Steffens Sicht:
Am Montag hatte ich noch geschrieben, dass ich nicht verstehe, warum die Rettung der Citigroup zu so einer Rally hätte führen sollen, da zumindest auf institutioneller Seite den Entscheidern klar gewesen sein muss, dass diese Bank nicht fallen gelassen wird. Gestern kam dann eine Nachricht, die meines Erachtens erklärt, was „eigentlich“ gespielt wurde: Die Fed will den US-Kreditmärkten einen 800-Mrd.-Dollar Einlauf verpassen. Mit 600 Mrd. Dollar will sie belastete Immobilienpapiere erwerben, 200 Mrd. Dollar werden in den Markt für Konsumentenkredite gepumpt. Mit dieser Aktion soll der US-Immobilienmarkt gestützt werden. Wie ich hier schon geschrieben habe, wäre eine Erholung des US-Immobilienmarktes ein klares Kaufsignal auch für den Aktienmarkt. Gute Nachricht und nichts passiert? Eigentlich hätte diese Nachricht den Markt doch beflügeln müssen. Das tat sie aber nicht. Es kam gestern nur zu einem kurzen Anstieg, der etwas später wieder abverkauft wurde. Irgendetwas stimmte hier nicht. So ein 800 Mrd. Dollar Programm wird natürlich nicht einfach so beschlossen. Ich denke, hier werden sehr viele staatliche Stellen beteiligt gewesen sein. Sicherlich werden auch einige Banken und damit auch institutionelle Anleger davon erfahren haben. Sprich: Hier ist offenbar schon vorher etwas durchgesickert, und dieses Gerücht hat die Rally ausgelöst. Jeder der davon erfahren hat, wird entweder gekauft oder seine Short-Positionen aufgelöst haben. Wie heißt es so schön: Kaufe die Gerüchte, verkaufe die Fakten. Der Markt stieg also brav bis zu dieser Nachricht an. Als diese „heraus“ war und jeder die Nachricht kannte, fiel der Kaufgrund weg. Die Nichtreaktion des Marktes zeigt, dass diese Nachricht für wichtige Adressen keine Überraschung sein kann. Und dann passt alles ins Bild. Der Anstieg war eben nicht durch die Rettung der Citigroup verursacht (was ich schon am Montag nicht so recht glauben wollte), sondern dem 800 Mrd. Dollar-Programm geschuldet. Was bedeutet das nun für uns? Es muss sich nun zeigen, ob diese Meldung tatsächlich zu einer Stabilisierung des US-Immobilienmarktes führen wird, ob der Einbruch bei den Baugenehmigungen und dem Häuserbau tatsächlich gestoppt werden kann und ob es wieder zu mehr Nachfrage nach Häusern in den USA kommt. Sollte das passieren, dann wird das zumindest erst mal zu einer Stabilisierung der Märkte führen. Wenn nicht, dann verpufft auch dieses Hilfsprogramm, wie die anderen zuvor. Verzögerte Wirkung Da die letzten Rettungsmaßnahmen nicht zu einer mittelfristigen Stabilisierung der Märkte geführt haben, befürchten nun die Anleger, dass genau das passiert, dass nämlich auch diese Maßnahme nicht hilft. Aus diesem Grund sehen wir auch im Moment noch keine weiteren Anschlusskäufe. Was die kleinen Fische denken, ist jedoch egal. Wenn diese Maßnahme in den Augen der großen Jungs geeignet ist, den US-Immobilienmarkt nachhaltig zu stützen, werden wir in den nächsten Tagen bis zwei Wochen in den Charts einige Zeichen der Stärke sehen. Nach den ersten Kursgewinnen, werden jetzt die Rahmendaten durch die Research-Abteilungen der großen Banken, Vermögensverwalter und Fonds geprügelt werden. Dort soll erst einmal geklärt werden, ob und welche Auswirkungen dieses 800 Mrd. Programm haben wird. Das dauert seine Zeit. Aus diesem Grund muss selbst für den Fall, dass diese Maßnahme in den Augen der großen institutionellen Anleger in den USA zu einer nachhaltigen Stabilisierung des Kreditmarktes führt, mit einer „verzögerten“ Reaktion gerechnet werden. Ich denke aber, dass wir in den nächsten Tagen anhand des Kursverlaufs sehen werden, womit die Jungs rechnen. Zunächst wird morgen in den USA Thanksgiving gefeiert. Viele nehmen sich auch den Freitag frei, unter anderem auch, um erste Weihnachtseinkäufe zu tätigen. Darum wird dieser Freitag traditionell als wichtiger Stimmungsindikator für das Weihnachtsgeschäft gesehen. Hier wird sich also zum ersten Mal zeigen, in wie weit die Kauflaune der US-Amerikaner durch die aktuelle Krise getrübt ist. Viele Grüße Jochen Steffens ----------- You only learn who has been swimming naked when the tide goes out - W.Buffett |