Starts und Landungen mit Sensoren von Rheinmetall Der Saarbrücker Flughafen wird vom Leipziger Tower aus fernbetrieben
Über den Wolken wird es immer voller, der Luftverkehr zeigt hohe Wachstumsraten. Rund 33.000 Flugbewegungen gibt es bereits heute täglich im europäischen Luftraum. Schon bis 2030 wird mit einer Verdoppelung gerechnet. Rund ein Drittel dieser Flüge findet über deutschem Boden statt und fällt somit unter die Zuständigkeit der Deutschen Flugsicherung (DFS). Mit neuen digitalen Technologien stellt die DFS die Weichen dafür, für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein und die vorhandenen Ressourcen optimal auszuschöpfen.
Remote Control Tower Center eingeweiht Rheinmetall ist der DFS auf diesem Weg ein wichtiger Technologiepartner. In enger Kooperation mit dem österreichischen Unternehmen Frequentis ist eine technische Lösung entstanden, die die Fernsteuerung des Luftverkehrs an Flughäfen unterschiedlichster Größe möglich macht. Künftig benötigt also nicht mehr jeder Flughafen einen eigenen Tower, was deutliche Kostenvorteile vor allem bei Personal und Infrastruktur bringt. Für die Fluglotsen ist dies ein Paradigmenwechsel, denn der direkte Blick auf die Start- und Landebahn wird durch Kamerabilder ersetzt, die fernab des Airports in einem Kontrollraum auf einer Monitorwand zu sehen sind. Im konkreten Fall liegen 450 Kilometer zwischen dem Flughafen Saarbrücken und dem neuen Remote Control Tower Center (RTC), das nun am Flughafen Leipzig offiziell eingeweiht wurde.
Einführung der Technik an weiteren Flughäfen Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung: Mit dem RTC setzen wir weltweit einen neuen Standard im internationalen Luftverkehr und sind somit Technologieführer. Saarbrücken mit seinen 15.000 Flugbewegungen im Jahr ist der erste internationale Airport, der nun fernbetrieben wird. Die DFS sei stolz darauf, dass das neue System einem stimmigen Gesamtkonzept folge: Es erfüllt höchste Sicherheitsstandards, ist konsequent auf die Bedürfnisse der Lotsen zugeschnitten und schafft ein hohes Maß an Flexibilität für die Personalplanung.
Projektleiter Andreas Loeprich und sein Team von Rheinmetall Electronics in Bremen hörten gerne den Dank von Prof. Scheurle an Rheinmetall und Frequentis: Ohne Ihre Expertise hätten wir dieses Projekt nicht stemmen können. In den nächsten Jahren wird die DFS die neue Technik auch an den Flughäfen Erfurt und Dresden einführen, deren Flugbetrieb dann ebenfalls von Leipzig aus geführt wird. Bremen und Münster könnten als nächstes folgen.
Erfolgreiche Kooperation Susanne Wiegand, Vorsitzende der Geschäftsführung der Rheinmetall Electronics und Mitglied des Bereichsvorstands Defence: Unser Rheinmetall-Team hat hier in der Kooperation mit der DFS eine tolle Leistung erbracht und eine hervorragende Lösung für das RTC ermöglicht. Täglich liefern unsere Sensoren nun auch im zivilen Bereich den Beweis dafür, dass sie wirklich Spitzenklasse sind. Jetzt ist es unser Ziel, als direkter Auftragnehmer der DFS auch bei anderen Flughäfen zum Zuge zu kommen.
Perspektivisch ist auch eine Erweiterung des Sensor-Pakets von Rheinmetall, wie es jetzt in Saarbrücken installiert ist, um weitere Komponenten denkbar, um den Schutz ziviler Flughäfen vor Drohnen zu ermöglichen. Das Thema ist hochaktuell, so Matthias Diem, der in der Rheinmetall Division Electronic Solutions für die Geschäftsentwicklung zuständig ist. Wenn wir die vorhandenen Sensoren um unser Nahbereichsradar erweitern und sie an unser Skymaster-Führungssystem anbinden, haben wir einen sehr guten Schutz vor Drohnen: Wir können unerwünschte Eindringlinge im Luftraum erkennen, die Signale mit den Air-Traffic-Daten der Flugsicherung abgleichen und notfalls geeignete Gegenmaßnahmen einleiten.
Vorteil bei größeren Personalausfällen Seit Inbetriebnahme des RTC im Dezember 2018 inklusive einer Erprobungsphase sind in Saarbrücken mittlerweile 2.500 Flüge reibungslos bewältigt worden. Insgesamt sind zehn Lotsen aus der saarländischen Landeshauptstadt nach Leipzig gewechselt, der baufällige Tower in Saarbrücken wird nicht weiter betrieben. Mit den hochauflösenden Video- und Infrarotkameras von Rheinmetall haben die Lotsen an ihren neuen Arbeitsplätzen im Leipziger RTC den Verkehr in Saarbrücken immer im Blick im Gegensatz zu früher eben nur ohne Blick aus dem Towerfenster.
Die Lotsen werden künftig für mehrere Flughäfen lizensiert sein und können sich gegenseitig vertreten. Wo an einem kleinen Regionalflughafen bislang eine Grippewelle schnell ein Tower-Team außer Gefecht setzen konnte, ist der Betrieb dank größerer personeller Reserven nun stets gewährleistet. Den Kostenvorteil einer fernbetriebenen Lösung beziffert die DFS mit 15 bis 20 Prozent.
Klarer Blick auch bei schlechter Sicht Die neue Technik bietet nicht nur Vorteile in personeller und finanzieller Hinsicht, sondern vor allem auch deutlich bessere Sicht bei schlechtem Wetter oder Dunkelheit. Die Lotsen, die hochkonzentriert vor ihren Monitoren sitzen, sehen dort ein permanentes hochauflösendes 360 Grad Panorama-Bild des Flughafens. Mit den schwenk- und neigbaren Video- und Infrarotkameras, die in Saarbrücken installiert sind, kann der Fluglotse Details bei Bedarf per Zoom näher inspizieren das Fernglas hat ausgedient.
Bei schlechten Sichtbedingungen zeigen die Hochleistungssensoren aus dem militärischen Bereich ihr ganzes Leistungsvermögen. Das RTC-System unterstützt die Lotsen darüber hinaus bei ihrer Arbeit, indem es Bewegungen automatisch erkennt und Flugzeuge in der Luft wie am Boden auf den Monitoren hervorhebt. Startende und landende Flugzeuge lassen sich mit den beweglichen Kameras automatisch verfolgen (tracken).
Aus Sicherheitsgründen sind alle optischen Funktionen redundant ausgelegt. Die Sensoren, die auf einem Kameraturm in Sichtweite des alten Towers installiert wurden, sind in einem beheizbaren Gehäuse untergebracht und verfügen über eine automatische Reinigungsfunktion. Nur für Notfälle ist in den Kamerakopf auch eine Lichtkanone (Light Gun) installiert: Wenn der Funkkontakt abreißt, können dem Piloten per Leuchtstrahl Signale gegeben werden, die präzise auf das Flugzeug gerichtet sind.
Autor: Oliver Hoffmann |