DER GESUNDE PATIENT MIT GIPS Um es kurz zu machen: Wenn Ihnen ein Marathonläufer ohne Laufschuhe und mit eingegipster Hüfte sagt, er werde den Marathonlauf gewinnen, würden Sie ihm glauben? Ich würde darauf wetten, dass dieser Läufer im Sanitätswagen über die Ziellinie rollt. Ich werde im Verlauf dieser Wunschanalyse darauf kommen, wo die Deutsche Bank ihre Laufschuhe abgegeben hat und wie sie sich den Gips für die Hüfte zulegte. Deutsche Bank Chef Josef Ackermann ÜBERRASCHEND HOHER QUARTALSVERLUST Die Deutsche Bank stellte vor wenigen Tagen einen Quartalsverlust von über 4 Mrd. EUR in Aussicht. Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, hat direkt vor der ausbrechenden Immobilienkrise alle seine Immobilienderivate verkauft (Laufschuhe), vorzugsweise an die Sachsen LB, die Bayern LB, die IKB und die West LB. Die Landesbanken also, die inzwischen ohne staatliche Hilfe (sprich Sanitäter) pleite wären. Und Ackermann behauptete vollmundig, nunmehr keine weiteren nennenswerten Risiken mehr in der Bilanz zu tragen. Seit vergangener Woche wissen wir, dass auch ein Ackermann sich irren kann. Durch den Verkauf der Immobilienderivate hat die Deutsche Bank sich zwar rechtzeitig von den darin enthaltenen Risiken verabschiedet, aber die Gewinne, die von den Immobilienderivaten in den vergangenen Jahren abgeworfen wurden, sind somit auch dahin. Die Deutsche Bank war zwar fit für die Märkte, aber ohne Produkte wie eben die Immobilienderivate konnte nicht mehr sonderlich viel Geld verdient werden. Das macht die Deutsche Bank jedoch noch nicht zum Patienten, denn sie könnte auch barfuss, also ohne die Immobilienderivate die Marathondistanz der Wirtschaftskrise durchstehen (okay, ich gebe zu, das ist sehr hart – aber die Deutschbanker sind eben sehr hart). SAUBERE BILANZ IST AUGENWISCHEREI Doch spätestens die gebrochene Hüfte bedeutet das Aus für die Marathondistanz: Die Bilanz ist nicht mehr sauber. Die Deutsche Bank hat sich von der Bilanzierungsvorschrift „Mark to Market“ – „zum Marktwert bewerten“ verabschiedet. Den Banken in Deutschland sowie in vielen anderen Ländern war diese Möglichkeit eingeräumt worden, damit Immobilienderivate, die sich derzeit zu keinem Preis verkaufen lassen, nicht einmal zu 20% des Ursprungswertes, nicht entsprechend abgeschrieben werden müssen. Das verminderte nämlich die Eigenkapitalbasis der Banken und schraubte die Schuldenquote in die Höhe. Solange die Immobilienderivate, und nunmehr auch viele andere Finanzderivate mit geringer Liquidität, noch mit 80% ihres Ursprungswertes bewertet werden können, stimmen die Kennziffern noch. Ackermann kann vor die Kameras treten und behaupten, dass seine Bilanz solide ist. Doch wenn Sie sich den tatsächlichen Wert der Derivate im Bestand der Deutschen Bank anschauen, dann werden Sie deutlich weniger als Wert ansetzen, als die Deutsche Bank in ihrer Bilanz stehen hat. Das war ein pfiffiger Winkelzug solange man glaubte, dass die Wirtschaftskrise, die Rezession und die Immobilienkrise nur wenige Monate andauern würden. Anschließend hätten sich die Werte wieder auf die ursprünglichen 80% erholt und niemand hätte etwas bemerkt. Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass die Wirtschaftskrise länger andauern wird, als bislang gehofft. Und, um auf meinen Vergleich zum Marathonläufer zurück zu kommen, barfuss und mit einer eingegipsten Hüfte kann er sich vielleicht über die Distanz von 100 Metern schleifen – aber eine Marathondistanz ist nicht machbar. Sie haben es erkannt: Die gebrochene Hüfte sind die eingebrochenen Immobilienpreise und Derivatebewertungen. Der Gips ist die außer Acht gelassene Bilanzierungsregel „Mark to Market“. Die Werte sind futsch, auch wenn die Deutsche Bank dies kurzfristig noch vertuschen konnte. Und nun muss die Bilanz eben doch um diese Verluste korrigiert werden. Deutsche Bank Hauptsitz in Frankfurt am Main BEWERTUNGSNIVEAU IST IRRELEVANT Wir müssen wissen, was wir nicht wissen brauchen: Das Bewertungsniveau der Deutschen Bank ist nach Einbeziehung der jüngsten Verlustwarnung noch immer recht günstig. Für das abgelaufene Jahr 2008 wird nunmehr ein Jahresverlust von 7,24 Euro je Aktie erwartet. Für das laufende Jahr sind die Erwartungen durch