IT-ZOOM, Effiziente Cloud-Infrastrukturen, 24.02.2021 von: Philip Fassing
Quelle: https://www.it-zoom.de/it-director/e/...rmation-mit-durchblick-27640/
ITD: Herr Strehl, den Geschäftszahlen nach zu urteilen kann die USU-Gruppe allen Umständen zum Trotz auf ein starkes Jahr 2020 zurückblicken. Was waren dabei die treibenden Faktoren? Benjamin Strehl: Das hat verschiedene Gründe: Zunächst bewegen wir uns in einer Branche, deren Stellenwert im vergangenen Jahr deutlich zugenommen hat. Wie wichtig die Digitalisierung von Serviceprozessen ist, haben spätestens im vergangenen März viele Unternehmen zu spüren bekommen. Darüber hinaus haben wir mit rund 1.200 Kunden auf der ganzen Welt eine sehr breite und international aufgestellte Zielgruppe aus ganz unterschiedlichen Branchen. Eine rückläufige Nachfrage in kriselnden Branchen wie z.B. im Tourismusumfeld konnten wir dementsprechend gut kompensieren.
ITD: Wie konnten Sie das Vertrauen der Kunden in diesen schwierigen Monaten halten? Strehl: Das hat u.a. sicher mit unserer Philosophie zu tun. Wir sind ein börsennotiertes, aber auch ein familiengeführtes Unternehmen. Das ist eine gesunde Mischung, bei der die Kunden wissen, dass niemand auf einen schnellen Exit aus ist. Wir wollen nachhaltig Geschäfte machen, insofern hat uns die Stabilität in der Krise geholfen, das Vertrauen der Kunden weiter zu stärken. So sind wir bisher verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen. Nichtsdestotrotz hat man in der kritischen Phase im vergangenen Jahr gespürt, dass sich viele Unternehmen neu orientieren und erstmal keine großen Budgets freigeben. Das ist nachvollziehbar – wenn die Insolvenz droht, investiert man natürlich nicht in neue Projekte.
ITD: Wie hat sich die Nachfrage der Kunden im Zuge der Krise verändert? Strehl: Die Nachfrage rund um das Thema "Automatisierung" ist z.B. spürbar gestiegen. Mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung ist das ein wichtiger Effizienzhebel. Das kann eine Chatbot-Lösung sein, wie wir sie z.B. mit dem Corona-Bot für eine Reihe von Landkreisen bzw. Kommunen umgesetzt haben, das kann aber auch die Automatisierung von Überwachungsmechanismen in Rechenzentren sein. Für solche Themen ist die Nachfrage definitiv hochgegangen. Das gleiche gilt für das Cloud-Management. Wir merken, dass die Unternehmen der Situation entsprechend teilweise mehrere Jahre der Digitalisierung innerhalb kürzester Zeit nachholen, und dazu gehören natürlich auch viele Cloud-Lösungen. Allerdings kam diese Entwicklung für viele so plötzlich, dass die Umsetzung nicht bei jedem ideal vorbereitet werden konnte. Die betroffenen Kunden wollen ihre unübersichtlich gewachsenen Cloud-Landschaften jetzt ordnen, um zu sehen, wo sie überhaupt stehen.
ITD: Wie sieht derzeit die Gewichtung der verschiedenen Geschäftsbereiche bei der USU aus? Strehl: Man kann ungefähr sagen, dass Kundenservice, Software Asset Management (SAM) und IT-Service-Management (ITSM) jeweils ein Drittel ausmachen. Das ist aktuell unser Lösungsmix. Der Trend geht aber ganz klar zu kombinierten Cloud-Management-Lösungen, die auf die gesamte Infrastruktur einzahlen. Es lässt sich nicht mehr so einfach zwischen Thema A und Thema B unterscheiden, da viele Aspekte ineinandergreifen. Diese Erkenntnis spielt für unser Rebranding und unsere interne Organisation eine wichtige Rolle. Wir wollen in dieser Hinsicht stärker die Perspektive des Kunden einnehmen.
ITD: Was bedeutet das konkret für die Gruppe? Strehl: Seit dem 28. Januar gibt es nur noch USU, alle anderen Marken gehen in Zukunft unter diesem Dach auf. Das betrifft nicht nur die formale Ebene oder die Außendarstellung, sondern ist auch tief in der Neuorganisation verankert. Damit wollen wir die Basis für das Wachstum der nächsten Jahre schaffen. Wenn wir den Kunden predigen, dass sie mehr digitalisieren sollen, müssen wir intern die besten Voraussetzungen dafür schaffen.
ITD: Wie profitieren die Kunden von dieser Neuaufstellung? Strehl: Der Anwender möchte vor allem sein Problem lösen – welche Technologie dafür im Detail eingesetzt wird und welche Buzzwords dafür verwendet werden, ist eher nebensächlich. Das heißt: Die Kunden interessiert vor allem, wie sie die Kosten für Infrastruktur reduzieren, den Service effizienter und wirtschaftlicher gestalten oder ihre Cloud-Landschaft ordnen können. Auf diese Perspektive haben wir uns komplett ausgerichtet.
