Penny Stocks
Von Renate Daum und Ilga Fink
User jubelten gegen Bezahlung
In Internetforen wird oft über obskure Rohstoffklitschen mehr diskutiert als über große DAX-Konzerne. Ein Thread – eine Folge von Diskussionsbeiträgen – über den bis dahin weitgehend unbekannten Wert Oriental Minerals etwa brachte es seit Oktober 2006 auf 69.000 Forenbeiträge. Das Interesse flammt plötzlich auf, User brennen fast vor Euphorie, dann folgt der Absturz. Das ist zumindest in einigen Fällen kein Zufall. Mitunter wird in Teams planmäßig gute Stimmung für Aktien verbreitet.
In einem schriftlichen Leitfaden, der BÖRSE ONLINE vorliegt, sind drei Hierarchie-Ebenen – Projektleiter, Teamleader und Poster, also Foren-User – vorgesehen. Poster sollen sich demnach mehrere Identitäten zulegen, unter denen sie in Foren auftreten. Teamleader haben den Postern Rollen zuzuweisen, etwa „positiv, aggressiv euphorisch“, „nüchtern und objektiv“ oder „gesund kritisch und neutral“. Machen andere User die Werte nieder, ist eine „sofortige Kontaktaufnahme“ mit der Team- oder Projektleitung und das Sammeln von Informationen über die „Gegner“ vorgesehen.
Auftragspostings wurden anschließend in Rechnung gestellt
Aufträge für Postings gab es wirklich. Sie finden sich zum Beispiel in E-Mails von Oliver S. von einem Account der OTC Consulting GmbH in Lübeck. OTC stellt sich auf ihrer Webseite als Beratungsunternehmen für kleine Aktiengesellschaften aus Nordamerika vor. Am 1. Mai 2007 etwa ging es in einer E-Mail an den Empfänger profit007 um „board-promo“ zu Mammut Energy. Einer der Poster solle nach einer Empfehlung der Aktie einen Thread eröffnen, „dann stürzen sich unserer jungs rauf. bitte 100 postings morgen von uns“, heißt es in der E-Mail von Oliver S. Auf dem beliebten Internetportal wallstreet-online.de eröffnete ein User am nächsten Tag eine Diskussion über den Wert.
Im Gegenzug lieferten die Auftragsnehmer Aufstellungen über die veröffentlichten Postings ab. Vom 18. bis 23. März 2007 enthält eine Aufstellung eines Poster-Teams 44 Einzeiler und 646 längere Postings zu den Aktien Fusa und Terra Ventures. Die Rechnung an OTC verzeichnet die Positionen „Recherche“, Anzahl 44, für 44 Euro und „Projektberatung“, Anzahl 646, für 1292 Euro.
Rechnungen wurden an Ex-Sponsor des TSV 1860 gestellt Als Rechnungsadresse tauchte in anderen Fällen nicht nur OTC auf, sondern auch die World of Investment AG (WoI). Die Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich betreibt ein Internetportal, das auf Nebenwerte spezialisiert ist, und war in der vergangenen Saison Sponsor des Münchner Traditionsfußballvereins TSV 1860. E-Mails zu Postings waren mehrfach sowohl an OTC Consulting als auch an World of Investment addressiert.
Zudem hat die damalige 3D Capital AG aus der Schweiz im August 2007 den Entwurf einer Studie des Analysehauses Adiuventa zu Mammut Energy an World of Investment weitergeleitet. 3D kam im Zusammenhang mit Dienstleistungen für Aktien ins Gerede.
Warum das alles? OTC Consulting und World of Investment sahen sich nicht in der Lage, bis Redaktionsschluss zu antworten. Adiuventa reagierte auf Fragen nicht. Ein ehemaliger Direktor von World of Investment schrieb, er habe keine solchen Aufträge erteilt und keine Auflistungen gesehen. 3D Capital heißt heute Sherbrooke Equity AG. Das neue Unternehmen habe nichts mit dem alten Management zu tun, der Vorgang von damals ei nicht mehr nachvollziehbar, teilte das Unternehmen mit. Sherbrooke Equity schreibe keine Studien und zahle auch nicht dafür.
Pearltrader orientierte sich an meistdiskutierten Werten In den Mails von Oliver S. waren „TopTenner“ gewünscht. Die besprochenen Werte sollten in der Liste der zehn meistdiskutierten Aktien auftauchen, die etwa das viel genutzte Portal wallstreet-online.de auf seiner Startseite zusammenstellt. Das kann eine Art Multiplikatoreffekt haben. Einige dieser Aktien wurden zum Beispiel auch auf dem Nebenwerteportal Pearltrader besprochen. Dennis Hass, Geschäftsführer der Plattformbetreiberin Stormblast GmbH, erläutert, dass sich Pearltrader zum Beispiel bei den meistdiskutierten Werten auf wallstreet-online.de bedient habe, um möglichst viele Unternehmen für Ratings im eigenen Portal zu finden.
Hass beschäftigt sich schon länger mit Nebenwerten. Im Jahr 2000 hatte er deswegen sogar Ärger mit der US-Wertpapieraufsicht SEC. Sie warf ihm unter anderem vor, haltlose Prognosen veröffentlicht zu haben. Ein Kunde habe falsche Zahlen übermittelt, teilt Hass zur Erklärung mit. Sein damaliges Unternehmen World of Internet AG habe nichts gemeinsam mit der so ähnlich firmierenden heutigen World of Investment AG, betont Hass.
