Der Bund für vereinfachte rechtschreibung nimmt stellung
--------------------------------------------------
Zu Voegeli: Nazis wollten Schampanjer. Der Bund, 16. 12. 2000 Als vorsitzer des Bundes für vereinfachte rechtschreibung muss ich meine «lieblingsnachbarn», wie sich Harald Schmidt ausdrücken würde, daran erinnern, dass in Deutschland zwischen 1933 und 1945 ein zwar unerfreulicher, aber legitimer staat bestand, der sich mit allem befasste, womit sich ein staat befasst, und allerlei tat, was staaten tun. Da kommen viele «inhaltliche parallelen» in wissenschaft, technik, medizin, justiz usw. zu stande. Zu den dingen, die er nicht tat, gehört die rechtschreibreform. Im ganzen deutschen sprachgebiet befasste man sich vor, während und nach dieser zeit damit. Der schweizerische Bund für vereinfachte rechtschreibung wurde 1924 gegründet (als die sache bereits ein alter hut war), und der schweizerische einfluss auf die neuregelung von 1996 war nicht unerheblich. Die autoren der besprochenen studie haben das alles zwar fairerweise offen gelassen, aber leider nicht erwähnt und damit ein schiefes bild in kauf genommen. Wenn eine schweizerische zeitung das tema aufgreift, erwarte ich, dass sie wenigstens nicht auch die Schweiz ignoriert und etwas mehr bietet als das, was die deutsche «mediale entrüstungsindustrie» (Basler Zeitung) für den hausgebrauch zusammenstiefelt.
«Nazis wollten Schampanjer» ist ein schöner blickfang. Kein wort davon, dass alle sprachen der welt (auch weitgehend das deutsche) fremdwörter grafisch integrieren. Man kann das schlecht finden und der meinung sein, wir müssten als einzige auf der welt substantive gross und einzelne fremdwörter original schreiben, aber es ist scharlatanerie (oder charlatanerie), einen historischen teilaspekt in den vordergrund zu stellen («marginalienfetischismus», taz) und die grundtatsachen nicht wenigstens zu erwähnen. Das ist es auch, was wir der studie und dem präsidenten der Akademie für sprache und dichtung vorwerfen. Die nazis haben den bau von autos und autobahnen gefördert («Volkswagen»), und die autos sehen im prinzip noch gleich aus — welche vergleiche stellt der akademiepräsident wohl hier an?
Für akademiepräsident Meier ist ja die ortografiepolitik des Dritten reiches ein präzedenzfall. Wofür eigentlich? Etwa dafür, dass eine rechtschreibreform in der diktatur unmöglich war, in der demokratie (im jahr 1996 und ebenso in vielen ländern auf der ganzen welt) durchaus?
Entschieden protestieren wir gegen den versuch, bei früheren oder heutigen reformern «fortwirkende denkmuster», «denkmuster von damals» usw. auszumachen. Die nazis haben die buchstabenschrift nicht erfunden, wir auch nicht und ganz gewiss auch nicht professor Meier und die fleissigen studenten aus Jena und Halle.
Rolf Landolt, Zürich, Bund für vereinfachte rechtschreibung, www.rechtschreibreform.ch
|