Bernanke wird nicht müde, vor Inflation zu warnen, aber die Märkte ignorieren ihn. Insbesondere der Bond-Markt, der zurzeit drei Zinsenkungen um 0,25 % einpreist (L. Zeise/FTD schreibt unten zwei, aber der Leitzins steht bei 5,25 % und die Rendite Zehnjähriger US-Anleihen bei 4,5 % - macht 0,75 % Differenz). Der Markt hält Bernankes Beteuerungen daher für Zwecklügen. Wenn der gute Ben mal 0,25 % drauflegen würde heute, könnte er seinen bislang leeren Worten Nachdruck verleihen.
Zeise verkennt im Artikel unten, dass die Kerninflation tatsächlich drastisch auf jetzt 2,7 % gestiegen ist. Das ist kein "leeres Gerede" von Bernanke.
Kolumne Vorteil schwacher Dollar von Lucas Zeise
Warum für die Amerikaner der schnelle Absturz der eigenen Währung nützlich sein kann.
Die Fed hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Bei Notenbanken gilt das als schlimm, schlimmer jedenfalls als bei Politikern. Seit zehn Monaten steht Ben Bernanke an der Spitze der US-Notenbank, und fast ebenso lange versucht er, die Akteure am Finanzmarkt davon zu überzeugen, dass die Inflation in den USA eine reale Gefahr darstellt. Die Investoren aber sind in dieser Hinsicht völlig sorglos. Bernankes Warnungen werden in den Wind geschlagen. Die Renditen an den Bondmärkten bleiben niedrig. Für Staatsanleihen von zehn Jahren Laufzeit werden gerade einmal 4,5 Prozent geboten. Kaum vorstellbar, dass sich erfahrene Fondsmanager solche Papiere mit dieser Rendite ins Portefeuille legen, wenn sie erwarten müssten, dass die Inflation von derzeit schon 3,5 Prozent weiter steigen wird. Aber sie tun es.
Sie glauben auch Bernankes Beteuerungen nicht, die Fed sei - gerade wegen der Inflationsgefahr - eher geneigt, ihre Leitzinsen zu erhöhen als zu senken. In den Futures am Geldmarkt werden im kommenden Jahr zwei Zinssenkungen à 0,25 Prozentpunkte unterstellt. Derzeit steht der Leitzins bei 5,25 Prozent. Das Offenmarktkomitee wird ihn in der Sitzung am Dienstag nicht ändern. Vermutlich aber werden Bernanke und Kollegen in der kurzen Begründung nach der Sitzung wieder die Inflationsgefahr für die US-Wirtschaft hoch- und die Rezessionsgefahr herunterspielen.
Inflationsangst nur gespielt
Das Verhalten ist verständlich. Was soll man sonst machen, wenn man als Notenbanker mit einer Wirtschaft zu tun hat, die gerade abbremst? Da kann man nicht von Rezessionsgefahr reden. Es würde die beschädigte Investitionslaune vollends verderben. Man muss Zuversicht verbreiten. Gespielte Inflationsangst soll das Bild nur realistisch aufhübschen. Sie gehört für Notenbanker einfach dazu.
In Wirklichkeit ist es wahrscheinlich, dass die Konjunktur in den USA im laufenden Quartal nur noch stagniert und 2007 in die Rezession gleitet. Die Akteure an den Bondmärkten sehen es so. Immer mehr belastbare Daten deuten darauf hin. Der Index der Frühindikatoren weist abwärts, der ISM-Index der Einkäufer ist unter 50 gesunken, die Auftragseingänge der Industrie sind eingebrochen. Entscheidend aber ist, dass der Wohnungsbausektor sich immer noch im Abwärtstrend befindet. Die Exzesse steigender Immobilienpreise und damit möglicher und realisierter immer höherer Verschuldung der US-Haushalte beginnen gerade erst, sich abzubauen. Nach der jüngsten Statistik der Fed hat die Kreditnachfrage der Haushalte zu sinken begonnen. Ihre Verschuldung steigt dagegen munter weiter. Die eigentlich schmerzhaften Effekte auf die Nachfrage der Haushalte werden sich noch einstellen. Einiges spricht dafür, dass diese Rezession tiefer wird und länger dauern könnte als der sehr kurze Einbruch 2001.
