1. es gibt unterschiedliche Themen
a) Stadelheim
Der Prozess in Stadelheim ist neben seiner Bedeutung für Wirecard auch ein davon "abgehobenes" rechtsphilosophisches Thema. Es ist ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Verfahren, u.a. deshalb, weil bereits im Vorfeld ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss stattfand und viele Bücher, Filme, Theaterstücke usw. erschienen, außerdem hat die StA am 22.07.2020 völlig überraschend erklärt, quasi den fall aufgeklärt zu haben. Man hat öffentlich dazu aufgerufen, dass möglicherweise ins Visier kommende Personen sich als Kronzeugen zur Verfügung zu stellen - innerhalb des Tatbildes, das man skizziert hat.
Wenn man sich im Rückblick anschaut, wie es dazu kam, stellt man massivste Verstöße gegen mehrere Rechtsstaatsprinzipien fest. Diese habe ich teilweise adressiert, aber noch nicht umfassend.
Das ist ein Thema, das vielleicht nicht in ein Börsenforum gehört - was ich durchaus zur Diskussion stellen kann.
Allerdings hat die Diskussion um solche Asekte, sobald sie von der abstrakten Ebene ins Konkrete kommen, natürlich eine Relevanz für die konkreten Fragen von oben. Das überschneidet sich.
Können wir uns an diesem Punkt vielleicht einigen, was die Erwartung an das Verfahren von Stadelheim ist? Aus Sicht der Wirecardgeschädigten, aus Sicht interessierter Anleger (da es ja ein Börsenthema ist in gewisser Weise) oder auch nur aus Sicht der Rechtsstaatlichkeit oder auch aus Sicht des "Schutzes des Finanzstandorts Deutschland", weil dieser ausdrücklich von der Staatsanwaltschaft und vom Gericht als ein Faktor genannt wird, der eine Wirkung auf das Verfahren hat - was übrigens ebenfalls aus meiner Sicht nicht rechtsstaatlich ist, da es kein Tatbildmerkmal sein kann.
Dazu kommt, dass während der laufenden Hauptverhandlung noch weiter ermittelt wird. Außerdem wurde auch in der Zwischenverhandlung vor dem Prozess einiges geändert und die Anklageschrift ist nicht mehr das, was Grundlage des Verfahrens war, was (aus mir nicht verständlichen Gründen) nicht öffentlich gemacht werden darf.
Ich kann aber andeuten, dass das Gericht sehr wohl in gewissen Punkten an seine eigenen Vorgaben gebunden ist. Wenn man das derzeit nicht öffentlich diskutieren darf, wird es sicherlich nach dem Urteil diskutiert werden. Dass dies auch im Rahmen parlamentarsicher Initiativen geschehen wird, wurde mir von Politikern verschiedener Parteien mittlerweile zugesichert.
Meine Idee ist, präziser zu definieren, worüber wir gerade sprechen.
Wenn jemand meine Argumente in einem Teilthema nur deshalb dsikreditiert, weil er dieses Teilthema nicht als relevant ansieht, führt das zu nichts.
Noch ein paar Thesen:
- es fehlt eigentlich kein Geld bei Wirecard, auch wenn einiges mittlerweile leider weg sein dürfte
(hier besteht ein Unterschied zwischen Strafverfahren und Geschädigtenansprüchen: Wenn das Geld weg ist, könnten Geschädigte argumentieren, dass es dann keine Rolle spielt, ob es denn jemals da war - denn entschädigt werden kann man nu einmal nicht mit Geld, das weg ist. Das geht auch in die Richtung von "Lass diea rmen geschädigten doch endlich in Ruhe und mache ihnen keine falschen Hoffnungen".
Gegenargument:
Erstens verändert die Existenz des Geldes aber komplett das Verfahren, selbst wenn es heute weg wäre, weil es gestohlen wurde. Allein deshalb ist es nicht irrelevant, mindestens für das Verfahren als thema an sich. Auch vom Bellenhausmärchen werden Menschen massiv betroffen, nicht nur die familie der Angeklagten sondern sehr viele Personen im weiteren Umfeld. Siehe Diskussion oben: Man könnte sagen, dies sei für ein Börsenforum irrelevant. Dies ist aber eine müßige Diskussion (auch das wiederholt sich jetzt), denn:
Zweitens würde es eben, wie oben erklärt, an anderer Stelle die Gewichte deutlich verschieben: Nämlich hin zu mehr Haftung bei BaFin und EY. Damit würde auch eine Diskussion um Geld, das längst verloren ist, die Situation der Geschädigten indirekt verbessern - ihr Entschädigungsanspruch und ihre EntschädigungsMÖGLICHKEIT würde sich halt aus anderen Gründen ergeben und wäre aus anderen Töpfen zu erfüllen.