ITD: Wie korrespondiert diese Strategie mit den Auswirkungen der Krise? Strehl: Durch die Krise wurde zunächst einmal viel beschleunigt. Früher glichen die Digitalisierungsvorgänge bei den Anwendern eher einer Evolution, heute könnte man vielerorts von einer Revolution sprechen. Das spürt man: Obwohl wir seit März keinen Kunden besuchen durften, haben wir in vielen neuen Märkten so hohe Umsätze wie noch nie – Russland, Japan, Türkei. Alles aus der Ferne, ohne direkt vor Ort sein zu können. Das erfordert natürlich auch intern ganz andere Prozesse: Es gibt heute nicht mehr den Experten für alles. Man muss daher sehr viel mehr mit Partnern zusammenarbeiten, denn Inselwissen bringt niemanden weiter.
ITD: Können Sie die Umstrukturierung anhand eines konkreten Beispiels veranschaulichen? Strehl: Die Entwicklung lässt sich gut an Katana, unserer ehemaligen Einheit für Big Data und Künstliche Intelligenz (KI), aufzeigen. Dort wurde an Themen geforscht, die seit Jahren hoch im Kurs stehen und viele interessante Leuchtturmprojekte hervorgebracht haben. Danach ist das große Interesse an KI abgeflacht und die richtigen Business Cases sind gefolgt. So hat sich in der Kooperation mit den Kunden immer häufiger die Frage gestellt, wo man KI konkret in die Anwendung einbringen könnte. Da unsere Zielgruppe aber IT- und Kundenservice sind, haben wir uns darauf fokussiert, KI-Technologien für diese Einsatzbereiche zu entwickeln und den Mehrwert in der Praxis zu zeigen.
ITD: Sie unterstützen Unternehmen auch bei der Organisation ihrer Cloud-Landschaften. Wie hat sich dieses Geschäft durch die explosionsartige Dezentralisierung von Arbeitsplätzen verändert? Strehl: Auch hier beschleunigt die Krise viele Vorgänge. Cloud-Angebote schaffen neue Unabhängigkeiten, weil sich die Provider um alles kümmern. Das Problem ist allerdings, dass viele IT-Abteilungen entsprechende Services aufgrund fehlender Vorbereitung gar nicht anbieten konnten. Also haben sich die Fachabteilungen mancherorts einfach selbst geholfen und auf eigene Faust neue Dienste in Betrieb genommen. Oft fehlen zudem die Vorgaben, da wachsen dann überall isolierte Insellösungen, und es werden für den gleichen Zweck verschiedene Werkzeuge eingesetzt. Geschieht das in verschiedenen Abteilungen über die gesamte Organisation hinweg, entsteht schnell eine unübersichtliche Fülle an Cloud-Zugängen, die sich nur noch schwer verwalten lässt und kostenintensiv sind.
ITD: Vor welchen Problemen stehen die Anwender? Strehl: Es kommt z.B. häufig vor, dass seitens der Kunden Schnittstellen in das Active Directory angefragt werden, ohne dass klar ist, um welche Lösung es überhaupt geht. Diese Lösungen wurden dann eigenständig von den Fachabteilungen angeschafft, weil sie zu einem gewissen Zeitpunkt alternativlos waren. Wenn dann damit ein halbes Jahr oder länger gearbeitet wird, werden Fakten geschaffen – das lässt sich nicht einfach zurückdrehen. Dann liegt es an der IT, das Ganze in geordnete Bahnen zu lenken. Hierfür sind integrierte Anwendungen, z.B. für Software-Lizenzmanagement oder IT-Monitoring wichtig.
ITD: Wie kann eine Cloud-Management-Lösung dabei helfen, solche Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen? Strehl: Zunächst hilft natürlich der umfassende Blick auf die genutzten Dienste schon dabei, die Services in den Griff zu bekommen. Ich kann nur das verwalten, was ich sehe. Da gibt es bei den Kunden oft richtige „Aha“-Erlebnisse. Mit der richtigen Lösung sehen Geschäftsführer dann z.B., dass zweistellige Millionenbeträge für eine Customer-Relationship-Management-Lösung (CRM) ausgegeben werden, ohne dass etwas ausgeschrieben war. Oder es wird bemerkt, dass in den USA Serverkapazitäten angemietet wurden, obwohl man alle seine Daten in Europa gewähnt hat. Hinter solchen Aktionen steckt natürlich keine böse Absicht, sondern vielmehr die Dringlichkeit für gewisse Dienste. Das kann auch einfach damit zu tun haben, dass die eigene IT geforderte Dinge aufgrund anderer Rahmenbedingungen nicht erfüllen kann.
