04. Okt 2007: "Double bubble trouble"
Die allermeisten Beobachter sind sich einig: Der Außenwert des Dollar muss weiter abnehmen, ein Außenhandelsdefizit wie das amerikanische kann nicht bis zum St.-Nimmerleins-Tag bestehen bleiben. Das Thema ist im Vorfeld des G7-Treffens aktuell.
Immer wieder wird ein drei-Punkte-Programm vorgeschlagen, um die entstandenen globalen Ungleichgewichte im Griff zu behalten, geschweige denn, zu lösen: Deutliche Reduktion der US-Staatsverschuldung, Expansion der Inlandsnachfrage der größeren Volkswirtschaften außerhalb der USA und kleine, aber beständige Anpassungen der Währungsrelationen.
Stirbt auch hier die Hoffnung zuletzt (auf eine schleichende Anpassung)? Sehen wir demnächst einen Dollar-Kollaps? Oder sogar das Gegenteil, einen nachhaltigen erstarkenden Greenback?
Richard Baldwin gibt in seinem Artikel Is the United States headed for double bubble trouble?" Überlegungen von Paul Krugman wider: Die USA tendieren dazu, reale Vermögenswerte im Ausland zu halten, wobei die Verbindlichkeiten in Dollar notieren. Eine reale Dollar-Abwertung lässt den Wert der Vermögensgegenstände im Ausland steigen, gleichzeitig reduzieren sich die Schulden real.
Eine wachsende Verschuldung der USA reduziert zwar das Netto-Einkommen aus Investitionen, aber so lange das Bruttoinlandsprodukt der USA schneller wächst als die Netto-Auslands-Verschuldung, ist keine Gefahr im Verzug. Das gegenwärtig bei 20 Prozent liegende Verhältnis zwischen beiden volkswirtschaftlichen Aggregaten konvergiert dann gegen ein langfristiges Gleichgewicht. Das nährt die Hoffnung, der Anpassungsprozess werde sich schleichend vollziehen. Wenn jedoch die Zuwachsraten der Netto-Auslands-Verschuldung über die des Bruttoinlandsprodukts steigen, findet die Konvergenz nicht statt. Folglich muss der Anpassungsprozess den Greenback immer stärker drücken bis hin zu einen unkontrollierten Zusammenbruch.
Das reale Abwertungspotenzial des Dollar beträgt nach Berechnungen, die Obstfeld and Rogoff 2005 angestellt haben, etwa 35 Prozent. Krugman hält das eher noch für eine Untertreibung. Daraus ergäbe sich ein Ziel beim Euro/Dollar von bis zu 1,90. Bei einer jährlichen realen Dollar-Abwertung von 4 Prozent konvergierte das Verhältnis Netto-Auslands-Verschuldung zu Bruttoinlandsprodukt gegen ein Niveau von knapp 60 Prozent, dem dreifachen des aktuellen Wertes. Der Wert sei zwar historisch hoch, aber möglicherweise plausibel in einem Umfeld der finanziellen Globalisierung, heißt es.
Die Frage ist, ob, bzw. wie lange Investoren dies mitmachen. Um Käufer von US-Schulden oder sonstige Investoren im Dollar-Raum bei der Stange zu halten, ist ein "Abwertungsausgleich" erforderlich. Zinsen und andere Kapitalerträge müssen im Dollar-Raum substantiell höher sein als anderswo. Das sind sie aktuell aber nicht, zumindest nicht ausreichend, meint Baldwin.
So weit die Überlegungen von Krugman. Sie untermauern den Konsens, dass der Dollar nachhaltiges Abwertungspotenzial hat. Gleichzeitig betonen sie die Anfälligkeit des Greenback für einen Kollaps.
Das Handelsbilanzdefizit der USA ist in 2006 auf 857 Mrd. Dollar oder 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen - doppelt so hoch wie die vorherige Rekord-Spitze Mitte der 1980er Jahre. Seit 2003 wächst es mit etwa 100 Mrd. Dollar pro Jahr. Die USA müssen pro Arbeitstag 8 Mrd. Dollar an ausländischem Kapital anziehen, um dies zu "finanzieren". Bei einer Summe von aktuell rund 14 Billionen Dollar, die das Ausland an US-Schulden hält, kann schon die kleinste Störung Zweifel an der Konvergenzhoffnung schüren und den Dollar auf unkontrollierte Talfahrt schicken.
Andererseits haben ausländische Zentralbanken bisher aus eigenen wirtschaftspolitischen Erwägungen den Dollar über den Kauf von US-"Assets" gestützt. Das ist auch aus Sicht privater, an Ertragsmaximierung interessierter Investoren willkommen, nährt es doch die obige Konvergenz-Hoffnung. Diese (trügerische?) Sicherheit stabilisiert die Dollar-Szenerie zwar immer wieder, ist aber möglicherweise gerade deswegen die Basis für künftige erhebliche Turbulenzen. Dann nämlich, wenn die Akteure aufwachen und erkennen, was Sache ist.
"Double bubble trouble": Zu der sowieso schon labilen Lage beim Außenwert des Dollar kommt aktuell hinzu, dass ein weiter abwertender Dollar im Kontext einer US-Produktion nahe Vollbeschäftigung und hoher Kapazitätsauslastung in besonderem Maße preistreibend wirkt. Ein weiter abwertender Dollar dürfte im Kontext einer keineswegs gelösten weltweiten Kreditkrise und eines Konjunkturzyklus, der seinen Zenith überschritten hat, zudem auch Verkäufe von US-"Assets" forcieren und so zu höheren Zinsen führen. Ein gleichzeitiges Platzen der Blasen von Handelsbilanzdefizit und Hauspreisen begünstigt eine Rezession. Der Artikel schließt denn auch: "… it probably won't be much fun."
Charttechnisch liegt es beim Währungspaar Euro/Dollar nahe, das die nächsten Ziele jetzt auf der Unterseite zu finden sind. Maximal dürfte die statische Marke von 1,3660 drin sein, die Ende 2004 zum ersten Mal und dann Ende April diesen Jahres erneut erreicht wurde. Danach dürfte ein Rebound anstehen, dabei erscheint es aus heutiger Sicht eher zweifelhaft, dass das zuletzt markierte Hoch bei knapp 1,43 dabei überwunden wird. Chart
In einem weiteren Artikel soll untersucht werden, welche Gründe den Greenback nachhaltig erstarken lassen könnten. Nicht ungewöhnlich, dass ein von vielen erwartetes Szenario wie eben ein beständig abwertender Dollar gerade nicht eintritt.
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