Wer hat letztendlich für die Postings bezahlt? Sowohl im Hinblick auf World of Investment als auch bei OTC jedenfalls bleiben Fragen offen. Unklar bleibt etwa, ob die Unternehmen beim Bekanntmachen der Aktien auf eigene Rechnung oder im Auftrag eines Dritten handelten. Die EnergyMixx AG aus der Schweiz etwa versicherte, sie habe keine Postings in Auftrag gegeben. Der Wert tauchte aber in Posting-Bestellungen von Oliver S. auf.
Der Verdacht liegt nahe, das es sich um „pump and dump“-Fälle handeln könnte. Dabei decken sich Investoren mit weitgehend wertlosen, marktengen Aktien ein und versuchen anschließend, positive Nachrichten zu streuen und den Kurs damit in die Höhe zu treiben. Gelingt das, verkaufen sie ihre Bestände, der Kurs stürzt ab. Solches „Scalping“ ist eigentlich verboten.
Auf wallstreet-online.de ist es zwar verboten, Mehrfach-Identitäten anzulegen wie es der Leitfaden für Poster vorsieht. Die wallstreet : online-AG (w : o) habe Mittel, um solche Poster zu finden und zu sperren, teilt das Unternehmen mit, das zum Axel Springer Verlag gehört. „Einen hundertprozentigen Schutz vor Mehrfachanmeldungen kann unser System allerdings nicht bieten“, räumen die Vorstände André Kolbinger und Georg Pagenstedt ein. „Wir haben nur allgemeine Hinweise auf bezahlte Postings. Es ist äußerst schwer, Teilnehmern nachzuweisen, dass sie für Beiträge bezahlt werden.“
Interessant ist, das w : o bis zum Einstieg bei Springer eine Tochter hatte, die Börsenbriefe verlegt, die trends@trades GmbH. In einem davon wurden auch mal Pusherwerte empfohlen. „Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Empfehlung und einem vermeintlich gepushten’ Wert im Forum“, betonen die w : o-Vorstände. Kolbinger ist nach wie vor Gesellschafter bei trends@trades. Es gibt keinerlei Hinweise, dass Empfehlungen dort bezahlt worden wären.
Vorsichtsmaßnahmen müssen User aber in jedem Fall treffen, wenn sie kein Opfer etwaiger „pump and dump“-Vorgänge werden wollen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat im Juni 2008 extra Hinweise zu Freiverkehrswerten veröffentlicht.
Hinweise zu Freiverkehrswerten Im Ausland gegründete Aktiengesellschaften, etwa aus den USA, Kanada oder der Schweiz werden häufig in den Freiverkehr an deutschen Börsen einbezogen. In der Vergangenheit haben verschiedene Börsenbriefe viele dieser Gesellschaften massiv zum Kauf empfohlen. Anstelle des von den Anlegern daraufhin erhofften dauerhaften Kursanstiegs kam es in den meisten Fällen jedoch innerhalb kürzester Zeit zu enormen Kursverlusten.
Die BaFin rät allen Anlegern, vor einem Investment die Anlagestrategie kritisch zu überprüfen und sich eingehend zu informieren. Dabei sollten Anleger auf folgende Warnsignale achten:
In engem zeitlichem Zusammenhang mit der Einbeziehung der Gesellschaft in den Freiverkehr fanden ein Aktiensplit und/oder eine Kapitalerhöhung statt, wodurch die Anzahl der Aktien erhöht wurde. Aktien betroffener Schweizer Gesellschaften haben lediglich den Mindestnennwert von 0,01 CHF. Das ist besonderes auffällig, wenn die Gesellschaften nur über das Mindeststammkapital von 100.000 CHF verfügen. In diesem Fall liegt es nahe, dass es den Gründern der jeweiligen Gesellschaft darum ging, möglichst viele Aktien zu schaffen.
Der Gesellschaftszweck des Unternehmens wurde kurz vor der Notierungsaufnahme geändert. Das ist vor allem bemerkenswert, wenn der neue Gesellschaftszweck in einer Branche angesiedelt ist, die gegenwärtig besonders „in“ ist (wie etwa die Rohstoff- oder Telekommunikationsbranche).
Über das Unternehmen sind keine aussagekräftigen und verlässlichen Informationen, wie testierte Jahresabschlüsse oder unabhängiges Research, erhältlich.
Die Personen, die in leitender Position der Gesellschaft tätig sind, waren bereits in anderen Gesellschaften tätig, deren Aktien nach der Einbeziehung in den Freiverkehr ebenfalls massiv an Wert verloren haben.
Die Gesellschaft hat ihren Sitz unter der gleichen Adresse wie eine Vielzahl weiterer Gesellschaften. Handelsregisterdaten etwa zu Schweizer Aktiengesellschaften lassen sich über das Internet recherchieren. Eine Reihe von Wirtschafts- und Finanzzeitschriften veröffentlicht zudem regelmäßig Listen mit unseriösen Anbietern und Produkten |