ist doch ganz einfach, wann es nach oben oder nach unten geht, dann wenn es die großen Adressen wollen, die wollen JETZT noch nicht.
Schaut euch dazu folgenden Kommentar, vom letzten Freitag an. (Quelle: Daily Observer)
Die großen Adressen und die "ewige Hausse"
von Ronald Gehrt
Guten Morgen, verehrte Leserinnen und Leser!
Da ich in den letzten Tagen immer öfter Leserbriefe erhalte in denen die Anleger das Argument der logischerweise bullish orientierten Marktmacht der großen Adressen ins Feld führen, möchte ich darauf heute mal ausführlicher eingehen.
Das Argument lautet letztlich wie folgt: Die Fonds, Banken etc. sind allesamt nicht daran interessiert, dass die Kurse an den Aktienmärkten fallen. Denn nur steigende Kurse schaffen zufriedene Kunden, bringen neues Geld an dem es sich verdienen lässt ... und mit ihrer großen Kapitalkraft werden diese großen Adressen dafür sorgen, dass es auch so bleibt. Sprich dass die Kurse weiter steigen – ob die Rahmenbedingungen nun positiv sind oder nicht.
Das würde bedeuten, dass alle Analyse, Vorsicht und Überlegungen letztlich für die Katz sind und man einfach nur kaufen muss. Doch ich widerspreche diesen Gedanken nicht nur, weil ich sonst einräumen müsste, mir über nichts und wieder nichts Gedanken zu machen. Ich widerspreche, weil die Überlegung zwar im Prinzip stimmt ... aber eben nicht immer so einfach hinhaut. Denn sonst gäbe es keine großen Korrekturen, sonst gäbe es erst recht keine längeren Abwärtstrends wie 2000-2002. Steigende Kurse sind ein lebenswichtiger Nährboden
Überlegen wir mal. Was stimmt denn an diesem Argument? So ziemlich alles: Die institutionellen Marktteilnehmer verfügen über die entscheidende Kapitalkraft. Unsereins kann noch so oft seine Aktien verkaufen ... wir einzelnen Anleger sind kleine Sandkörnchen gegenüber der Marktmacht der Banken im Eigenhandel, der Fonds, Hedge-Fonds oder Pensionskassen. Wenn die kaufen, steigen die Kurse – da kann niemand dagegen halten.
Diejenigen, die hier am Hebel sitzen, sind erfahrene Fachleute und keine Idioten. Das heißt, dass sie sehr genau wissen, wie sich die Lage aktuell darstellt. Sie wissen also auch, dass die Aktien eigentlich auf Höhe der bisherigen Allzeithochs wenig verloren haben. Aber:
Da gibt es eben das Werben um neues Geld. Die hinter den Entscheidungsträgern stehenden Organisationen laufen nun nicht umher und verbreiten Warnungen. Sie leben vom stetigen Zufluss neuen Geldes und gestalten ihre Kommentare entsprechend, um diesen Zufluss nicht zu stören. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Banken zeichnen ein rosiges Bild, sprechen von tollen Chancen an den Börsen und nicht freiwillig über vorhandene Negativ-Aspekte. Was bedeutet:
Diejenigen, die sich eben nicht umfassend informieren, also die ganz überwiegende Mehrheit der Sparer, haben nicht die geringste Ahnung von abbröckelnden Wachstumsraten oder der Bedeutung steigender Ölpreise und eines weiter steigenden Euro/Dollar-Kurses für die Aktienmärkte. Für sie gibt es natürlich daher auch keinen Grund, die regelmäßigen Zuflüsse in ihre Anlagen einzustellen oder gar Geld abzuziehen. Permanenter Performancedruck
Das heißt also, dass weiterhin neues Geld zufließt. Und dieses Geld muss über kurz oder lang auch zum Arbeiten gebracht werden. Kurzfristig kann man natürlich neues Kapital „parken“, wenn man davon ausgeht, dass es als Cash besser aufgehoben ist als investiert, weil an den Aktienmärkten Kursverluste drohen. Doch wenn sich diese Befürchtung fallender Kurse nicht zeitgerecht bestätigt, hat kein Entscheider der großen Adressen keine Wahl. Er muss, ob er will oder nicht, dieses Kapital investieren. Denn er unterliegt natürlich massivem Performancedruck:
Wer hier zu lange zögert läuft Gefahr, Performance zu verpassen, die einzig relevante Messgröße. Wem das widerfährt, der muss damit rechnen, schnell seinen Job zu verlieren. Denn kein Institut verliert gerne Marktanteile an die Konkurrenz, nur, weil ein Fondsmanager zu „vernünftig“ war. Also:
Steigen die Kurse nur lange genug wieder an ist es völlig egal, ob die Rahmenbedingungen gut oder schlecht sind, die institutionellen Adressen müssen mitlaufen. Aber nun kommt ein erneutes „aber“, denn Kapitalzuflüsse und Performancedruck können ja nun durchaus eben nicht die selben Konsequenzen nach sich ziehen (zu kaufen) ... wenn die Lage kurzfristig Kursverluste erwarten lässt. Dann wird der Entscheider entweder noch zuwarten bis er das Geld investiert oder gar nicht kaufen. Warum tun die großen Adressen momentan scheinbar nichts?
Wissen wir, wie viel neues Kapital nach den Turbulenzen im Juli/August zugeflossen ist? Nein. Es ist allemal möglich, dass relativ wenig Nachschub kam, weil eben nur noch die neues Geld überweisen, die gar nicht wissen, was sich tut.