Auch dem Dollar hat der aufkommende Pessimismus bezüglich der US-Konjunktur geschadet. Im Moment scheint er nur von den Käufen der chinesischen und einiger anderer asiatischer Zentralbanken gestützt zu werden. Außerdem spricht gemäß der paradoxen Logik der Finanzmärkte für die US-Währung, dass alle Welt ihr Abrutschen erwartet. Tatsächlich sind die Gründe für einen schwachen Dollar erdrückend: Es sind in erster Linie die Defizite der US-Handels- und Leistungsbilanz, dann die Erwartung niedriger werdender Zinsen in den USA, während sich die Europäische Zentralbank glaubhaft noch auf Zinsanhebungskurs befindet, und schließlich die trüber werdenden konjunkturellen Aussichten für die USA.
Ein weiterer Grund dürfte über kurz oder lang dazukommen: Wenn die Notenbank und die Regierung in Washington die Taktik des Gesundbetens der Wirtschaft mangels Erfolg aufgeben, dann wird ein rasch abwertender Dollar ihnen gut in den Kram passen. Die Betonung dabei liegt dabei auf rasch. Eine rasche Abwertung des Dollar auf ein dann stabiles oder sogar aufwertungsverdächtiges Niveau wäre aus Washingtoner Sicht einem sich lange hinziehenden Siechtum der Währung vorzuziehen.
Die Gründe dafür sind einfach. Dass der Dollar noch weiter abwerten muss, ist sicher. Anders ist eine Rückführung des massiven Leistungsbilanzdefizits nicht vorstellbar. In dieselbe Richtung wirken auch die schwächer werdende Konjunktur und die weniger starke Nachfrage nach Importgütern. Ein billigerer Dollar würde die Einfuhr zusätzlich dämpfen, dem Export aber neue Impulse geben.
Gläubiger bei der Stange halten
Das Hauptproblem einer Abwertung besteht in der Reaktion der Gläubiger. Schon jetzt müssen die Käufer von US-Vermögenswerten sich mit mageren Renditen zufriedengeben. Die Immobilienpreise driften bereits abwärts. Gegen die Rezessionserwartung wird am Aktienmarkt die Übernahmefantasie sich nicht durchsetzen können. Am Bondmarkt sind weitere Kursgewinne zwar möglich, wenn die Rezession offensichtlich wird und die Fed die Leitzinsen senkt. Große Sprünge sind aber nicht zu machen.
Wenn Investoren befürchten müssen, dass zusätzlich der Dollar noch abwertet, werden sie noch weniger bereit sein, mit ihrem Kapital die Finanzierungslücken des Landes zu schließen. Konkret hieße das, dass die Aktienkurse und Immobilienpreise beschleunigt fallen und die Renditen auf Staats- sowie Unternehmensanleihen steigen würden. Den entsprechenden Reichtumsverlust der US-Bürger wird jeder Politiker vermeiden wollen. Außerdem würde er zudem die Rezession dramatisch verschärfen.
Vermeiden lässt sich dieses Negativszenario am besten durch einen schnellen, aber tiefen Fall des Dollar um sagen wir 20 Prozent auf einen Euro-Kurs von 1,60 Dollar. Personen und Institutionen, die ihr Vermögen stark auf den Dollar konzentriert haben, wie die chinesische Zentralbank oder die Deutsche Bundesbank, müssten dramatische Verluste hinnehmen. Danach aber hätte die Anlage in den USA wieder einen gewissen Charme: relativ niedrige Einstiegskosten plus Erholungspotenzial.
[Der erwähnte Vorteil des schnellen Fallens leuchtet mir nicht ein - A.L.]
Amerika hätte so die Kapitalzufuhr in schwierigen Zeiten gesichert - dazu die übelsten Wirkungen der Rezession nach Europa exportiert.
Lucas Zeise ist Finanzkolumnist der FTD. |