Die Kreditkrise wird letztlich Garantien der öffentlichen Hand für Banken nach sich ziehen. Es sieht mittlerweile so aus, als entwickele sich die Kreditmarktkrise zu einer der größeren Finanzkrisen der Geschichte mit Folgen für das globale Finanzsystem und für die Weltwirtschaft insgesamt. Deutschland wird wahrscheinlich eine Rezession vermeiden, vielleicht auch der Euro-Raum als Ganzes. Aber den USA, Großbritannien, Spanien und einigen anderen Ländern droht ein Absturz. Die herkömmlichen Mittel der Geld- und Fiskalpolitik - Zinssenkungen, Ausgabenerhöhungen und/oder Steuersenkungen - werden nicht ausreichen, um diese Krise zu bewältigen. Auch die ausgefeilten Liquiditätsoperationen der Zentralbanken lösen das Problem nicht.
Der Grund dafür liegt in der Natur dieser Krise. Der Kreditkanal, einer der wichtigsten der Geldpolitik, ist chronisch beschädigt. Selbst wenn Zentralbanken noch so viel Liquidität in das System hineinpumpen und selbst wenn sie die Zinsen senken sollten, wird die akute Verstopfung des Kanals nicht aufgelöst. Der Grund dieser Verstopfung ist Insolvenz, nicht fehlende Liquidität. Einer Bank fehlt es an Liquidität, wenn sie nicht genügend flüssige Mittel hat, um ihre Forderungen zu begleichen. Eine Bank ist insolvent, wenn sie illiquide ist und darüber hinaus ein negatives Gesamtvermögen hat. Das Problem fehlender Liquidität lässt sich durch Überbrückungskredite lösen. Insolvenz hingegen führt entweder zum Konkurs, zur Übernahme oder zur staatlichen Rettung.
Eine große Anzahl von Kreditinstituten und Investmentgesellschaften, die jetzt auf den zweifelhaften Produkten der Kreditmärkte sitzen, sind effektiv insolvent. Wir wissen es nicht genau, denn die Produkte sind nicht bewertet. Wir vermuten daher das Schlimmste - dass viele dieser Papiere heute nur noch Schrott wert sind, selbst wenn sie das "AAA"-Gütesiegel einer Ratingagentur genießen. Einige Banken warten daher auch darauf, dass sich der Kreditmarkt wieder erholt, sodass der Verdacht der Insolvenz aus dem Weg geräumt ist. Das wird sich voraussichtlich als Irrglaube erweisen.
Ende der Immobilienkrise nicht in Sicht
Solange der Kreditmarkt nicht wieder in Gang kommt, bleibt uns diese Krise erhalten. Eine der Mindestvoraussetzungen für eine Trendwende wäre ein Ende der Immobilienkrise, das nicht abzusehen ist. Im Gegenteil, es ist sehr wahrscheinlich, dass die USA, Großbritannien und andere Länder vor einem rasanten Fall der Immobilienpreise stehen. Wie wir es in Japan Anfang der 90er-Jahre erlebt haben, dauern derartige Anpassungsprozesse sehr lange.
Das wichtigste politische Instrument zur Bekämpfung dieser Krise ist die Fiskalpolitik. Man kann zum Beispiel gebeutelten Hypothekenkunden in den USA mit Beihilfen unter die Arme greifen. Am Ende, so glaube ich, wird man einigen Kreditinstituten sogar staatliche Solvenzgarantien geben müssen, allein schon, damit diese sich am Markt wieder refinanzieren können. Der Markt misstraut den Banken, und die Banken misstrauen einander. Ohne staatliche Solvenzgarantien werden wir dieses Vertrauenstief nicht bewältigen. Niedrige Zinsen allein helfen hier nicht, könnten sogar noch mehr Schaden anrichten, weil die Inflationsängste überhand nehmen könnten.
Staatliche Solvenzgarantien sind politisch natürlich hochproblematisch. Wie kann man schließlich rechtfertigen, dass eine Bank eine Solvenzgarantie erhält, wenn sie ihrem Vorstandsvorsitzenden ein Gehalt von 100 Mio. $ zahlt? Wozu belässt man eine Industrie im Privatsektor, wenn sie sich staatlicher Garantien erfreut? Sollte man derartige Banken eventuell verstaatlichen? Wären solche Unterstützungen kein Verstoß gegen Kartellrechte?
Ich würde nicht ausschließen, dass im Verlauf dieser Krise erst eine Bank oder mehrere große Investitionsgesellschaften kollabieren, bevor es am Ende zu staatlichen Solvenzgarantien kommen wird, ähnlich wie damals in den 80er-Jahren während der großen Krise der amerikanischen Savings-and-Loan-Banken. Dann werden wir uns grundsätzlich fragen müssen, wie wir Banken in Zukunft regulieren wollen Denn so wie bislang kann es nicht weitergehen.
Ich bin nicht sehr optimistisch, dass wir diesen Prozess gut managen werden. Der Grund dafür liegt in der Wirtschaftspolitik. Finanzpolitiker wie der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück sind zwar sehr schnell mit Schuldzuweisungen, allerdings haben auch sie kein stimmiges Konzept, wie man aus dieser Krise herauskommt.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Diskussion über eine europäische Bankenaufsicht. Frankreich und Deutschland mauern, weil beide Länder enge nationale Interessen verfolgen. Die ganze Debatte, ob die deutsche Bankenaufsicht bei der Bundesbank oder bei der BaFin angesiedelt sein sollte, ist angesichts des Ausmaßes grenzüberschreitender Banken völlig absurd. In einem europäischen Binnenmarkt sollte die Bankaufsicht auf europäischer Ebene angesiedelt sein, ob nun bei der Zentralbank oder einer eigens dafür eingerichteten Behörde.
Zumindest brauchen wir politische Führung, um das Ausmaß der Kreditkrise zu begrenzen. Doch daran fehlt es momentan am meisten.
Wolfgang Münchau ist FTD- und FT-Kolumnist. Er leitet den Informationsdienst Eurointelligence.com. (c) FTD // von finanztreff.de > news 18.12.2007 - 19:18 Uhr |