunehmen. Außerdem entfalten Koalitionseinheiten eine Offensive auf Al’-Kut und An-nu-Man’ach. Dabei konnten die Amerikanern bislang keine der genannten Städte einnehmen und sie sind beim weiteren Vorrücken gezwungen, einen großen Teil der Einheiten zur Blockade der von den Irakern gehaltenen Städte zurückzulassen. Bis jetzt kämpfen energisch tief im rückwärtigen Gebiet der Amerikaner die Garnisonen En-Nadjaf und En-Nasirja, Basra wurde noch nicht eingenommen. Um En-Nadjaf und En-Nasirja blockieren und erstürmen zu können, war das Koalitionskommando gezwungen, dorthin 2 Brigaden der 101. Luftlandedivision (Airborne Division) zurückzulassen, die die 1. Marineinfanteriedivision ablösen (die 15. Expeditionsbrigade von Oberst Thomas Waldhauser und die 22. Expeditionsbrigade des Oberst John Warren), die hier schon sechs Tage kämpfen. Diese “schweren” Stoßtruppen werden jetzt nach El’-Chilla verlegt, wo schwere Kämpfe stattfinden. Nach äußerst ungefähren Schätzungen setzt auf dem von den Koalitionstruppen “besetzten” Gebiet eine mindestens 30 000 Mann starke Gruppierung von Armee und Miliz den Kampf fort. Militärexperten warnen das amerikanische Kommando bereits vor der Gefährlichkeit einer solchen Unterschätzung des Gegners, die die Lage der Offensivtruppen verkomplizieren und alle optimistischen Pläne der Koalition umwerfen könnte. Andererseits ist das irakische Kommando gezwungen, seine Truppen zur Verteidigung der Städte abzuziehen und die Kampfhandlungen außerhalb der Stadtmauern auf ein Minimum zu begrenzen, weil das Wüstengebiet dem Gegner beste Bedingungen bietet, seine völlige Luftüberlegenheit und die Überlegenheit seiner Aufklärungs- und Ziellenkungstechnologie zu realisieren. Das nimmt den Irakern die Beweglichkeit und verdammt sie zum passiven “Festungskrieg”, der die Kampfeffizienz wesentlich einschränkt.
Bei Kerbela hat das Kommando der 3. US Mechanisierten Division endgültig auf die Erstürmung der Stadt verzichtet, nachdem es sie von drei Seiten durch Sperreinheiten blockiert hatte und richtet nun den Hauptstoß in die Richtung der Städte Al’-Musaib und auf Al’-Chindija. Schon den zweiten Tag finden in dieser Gegend heftige Kämpfe statt. Die Amerikaner erhöhen ständig die Kraft der Stöße und haben praktisch schon alle Artillerie- und Panzereinheiten eingesetzt, über die das Kommando der Gruppierung verfügt, doch konnte die Abwehr der Iraker bislang nicht durchbrochen werden. Divisionskommandeur General Baford Blunt berichtet von heftiger Gegenwehr der Iraker. Nach seinen Worten behalten die Einheiten der 2. Division der Republikanergarde, die hier die Abwehr führen, trotz großer Verluste eine hohe Kampfkraft und schlagen alle Versuche zurück, ihre Kampfreihe zu durchbrechen. Fast unaufhörlich werden ihre Positionen von Luft- und Artillerieschlägen attackiert. Den gestrigen Tag über und heute Nacht verloren die Amerikaner (nach den Berichten der Kommandeure der Unterabteilungen) in diesem Gebiet bis zu 5 Panzer, 7-10 Schützenpanzer, Radpanzer und nicht weniger als 9 Menschen wurden getötet. Mindestens 1 Hubschrauber wurde abgeschossen und mußte notlanden, 2 weitere Hubschrauber berichteten von ernsthaften Schäden und ihr Schicksal ist unklar. Die Verluste der Iraker betragen mindestens 300 Gefallene, bis zu 30 Panzer und Radpanzer wurden zerstört (amerikanische Angaben). Morgens haben die Truppen der Koalition die Attacke eingestellt, jetzt werden die Positionen der Iraker von Luftwaffe und Artillerie beschossen. Einen weiteren Angriff kann man mit dem Einbruch der Dunkelheit erwarten.
