EZB deutet baldiges Ende der Zinsschritte an
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins angehoben und angesichts einer rückläufigen Inflation indirekt ein Ende des Zinserhöhungskurses angedeutet. Im Dezember könnte der Leitzins aber noch einmal erhöht werden.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet sagte auf einer Pressekonferenz in Paris, es sei wahrscheinlich, dass die Inflationsrate "über eine Periode von 18 bis 24 Monaten" unter die Obergrenze der Notenbank von 2,0 Prozent falle. Er signalisierte aber zugleich, dass der Leitzins im Dezember noch einmal erhöht wird.
Die EZB hat ihren Leitzins seit Dezember vergangenen Jahres um insgesamt 1,25 Prozentpunkte auf jetzt 3,25 Prozent nach oben geschraubt. Nach dem für Dezember erwarteten Schritt würde der Satz bei 3,5 Prozent liegen. Damit hätte der Zins nach gängigen Schätzungen ein Niveau erreicht, bei dem er die Konjunktur weder antreibt noch bremst.
Einige EZB-Vertreter hatten in den vergangenen Wochen angedeutet, dass sie die Zinserhöhungen unter allen Umständen über die Jahreswende hinaus fortsetzen wollen. Diese Fraktion konnte sich auf der Ratssitzung offenbar nicht durchsetzen. Auch auf Nachfrage wollte Trichet bei der Pressekonferenz keine Aussagen zur Zinspolitik im kommenden Jahr machen. Die bisher verwendete Formulierung, wonach die Zinsen "progressiv" steigen, wurde aus dem Redetext gestrichen.
Warnung vor kräftigen Gehaltsforderungen
Sollte die Teuerung in den kommenden Monaten tatsächlich dauerhaft unter die Marke von zwei Prozent fallen, würde die EZB ihr Preisziel erstmals seit vielen Jahren wieder erreichen. Für den Jahresdurchschnitt 2007 sagt die Notenbank derzeit noch einen Wert von 2,4 Prozent voraus. Der Rückgang der Ölpreise hat die Teuerung zuletzt aber bereits auf 1,8 Prozent fallen lassen. "Die EZB hat sich die Möglichkeit verschafft, die Straffung der Geldpolitik bei 3,5 Prozent ausklingen zu lassen", sagte Julian Callow, Europa-Chefvolkswirt bei Barclays Capital. Allerdings werde die Notenbank die Zinsen weiter erhöhen, wenn die Inflation doch nicht schnell genug zurückgehe.
Trichet betonte denn auch die Risiken für die Preisstabilität und warnte insbesondere die Gewerkschaften vor kräftigen Gehaltsforderungen. Es bestehe die Gefahr, dass die Löhne auf Grund der besseren Konjunktur "stärker als bisher erwartet" stiegen und dadurch die Teuerung angeheizt werde. Auch das deutliche Wachstum der Geldmenge deute auf Inflationsrisiken.
EZB behält Preisstabilität im Blick
Trichet sagte weiter, die EZB lasse sich nicht festlegen und tue alles, um Preisstabilität zu gewährleisten. Das Zinsniveau bezeichnete der EZB-Chef auch nach der gestrigen Erhöhung als "niedrig". Die Geldpolitik sei immer noch expansiv. Wenn sich die Erholung der Konjunktur wie erwartet fortsetze, sei es nötig, die Geldpolitik weiter zu straffen.
Auf die Frage, ob die Spekulation der Märkte auf einen weiteren Zinsschritt um 25 Basispunkte im Dezember korrekt sei, sagte Trichet, er werde "nichts sagen, um dieses Gefühl zu korrigieren". Der EZB-Chef zeichnete ein optimistisches Bild der konjunkturellen Lage. Er sagte, die wirtschaftliche Erholung habe jetzt eine breitere Basis und werde vor allem von der Binnennachfrage gestützt. Auch die Aussichten für die Beschäftigung haben sich nach Trichets Worten verbessert. Wenn sich der Rückgang des Ölpreises als nachhaltig erweise, könne die Wirtschaft stärker zulegen als bislang vermutet. Die EZB erwartet bisher für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent.
Quelle: Financial Times Deutschland |