Wenn EY bewusst über Sachverhalte täuschte und DESHALB eine Situation schaffen konnte, die die Geschädigten in Nachteil bringt, werden die verantwortlichen hoffentlich eingesperrt... Selbiges gilt übrigens auch für die BaFin. Wenn die BaFin beispielsweise im dem BGH-rteil zugrundeliegenden Fall Sachverhalte falsch darstellte, macht sie sich IMHO strafbar - und zwar diejenigen personen, die namentlich bekannt sind und die Aussagen machten, die zur Klageabweisung führten, auf deren Grundlage der BGH entschied. Das sehen auch Juristen so. Da soll die BaFin sich mal nicht so sicher sein... EY sowieso nicht, schöne Grüße an die Familie Brorhilker ;)
- es gab immer TPA, es wurde nur unterschiedlich bilanziert
(und zwar in einem Volumen, das MINDESTENS den Gewinnen entspricht MINDESTENS in früheren Jahren, der von Wirecard angegeben wurde. Es gibt eine gewisse Unschärfe in den Jahren ab 2018, die darauf zurückzuführen sein könnte, dass das Geschäft tatsächlich nicht mehr über Wirecard lief und DIES nur von der Bande WIRECARD GEGENÜBER vorgetäuscht wurde - oder es lief möglicherweise über Bitcoins oder oder oder)
- die TPA-Partner waren im Kern immer dieselben Personen
Das ist eine relativ kleine Gruppe weltweit, die das gesamte System steuert, von dem Wirecard ein Teil ist. Diese Gruppe ist so klein, dass sich das viele nicht vorstellen können.
Ich suche noch nach einem Bild dafür, im Moment arbeite ich mit der Idee einer Art "Transaktions-Lieferservice" - Da liegt allem eigentlich nur eine skalierbare Software zugrunde, die ein paar wenige Leute steuern. Wenn Du jetzt eine bestimmte Pizza in einer bestimmten Straße haben öchtest, gehst Du zum Lieferservice deiner Wahl.
Dann passieren viele Dinge: Jemand nimmt das entgegen, schickt die Bestellung weiter, wenn Du in einer traße wohnst, wo eine bestimmte Pizzeria hinliefert und wenn es dort die Pizza gibt, die Du haben möchtest. Diese Pizza backt ein Pizzabäcker und irgendwer liefert sie aus.
All diese Personen wissen aber vielleicht nicht, für wen sie am Ende des Tages arbeiten. UndDu bezahlst Deine Pizza dann mit der Karte, aber das ist ja nicht eine Geldübergabe in bar, sondern auch wieder nur ein technischer Vorgang, softwaregesteuert, der irgendwie auslöst, dass Dein Geld von Dir weggeht und irgendwo landet und irgendwie landet es bei allen möglichen leuten, eben nicht nur bei dem Mensch, der Dir mit der Pizza gegenübersteht. Der weiß davon nichts.
So ungefähr. Du bestellst eine Pizza bei Lieferando, ja, aber Lieferando ist ja keine Person, die Pizzas macht oder sie ausliefert.
- diese Personen wurden von immer denselben Wirecardmitarbeitern betreut
Auch hier noch einmal die Unterscheidung: Ich habe Listen mit Wirecardkunden, da würdest Du staunen. Unendlich viel Kleinvieh! Kleine Getränkehändler oder der BUND Naturschutz München. Pippifaxgeschäft. Riesiger Aufwand! Auf der anderen seite hast Du ein halbes dutzend Salesleute bei Wirecard, die machen per handschlag Deals mit PFs oder Aggregatoren über ein Volumen im dreistelligen Millionenbereich. Das entspricht dann vielleicht 40.000 Getränkehändlern, für die Du Hunderte Mitarbeiter brauchst - und bringt dann auch noch pro Transaktion das x-fache an Gewinn...
- für das TPA brauchte man unvorstellbar wenig Personal und Aufwand
eben. Und dann noch das Argument "so eine Klitsche in einem Prager Hochhaus kann keine Millionenumsätze haben". Doch natürlich! Die Klitsche in Prag liefert nur die VU-Nummer oder die Merchant-ID (MID). Innerhalb der Wirecard wurden Mitarbeiter angesprochen, ob sie nicht eine Firma aufmachen könnten. Damit diese eine VU-Nummer liefert, über die man dann Gambling schickt.
Im Buch von Leogrande wird das sehr lustig erzählt: Die Salesmitarbeiter bekamen dafür so viel Geld, dass sie sich fette Autos leisten konnten. Um witzig zu sein, ließen sie sich Autonummern geben, die auf 7995 endeten - das ist der Code für Gambling. Ihre kleinen GmbHs hatten dann kaum realen Umsatz.