Ebenso schwere Kämpfe finden in der Stadt Al’-Chilla statt. Den Unterabteilungen der Marineinfanterie gelingt es trotz massiver Artillerie- und Luftunterstützung in keiner Weise, sich auf dem linken Euphratufer festzusetzen und die irakischen Einheiten aus der Stadt zu werfen. Gestern haben die amerikanischen Infanteristen bis zu 5 Einheiten Panzertechnik verloren und mindestens 10 Soldaten wurden getötet oder verletzt. Die Verluste der Iraker betragen nach Angaben amerikanischer Kommandeure mindestens 100 Tote, mindestens 10 zu Unterständen umfunktionierte Häuser wurden zerstört, es werden 80 Gefangene Iraker gemeldet, die im schon gesäuberten Teil dieses Stadtteils aufgelesen wurden.
In der Nacht verschärfte sich die Lage im Gebiet der Stadt Ed-Divanija. Ohne auf schweren Widerstand zu stoßen, begann die 2. Expeditionsbrigade der Marineinfanterie auf die Stadt vorzurücken, stieß aber kurz vor Stadtrand auf gewaltiges Artillerie- und Granatfeuer. Daraufhin war sie gezwungen, sich in die Defensive zu begeben und sich in den Nahkampf verwickeln zu lassen. Fast sieben Stunden dauerte der Schußwechsel. In ihrem Verlauf wurden bis zu 12 amerikanische Panzer und Schützenpanzer abgeschossen, 20 Marineinfanteristen getötet und verwundet. Jetzt werden die Positionen der Iraker von der Arteillerie und aus der Luft beschossen.
Erfolglos blieben die gestrigen Versuche der amerikanischen Luftlandetruppen, den Teil En-Nasirjas links vom Ufer im Sturm zu nehmen. Obwohl sie von hinten und von vorn gleichzeitig angriffen, gelang es den Amerikanern nicht, die Verteidigungslinie der Iraker zu durchbrechen und sie mußten sich gegen Morgen in ihre Ausgangslinie zurückziehen. Die Verluste der Koalition betragen nach den Berichten der Kommandeure 2 Gefallene und bis zu 12 Verwundete, am nördlichen Stadtrand von En-Nasirja wurde ein Hubschrauber angeschossen und mußte notlanden.
Ebenso erfolglos blieben die Versuche, En-Nadjef einzunehmen. Alle Angriffe der Amerikaner wurden zurückgeschlagen. Es wurde von 3 abgeschossenen Schützenpanzern und von mindestens 5 Gefallenen und Verletzten berichtet.
Bei Basra gelingt es den britischen Untereinheiten in keiner Weise, den Blockadering enger zu ziehen. Heute Nacht führten die Iraker einen Gegenangriff gegen britische Untereinheiten, die sich bis zur Stadtrandsiedlung Suk-el’-Shujuch voranbewegt hatten und warfen sie auf 1,5 - 2 Kilometer zurück. Im nächtlichen Kampf wurden, nach Angaben der Iraker, mindestens 5 Briten getötet. Die Briten berichten in Radioberichen von 2 Vermißten und 4 Verletzten. Nach irakischen Angaben blieben ein britischer Panzer und 2 Schützenpanzer auf dem Kampfplatz.
Im Nordirak, wo bei der Stadt El’-Buadj in der vorangegangenen Nacht eine taktische Luftlandetruppe aus der 82. US-Luftlandedivision und 22. britischen SAS-Regiment gelandet waren, wurden die Landetruppen nach fast 24-stündigem Kampf zerschlagen und zerstreut. Die genaue Anzahl der Verluste wird jetzt ermittelt. Nach Abhörinformationen weichen die Soldaten in kleinen Gruppen zurück und und wissen bisher nicht, wieviele Menschen verloren wurden. Jetzt versuchen die Reste der Einheit, auf das von den Kurden gehaltene Gebiet zu gelangen. Schätzungsweise 30 Leute wurden vernichtet oder gerieten in irakische Gefangenschaft.
Militäranalytiker meinen, daß der heutige und morgige Tag für die weitere Entwicklung der vorgestern begonnenen Offensive auf Bagdad entscheidend sein werden. Wenn die Koalitionstruppen bis morgen abend den irakischen Widerstand nicht brechen und die Front nicht durchbrechen können, werden die Amerikaner über das Wochendende schon gezwungen sein, die Offensive abzubrechen, zum Positionskrieg überzugehen, die Truppe komplett umzugruppieren und sie um die aus Europa und den USA eintreffenden Divisionen zu verstärken. Eine solche operative Pause kann, auch wenn sie keine völlige Einstellung der Kampfhandlungen bedeutet (Das Koalitionskommando wird seine Versuche fortsetzen, mit lokalen Schlägen seine Positionen zu verbessern), 7 bis 14 Tage dauern und wird eine ernste Überprüfung aller Kriegspläne der Koalition mit sich bringen. |