ITD: Bei mangelnder Übersicht wird häufig mehr bezahlt, als eigentlich genutzt wird. Wie entstehen solche toten Winkel? Strehl: Solche ungenutzten Kapazitäten entstehen in der Regel, wenn die Ressourcen nicht zentral verwaltet werden. Wenn in einer Fachabteilung z.B. fünf Zugänge für einen Dienst abonniert, aber nur vier Konten genutzt werden. Das fällt im Detail nicht unbedingt auf, in großen Unternehmen mit vielen tausend Mitarbeitern summieren sich solche Fälle aber schnell zu einem ersthaften Kostenfaktor. Man kann in der Cloud eigentlich nur schwer zu wenig Leistung buchen, weil man in solchen Fällen schnell zu einem entsprechenden Upgrade angehalten wird und dieses in der Regel kurzfristig durchführen kann. Im Umkehrschluss kann man aber durchaus zu viele Leistungen buchen. Man muss sich eben immer fragen, ob man das All-in-Premium-Paket wirklich braucht, wenn eigentlich nur einzelne Funktionen des jeweiligen Dienstes genutzt werden.
ITD: Das klingt naheliegend. Strehl: Im Prinzip schon, das Thema wird allerdings gerne unterschätzt. Natürlich ist es erstmal sehr einfach, einen Salesforce-Zugang zu buchen. In der Gesamtbetrachtung wird es aber sehr schnell kompliziert. Da muss überlegt werden, auf welchen Instanzen meine Applikationen überhaupt laufen, von welchen Ländern darauf zugegriffen wird oder wo vielleicht eine indirekte Nutzung vorliegen könnte, was z.B. bei SAP ja immer wieder ein großes Thema ist. Da können enorme Kosten entstehen. Man muss sich daher genau überlegen, was für einen die wichtigsten Plattformen sind, wie sich die Nutzung in den nächsten Jahren entwickeln könnte, wer genau darauf zugreifen soll – und dann setzt man das einmal sauber auf.
ITD: In vielen Unternehmen müssen neben den Cloud-Ressourcen auch lokale Infrastrukturen berücksichtigt werden. Wie lange wird es solche hybriden IT-Landschaften noch geben? Strehl: Das ist schwer einzuschätzen. Bei der Neubeschaffung ist jetzt schon über die Hälfte der Lösungen aus der Cloud, dieser Trend wird meiner Meinung nach weiter anziehen. In vier oder fünf Jahren dürften neue Lösungen fast nur noch aus der Cloud bezogen werden. Hier kommt es allerdings stark auf das Umfeld an. Wenn wir über regulierte Branchen wie das Finanz- oder Versicherungswesen sprechen, gibt es viele Verordnungen, die gar nicht erst angefasst werden. Das gleiche gilt dann für die entsprechenden Prozesse. Da ist der Fortschritt dann stark von der korrespondierenden Gesetzgebung abhängig.
ITD: Bringt das Ihrer Meinung nach Standortnachteile für Deutschland mit sich? Strehl: Man könnte jetzt sagen, dass wir diesen Regulierungsaufwand in Deutschland gewohnt sind, aber perspektivisch ist es schon ein gewisser Nachteil. Die internationale Konkurrenz muss sich nicht in dem gleichen Umfang mit solchen Hürden beschäftigen. Da geht es ja auch um Prozesse, bei deren Digitalisierungen US-Unternehmen schon viel mehr Erfahrung sammeln konnten, während einem hierzulande aufgrund von Datenschutzbestimmungen oder anderen Regulierungen die Hände gebunden sind. Daher ist es für uns wichtig, international aufgestellt zu sein, weil wir Innovationen so viel schneller ausprobieren können.
ITD: Welche Entwicklungen und Herausforderungen sehen Sie in den nächsten Jahren auf die USU-Gruppe zukommen? Strehl: Zunächst mal wird es eine große Herausforderung werden, unter den aktuellen Umständen das Miteinander weiter aufrecht zu erhalten. Wir funktionieren zwar in dem aktuellen Krisenmodus sehr gut, trotzdem leben wir sehr stark für unsere Unternehmenskultur und zu der gehört eben auch der direkte Austausch – ganz egal ob mit den Kollegen oder den Kunden. Darüber hinaus wird sicher die Zusammenarbeit mit unseren Partnern intensiviert. In diesem Zusammenhang wird ja gerne von „Coopetition“ gesprochen. Das ist unserer Meinung nach ein wichtiger Baustein, um die großen Herausforderungen der Digitalisierung zu lösen. Diese Aspekte sind auch für unsere weitere Internationalisierung zentral. Denn die enge Kundenbetreuung durch erfahrene Experten und die daraus resultierende hohe Kundenzufriedenheit sind der Schlüssel unseres Erfolgs. Und diesen können wir in den großen Wachstumsmärkten Nordamerika und Asien nur im vertrauensvollen Zusammenspiel mit starken Partnern realisieren.
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