Chart
Denn erstaunlich ist, dass die Umsätze nach wie vor gering sind, obwohl die Kurse seit sechs Wochen steigen (siehe die Charts von Dax und S&P 500, wobei die kleinen roten Pfeile bei den Umsätzen die Umsatz-Peaks der Terminbörsen-Verfalltermine sind, die immer aus dem Rahmen fallen). Zieht man mal die normale Basis des üblichen Hin- und Herschiebens und der immer aktiven Kurzfrist-Trader ab, scheinen die großen Adressen seit Wochen verblüffend inaktiv zu sein. Das kann zweierlei bedeuten:
Chart
Entweder sie kommen erst noch, um die aufgelaufenen Barbestände zu investieren. Das kann dann der Fall sein, wenn die großen Adressen davon ausgingen, dass es in jedem Fall noch mal nach unten gehen würde und deswegen jetzt erst zwangsläufig mit dem neuen Kapital aktiv werden müssen. Denn wären sie bullish eingestellt gewesen hätte ja nun nichts dagegen gesprochen, zu weit niedrigeren Kursen einzusteigen als nun diese Performance zu verpassen. Oder:
Die Zuflüsse sind wirklich niedriger geworden und die großen Adressen warten auf eine Chance zum Ausstieg. Denn man darf eines nicht außer acht lassen: Diese Leute wissen, wie die Kiste läuft! Und damit wissen sie auch: Alte Hasen handeln nicht gegen den Trend
Wenn ich als Fondsmanager aussteige und die anderen ziehen nicht mit, fahre ich gegen die Wand. Glauben Sie nicht, dass dann die großen Nummern von Goldman Sachs kurz bei Morgan Stanley anrufen und fragen „Hey Jungs, verkauft ihr morgen auch“? Da gibt es keine Absprachen, keine große Gemeinschaft der Hausse-Durchsetzer ... sondern bissigen Konkurrenzkampf und Funkstille. Somit verkauft kein Entscheider wenn er damit rechnen müsste, damit gegen den Trend zu handeln!
Nun gab es aber in den letzten sechs Wochen gute Gründe, nichts zu tun ... wenn man nicht kaufen, sondern verkaufen will. Es war einfach eher wahrscheinlich, dass sich die Aktienmärkte nach der Diskontsenkung der US-Notenbank Mitte August alleine durch den damals sehr hohen Anteil an Baisse-Positionen erst einmal tendenziell erholen würden. Dann folgte die Hoffnung auf die Zinssenkung letzte Woche, dann kamen Verfalltermin und Quartalsende, die beide üblicherweise die vorher herrschende Richtung der Kurse fortführen. Und jetzt? Kurzfristige Auftriebsfaktoren gehen zu Ende
Jetzt sind diese tragenden Faktoren, die letztlich ja Umstände beschreiben und keine echten Rahmenbedingungen für die Börsen sind, erst einmal weg. Man erwartet die Quartalsberichte der Unternehmen ab Mitte Oktober, es ist aber zweifelhaft, ob die als Argument taugen, die Aktienmärkte auf neue Allzeithochs zu treiben. Und man sieht sich ohne Verfalltermin und Quartalsende, ohne eine unmittelbar bevorstehende Notenbanksitzung „nackt“ den Fakten in Form mieser Konjunkturdaten, einem weiter fallenden Dollar und steigenden Ölpreisen ausgesetzt.
Also: Bislang wäre es verwegen und unklug gewesen, gegen die steigenden Kurse dagegen zu halten. Die großen Adressen wissen das besser als unsereiner. Aber jetzt wäre es durchaus denkbar, dass der Wunsch auf Reduzierung der Positionen stärker wird, vor allem – das können wir nicht wissen – wenn der Cash-Nachschub durch die Sparer nachgelassen haben sollte. Und: Wenn einer rennt, müssen die anderen mit
Wenn einer anfängt, werden/müssen die anderen blitzschnell nachziehen. Denn wenn sich durchsetzt, dass nun nach oben ein Deckel drauf wäre, ist der Gewinner, der am schnellsten aussteigt! Diese beiden Aspekte, sprich Höhe neuer Zuflüsse und Performancedruck – beim Kauf und Verkauf gleichermaßen, bilden die Basis für die Aktionen der großen Adressen, des „big money“.
Natürlich ist man eigentlich an steigenden Kursen interessiert. Aber wird der erste nervös und steigt aus, müssen alle Großen mitziehen – das läuft hier ebenso wie beim Kaufen auf dem Weg nach oben. Bislang scheinen sich die Institutionellen auffällig zurück gehalten zu haben – wir werden sehen, was ab kommender Woche geschieht. Dabei zum Abschluss noch ein Aspekt, den Sie ebenfalls berücksichtigen sollten:
Immer mehr Kapital wird von Hedge Funds aufgesogen, nicht zuletzt, weil die in den USA steuerfrei sind. Die stehen ja genauso meist unter dem Dach großer Finanzinstitute. Aber diese Hedge Funds sind eigentlich nicht viel besser als kurzfristig agierende Trader, die in beide Richtungen agieren und durch starke Hebel über Derivate gewaltige Kursbewegungen auslösen können (und daher auch schnell pleite sind, wenn ihre Computerprogramme das Falsche vorgeben). Die haben überhaupt kein Problem damit, a la Baisse zu agieren, sobald dieser momentan nach oben laufende, kurzfristige Trend brechen sollte. So stringent und einheitlich bullish wie früher sind damit also auch die großen Adressen nicht mehr.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag – bis morgen!
Ronald Gehrt
The Daily Observer
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