die meisten Analysten bereits halbiert worden, es wird nur noch ein Gewinn je Aktie von rund 3 Euro prognostiziert. Das entspricht einem KGV von 6. Und die Dividendenrendite beträgt stolze 7,3%. Die Eigenkapitalquote ist nach Aussage des Unternehmens noch immer bei den erforderlichen 10%. Unter normalen Umständen würde ich eine Aktie mit solchen Kennziffern sofort kaufen. Doch noch liegen nicht alle Karten auf dem Tisch. Denn die Bilanzierungsregel „Mark to Market“ ist noch immer außer Kraft gesetzt und wer sagt mir denn, dass nicht noch weitere Abschreibungen in den kommenden Quartalen erforderlich werden? Niemand kann das sagen, denn niemand kennt die genauen Werte der in der Bilanz enthaltenen aber nicht nach Marktbewertung bewerteten Derivate. Mit anderen Worten: Auf das Bewertungsniveau gebe ich nichts. STEINBRÜCK NOCH GEGEN BAD BANK Es gebe eine schnelle und einfache Lösung für das Problem der Deutschen Bank: Der Staat bildet eine „Bad Bank“ – „Schlechte Bank“, die alle schlechten Immobilienderivate und alle illiquiden Derivate aufkauft. Mit einem Schlag wäre die Deutsche Bank all ihre Probleme los und könnte ihr Kundengeschäft auf den bestehenden Einlagen aufbauen. Doch Steinbrück ist diese Lösung zu teuer. Er rechnet mit 200 Mrd. Euro an Kosten für diese Lösung. Die heutige Amtseinführung des neuen US-Finanzministers Tim Geithner lässt mich vermuten, dass diese Lösung in den USA gewählt wird. Dort rechnet man sogar mit 3 Billionen US$ Kosten. Doch das Geld ist dann nicht verloren, sondern es wird durch die Tilgungszahlungen der Immobilienbesitzer zu einem großen Teil zurück gezahlt. Steinbrück kann diesen Weg nicht beschreiten, solange die USA nicht deutliche Schritte zur Stabilisierung des Immobilienmarktes unternehmen. Nur dann kann der US-Finanzminister darauf hoffen, den Löwenanteil seiner Bad Bank Auslagen zurück zu erhalten. Und Steinbrück hat auf die Schritte der US-Regierung überhaupt keinen Einfluss. Er kann also frühestens eine solche Lösung eingehen, wenn er von einer Stabilisierung auf dem US-Immobilienmarkt überzeugt ist. ÜBERNAHME DER DEUTSCHEN POSTBANK IST QUASI-VERSTAATLICHUNG In den fetten Jahren hat sich die Deutsche Bank ihre Kleinkunden systematisch vergrault. Erst wurden sie in eine minderwertige Bank 24 ausgegründet. Dann holte man sie zu schlechten Konditionen zurück und verkaufte ihnen mehr und mehr Versicherungen und andere Finanzprodukte, die inzwischen zu einem großen Teil zu Verlusten führten. Das Geschäft mit den Derivaten ist eingebrochen. Es wird ein neues Geschäftsfeld gesucht: Wie wäre es da mit frischen und unverbrauchten Kunden? Nun, man hat sich dazu entschlossen, die aus dem rechtzeitigen Verkauf der Immobilienderivate eingenommenen Milliarden für den Kauf der Deutschen Postbank zu verwenden. Der Verkauf wurde vereinbart, doch der Wert der Postbank brach nach dem festgelegten Kaufpreis und vor der Zahlung des Preises heftig ein. Ein Umstand, der Nachverhandlungen möglich machte. Im Verlauf der Nachverhandlungen wurde offensichtlich, dass die Deutsche Bank inzwischen die zuvor reichlich vorhandene Barmittelausstattung aufgebraucht hatte. Der überteuerte Kaufpreis ließ sich aufgrund des eingebrochenen Aktienkurses der Deutschen Bank kaum noch stemmen. Doch der Deutschen Post, die zu 30% noch im Besitz des Staates ist, lag viel daran, die Deutsche Postbank endlich zu verkaufen. So konnte die Deutsche Bank gute Konditionen nachverhandeln: Es wurde bereits der Verkauf von insgesamt 60% der Anteile vereinbart, zu einem großen Teil akzeptierte die Deutsche Post als Zahlung neue Deutsche Bank Aktien. Das ist ein Vorgang, der den Altaktionären gegen den Strich ging, denn deren Anteil an der Deutschen Bank wird dadurch verwässert. So brach der Kurs der Deutschen Bank denn auch weiter ein und rutschte durch jegliche technische Unterstützungen, wie wir gleich in der technischen Analyse sehen werden. CHARTANALYSE: AUSVERKAUF UNTER ALLE UNTERSTÜTZUNGEN Die Chartanalyse wird in Zusammenarbeit mit Christian Kämmerer erstellt (www.TA4YOU.com): Einleitung: Wie aus den letzten Analysen bekannt, möchte ich heute wieder mit einem so bezeichneten „Big Picture“ starten. Konkret bedeutet dies, dass ich mir den Chart