Um es vorwegzunehmen: Ich halte nicht viel vom "Fed-Modell", das US-Volkswirt Ed Yardini 1997 im Auftrag der Deutschen Bank entwickelt hat. Denn es ist meiner Meinung nach ein Werkzeug zur Rechtfertigung von Blasen-Bewertungen der späten 1990-er Jahre.
1. Der DOW JONES
Nichtsdestotrotz ist der Dow Jones auch nach diesem zweifelhaften Fed-Modell deutlich überbewertet. Der Dow schloss gestern bei 12176 Punkten - mit einem KGV von 23,6.
http://bigcharts.marketwatch.com/quickchart/...asp?symb=djia&sid=1643
Der faire Werte nach dem Fed-Modell ergibt sich, wenn das KGV des Dow Jones dem des von Yardini so genannten Renten-KGVs entspricht. Dieses erhält man, wenn man 100 durch den Zinssatz teilt, der zurzeit auf 10-jährige US-Staatsanleihen gezahlt wird. Laut der aktuellen Zinskurve (Chart unten) liegen die Zinsen für 10-jährige "Treasuries" zurzeit bei 4,63 %. Teilt man 100 durch diese 4,63, erhält man eine "faires" Aktien-KGV von 21,59.
Der Dow Jones hat aber ein KGV von 23,6. Um das faire KGV gemäß Fed-Modell zu erhalten, müsste der Dow somit auf 10226 fallen (11176 x 21,59/23,6). Das entspricht einer Überbewertung um fast 1000 Punkte.
Wie kam es zu dieser Blase? Große Fonds hatten im Sommer, als der Ölpreis einbrach, mit Energiewerten, in denen sie übergewichtet waren, Verluste gemacht. Viele dieser Verlustbringer wurden verkauft (tax loss selling), um Steuern auf andere Gewinne zu sparen und um die Depotauszüge optisch besser aussehen zu lassen (Loser machen sich darin nicht gut, schreckt Investoren ab).
Um diese Underperformance auszugleichen, haben die Fonds das frei werdende Geld massiv in "Big Caps" gesteckt (vor allem Tech- und Pharma-Werte) - was den Dow Jones stark nach oben steigen ließ. Ein Nebeneffekt war, dass die eigentlich abgehalfterten "Schlachtrösser" der späten 1990-er wie Cisco und Intel ein neues "Spätherbsterwachen" feierten (könnte man auch Totentanz nennen). Dass die Fonds in Big Caps gingen, liegt schlicht daran, dass sie riesige Summen anzulegen haben. Kleinere Werte könnten sie mit ihren Milliardenbeträgen gar nicht kaufen, ohne deren Kurse in astronomische Höhen zu hieven (kurzzeitig). Außerdem gelten Big Caps in Anbetracht der kommenden US-Wirtschaftsschwäche als "sicherer". Will meinen: Sie verlieren bei einem Dow-Jones-Absacker um 20 % weniger als "Small Caps", die dann vielleicht um 40 % absacken.
All dies erzeugte beim Dow Jones eine Blase - mit mindestens jenen 1000 Punkten Überbewertung, die sich schon mit dem (sehr aktienfreundlichen) Fed-Modell errechnen.
2. DER S&P-500
Der S&P-500 ist nach dem Fed-Modell noch unterbewertet. Er hat ein KGV von 18,55, so dass er nach Fed-Modell noch 16,4 % zulegen könnte (21,6/18,55).
Das Fed-Modell ist aber - wie gesagt - ein Blasen-Modell. Angemessener ist, das durchschnittliche historische KGV zugrunde zu legen. Im Schnitt der letzten 100 Jahre lag das KGV des S&P-500 bei 14. Da der SP-500 zurzeit ein KGV von 18,55 hat, ergibt sich eine Überbewertung um 18,55/14 = 32 Prozent.
Demnach liegt der faire Wert für den SP-500 nicht bei den jetzigen 1385, sondern bei 1045.
Ich gebe allerdings zu, dass solche Bewertungsfragen in Euphoriephasen wie jetzt kaum beachtet werden und daher den gegenwärtigen Höhenflug kaum ausbremsen dürften. Wie schräg die Lage werden kann, zeigte ja die Dot-com-Blase im Jahr 2000. Für Rückschläge bedarf es fundamentaler Anstöße. Diese wurden letzte Woche bereits geliefert (sinkendes Wirtschaftswachstum, steigende Inflation), was die Kurse ja sechs Tage in Folge sinken ließ. Anfang dieser Woche sorgte die grassierende "Fusionitis" jedoch für neuen Schaum vor dem Bullenmund. Zu Unrecht, meine ich, denn Fusionen bringen meist langfristig nicht viel. Man blicke nur auf Daimler-Chrysler oder die BMW-Experimente mit Rover (bereits rückabgewickelt, droht bei DCX auch).
CHARTTECHNIK
Charttechnisch könnten wir jetzt bei den US-Indizes ein kurzfristiges Doppeltop sehen. Genauso wie endlose Abstürze in Bärenmärkten meist mit einem kleinen "W" im Chart enden, dessen zweite Flanke etwas tiefer ausfällt als die erste, gibt es am Doppeltop typischerweise ein "M", dessen zweite Flanke etwas höher steigt als die erste.
Über drei Jahre betrachtet ergibt sich noch ein weiteres "M" - zusammen mit dem Zwischenhoch im Mai 2006. |