Ein einziger (!) Israeli hatte 2013 ein Drittel (!) der gesamten (!) Einlagen der Wirecardbank. 34 Millionen. Das lief über eine von Salesmitarbeitern der Wirecard gegründete Consettfirma "Bluemay Enterprises", die teil eines weltumspannenden Netzwerks war. Die vermutliche Hauptfirma war in Curacao, geleitet von einem Kirgisen.
Die UK-Behörden schrieben:
"The Company’s abbreviated accounts for the years-ended 30 June 2011 and 30 June 2012 show profits of £478 and £833 respectively. However, a Company account at Wirecard Bank AG had total credits of €36,259,489 between 01 January 2011 and 18 March 2013"
Die Behörden entdeckten immerhin einige damit verbundene Firmen:
Broxon Trading Limited. [Skandalbank FBME / wurde von Kroll/FinCEN womöglich fälschlicherweise Ray Akhavan zugeordnet]
Vermillion Capital Limited [Skandalbank FBME / wurde von Kroll/FinCEN womöglich fälschlicherweise Ray Akhavan zugeordnet]
Clydemill Limited [verbunden mit einem Berliner, vermutlich Agora, dann Thema in Stadelheim]
Lyncrest Systems Limited [über Costa rica, führt zum Israeli]
Rollmote Enterprises Limited [möglicherweise verbunden mit US-XXX-Anbieter]
Sharmont Entertainment Limited. [???]
Superb Solutions Limited [Ido Raviv, erwähnt in israelischem Gerichtsdokument]
Trussel Limited [erwähnt in Beweisantrag, September 2023, "Wirecard Cascade Mid Corporation
Trussel LTD" - MID wie oben erwähnt...]
Smart Grade Consulting Limited [Ido Raviv]
Hegira Services Limited [???]
Hier hast Du also:
- gerichtsfest einen Israeli aus dem Gamblinggeschäft
- Mehrfache Verbindungen zu den Beweisanträgen
- Mehrfache Verbindungen über Transaction Laundering zu Dan McCrum / reuters 2017/2018
- ein Konto bei wirecard
- definitiv reales Geschäft
- Geschäft ermöglicht durch Wirecardmitarbeiter
Warum sollte dieses Geschäft nicht in die Bilanz der Wirecard gehören???
Übrigens gibt es auch Zusammenhänge mit der Commerzbank-Liste :)
Da diese Casinos über Belize liefen, schaffte es der Fall dort sogar in die lokale Presse und ein fleißiger Journalist schrieb aus der dortigen Gerichtsverhandlung Informationen in die Zeitung, die mir weiterhelfen:
Wagers were collected using credit cards with the funds flowing directly into bank accounts held by Idan and Shai Raviv. The ‘frequently asked questions’ page, highlights whether or not the operation is legal. The answer is “The Belize Gaming Commission has granted us a license to operate as an online bookmaker.” The terms of agreement also states that “Net Games Inc., an International Business Corporation incorporated under the laws of Belize, is fully licensed and regulated by the laws of that country. The warning page maintains that the sites are registered in Belize and are fully licensed to operate under the laws of Belize. But it seems that the connection with Belize and all associations were made up.
...
The Government of Belize recently discovered that several online gaming websites are claiming to have licenses in Belize. We want to adives the internet community and the general public that there are only two with license to operate from Belize. These are Fulton Data Processing Limited and Sports Offshore Limited. Any other company that claims to have such a license from Belize is clandestine.
(Belize News, 23.12.2009)
Aus solchen kleinen Informationsfetzen kann ich allerhand herauslesen, beispielsweise kann ich die Adresse des Ido raviv finden - wegen eines rechtsstreits mit Yahoo:
The Complainant in this administrative proceeding is Yahoo! a Delaware corporation with its principal place of business at 701 First Avenue, Sunnyvale, California 94089., United States of America.
The Respondent in this administrative proceeding is Net Games, Inc., with a postal mailing address listed as 36 Barracks Street, Belize City, Belize. Ido Raviv is listed as the Administrative, Technical, and Billing Contacts.
Ido Raviv hat also tatsächlich eine gültige Lizenz in Belize und steht dort zugleich vor Gericht, weil die in belize eben nicht so gut recherchieren können wie ich. Aber das haben die Staatsanwälte von Belize schließlich mit denen in München gemeinsam ;)
Die für die Vergabe der Lizenzen in Belize zuständige Behörde wies übrigens darauf hin, dass die eine der beiden Lizenzträger von der "Antigua Gaming Commission" gerade die Lizenz entzogen wurde. Das steht dann auch alles schön brav im Internet. man tut ja schließlich was gegen illegales Gambling. Nur ist das halt witzlos, wenn man quasi den einen Pickel ausdrückt, während nenbendran der nächste kommt - und dahinter genau dieselben Personen stehen. Mit ihren Konten bei: Wirecard :)