der Deutschen Bank aus größerer Entfernung in Form eines 14-Jahrescharts betrachte um mögliche Unterstützungs- und Widerstandszonen definieren zu können. Dem folgend ergänze ich den 14-Jahreschart mit einem 1-Jahreschart um Ableitungen zur zukünftigen Entwicklung anhand zweier Szenarien zu skizzieren. Hintergrund der Szenarien ist die Tatsche, dass die Technische Analyse nicht statisch ist und es sich zudem um eine Momentaufnahme handelt. Im Grunde müsste jedes Verhalten der Aktie fortlaufend kommentiert werden, um dies zu vermeiden gebe ich dem Chart die Chance sich zu entwickeln und folglich entsprechende Szenarien abzuarbeiten. Äußerst stark und zugleich erschreckend stellt sich der „noch immer andauernde“ Abverkauf der Deutschen Bank Aktie während der vergangenen 1 ½ Jahre dar. Folglich kennt und kannte die Aktie seit dem Allzeithoch vom 14. Mai 2007 mit Kursen in der Region um 118 Euro nur den Weg in Richtung Süden. Seither steht vom Allzeithoch ausgehend ein Abschlag von mehr als unglaublichen 85 Prozent zu Buche – ein Ende ist zudem noch immer nicht in Sicht! Denn mit dem Unterschreiten des Kursbereichs von 18,50 Euro markierte die Aktie erst am vergangenen Montag ein neues Allzeittief und dieses veranschaulicht die allzu oft und doch nicht minder bestreitbare Aussage: „Greife nie in ein fallendes Messer!“ mehr als deutlich. Die Deutsche Bank sucht bisher noch vergebens den charttechnischen Boden und unter dem Blickwinkel der wieder aufkeimenden Panik können selbst Kurse im Bereich von 10 bis 12 Euro in nächster Zeit nicht ausgeschlossen werden. Chance/Risiko-Verhältnis: 20/80 – keine Bodenbildung in Sicht – die Deutsche Bank Aktie bleibt aus charttechnischer Sicht ein klarer Verkauf mit einem Kursziel von zunächst 12 Euro. Entwarnung ergibt sich erst oberhalb von 25 und insbesondere 30 Euro. Angesichts der massiven Verluste ist ein rascher Wechsel in eine mittelfristige Erholungsbewegung jedoch unwahrscheinlich. LONG Szenario: Die Aktie der Deutschen Bank erholt sich nach dem jüngsten Abverkauf mehr als deutlich und signalisiert mit der Stabilisierung oberhalb von 20 Euro zunächst die Möglichkeit eines Angriffs auf die kurzfristige Abwärtstrendlinie bei aktuell rund 27 Euro (täglich ca. 40 Cent fallend). Ein Ausbruch über diese Abwärtstrendlinie lässt eine erneute Chance zur Überwindung des Widerstandsbereichs um 29 Euro zu. Oberhalb von 29,50 Euro ergibt sich ein Kursziel von 38 und im weiteren 46 Euro. SHORT Szenario: Aufgrund der Ausbildung neuer Allzeittiefs festigt sich das fortwährend negative Bild der Deutschen Bank. Mit dem Unterschreiten der Kursregion von 18,50 Euro aktivierte die Aktie das Kursziel von rund 12 Euro. Verweilt die Aktie daher weiter unterhalb von 20 Euro sollte das Niveau nahe der 10 Euromarke anziehend wirken. Während des weiteren Jahresverlaufs wird viel, wenn nicht alles, von der weiteren Entwicklung der weltweiten Finanzmarktsituation abhängen. Im Worst Case kann bei einem weiteren DAX-Verfall bis unter 3000 Punkte auch ein Kursstand unterhalb von 10 Euro nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Soweit die Charttechnik von Christian Kämmerer (www.TA4YOU.com). FAZIT Weder die politischen Entwicklungen, noch die Bilanz, noch die Charttechnik geben mir irgendwelche Signale, dass die Deutsche Bank kaufenswert sein könnte. Außer dem Argument „Die Nacht ist am dunkelsten kurz bevor die Sonne aufgeht“, also „Schlimmer kann’s nimmer“ kann ich kein Argument finden, die Deutsche Bank zu kaufen. Zunächst muss die Politik das Problem an den Finanzmärkten lösen. Dazu müssen meiner Ansicht nach sowohl die schlechten Derivate der Banken aufgekauft, als auch die US-Immobilienpreise stabilisiert werden. Erst dann kann sich die Bilanz der Deutschen Bank von den schlummernden Risiken der Aussetzung der „mark-to-market“ Regel erholen. Letzte Abschreibungen auf Werte, die sich wohl nicht mehr erholen werden, können vorgenommen werden. Vielleicht gibt die Charttechnik ja rechtzeitig ein Signal auf diese bevorstehenden Ereignisse. Doch aktuell ist davon noch nichts zu sehen. ----------- Wer viel Geld hat, der kann spekulieren; wer wenig hat darf nicht spekulieren und wer überhaupt kein Geld hat muss spekulieren. |